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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,1.1898-1899

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1899)
DOI Artikel:
Weitbrecht, Carl: Ethisch und Aesthetisch, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7957#0301

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LWiscb und Liestbetiscl).

„Kunst und Moral" überschreibt man in der Regel das Kapitel,
zu dem ich mir auch einmal einige Bemerkungen erlauben möchte. Jch
gebrauche mit Absicht nicht diesen Ausdruck, weil ich bemerkt zu haben
glaube, daß er mitschuldig ist an so manchem Schiesen und Unzulänglichen,
das bei den Erörterungen über dieses Thema zu Tage gefördert wird.
Das Thema selbst ist ja alt, es scheint mir aber zur Zeit wieder wichtiger
geworden zu sein als in manchen anderen Zeiten. Für die Gesundheit
unseres geistigen Lebens hängt ohne Zweifel nicht wenig daran, daß
etwas mehr Klarheit in die Sache komme, als zumeist in den Ver-
handlungen darüber zu vermerken ist.

Wenn ich mir überschlage, was ich in den letzten Jahren über
„Kunst und Moral" lesen und hören mußte, und nach dem Grunde frage,
warum mir das meiste den Eindruck des Ungenügenden und Unfrucht-
barcn gemacht hat, so scheint mirs in der Hauptsache an folgcndem zu
liegen:

Bei dem Worte „Moral" pflegt man lediglich an die Summe der
jeweils herrschenden sittlichen Begriffe zu denken, sei nun ihr Herrschafts-
gebiet eine ganze Kulturperiode, eine ganze Volksgemeinschaft, eine be-
stimmtc Volksschichte oder was immer — oder auch das Jndividuum.
Jmmer wird an die vorhandenen, aus irgendwelchem Grunde irgendwo
geltenden theoretischen Anschauungen und Urteile in sittlichen Dingen ge-
dacht. Und überdies werden diese sittlichen Begriffe in der Regel noch
ziemlich flach und äußerlich im Sinne der landläufigen Alltagsmoral ge-
faßt. Die Frage, die erörtert wird, ist dann nur, welchen Einfluß diese
„Moral" auf das Urteil in Kunstsachen beanspruchen dürfe oder nicht?

Unter „Kunst" aber versteht man dem gegenüber lediglich die ge-
wollte, bewußte, durch bestimmte Ausdrucksmittel in gewissen Formen sich
vollziehende Darstellung eines für snlche Darstellung geeigneten und aus-
gewählten Gegenstandes — um welchen Zweig der Kunst sichs nun handle
und was im einzelnen jene Ausdrucksmittel und Formen sein mögen.

Kunstwart p Februarheft

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