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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,3.1909

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Heft 13 (1. Aprilheft 1909)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8816#0035
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Allgemeineres

Da legte der Geistliche seinen Arm um die Schulter des Freundes. „Ich
denke/ sagte er, „ich werde deine Seele dem Herrn Minister als eine . . .
jedenfalls als cine Christenseele darstellen können, als eine. . . zwar
schrullenreiche, doch ungewöhnlich gute und nngewöhnlich tiefangelegte
Christenseele!" — Und plötzlich in dieser warmen Wallung hatte Prälatus
einen praktischen, ganz neuen Einfall, der seiner Meinung nach alle
Schwierigkeiten dieser Verwicklung lösen mußte, auf eine eigentlich simple
Weise.

Er setzte sich an Carlotas Seite, nachdenklich leerte er seine Äasse, stolz
dachte er: Wenn man auch nicht Professor in Leipzig wird, dann eben, dann
wird man . . . in Berlin Professor! — Und ließ sich gleich wieder ein-
schcnken, cin Stück Nosincnstollen nahm er und sagte: „Eine tzauskonfir-
mation machen wir! Eine Prinzenkonfirmation! In diesem Zimmer!
Da dir nun mal das Apostolikum dein rotes Tuch ist, — also ich kon--
firmiere dir deinen Iungen ohne das Apostolikum! Auch, wenn es denn
sein muß, ohne das Abendmahl! Das. . . also das werde ich einrichten,
man. . . man ist kein Sklave!"

Aber die Stirne des Schulmeisters hatte sich eine Wolke gelagert, düster
fragte er: „Alles ganz . . . diskret?" Gleich aber schaute er wieder in
seinen Lhristbaum, und alle Lichter spiegelten sich in seinen Augen.
Dies fragte er sich: Ob sich der wohl, dem wir nachfolgen wollen, vor
Pilatus auf einen schäbigen Ausweg würde eingelassen haben? And ob
es dann heute — ein Christcntum gäbe!?! — „Nein," sagte Stoß, „ich
muß cs wohl bei den religiösen Privatstunden bewenden lassen, die ich
meinem Sohne erteilt habe; sehr gerne hätte ich eine abschließende Reif-
weihe, die aber müßte vor dcr Gemeinde geschehen, als der Vertreterin der
Christenheit, ganz öffentlich, mit Glockenläuten, mit Halleluja und Posau-
nenblasen! And so nur dürfte sie geschehen, daß ich von Herzen dabei-
säße und könute Amen sagen! Von keincr Erbsündc dürfte gepredigt
werden! Von keiner stcllvertretenden Sündentilgung! Von keiner spc-
ziellen Göttlichkeit Christi! Von keiner heiligen Dreieinigkeit! Sondern
allein von der Arbeit im Weinberge!"

In das Gesicht Carlotas blickte der Domprcdiger, fragend, hilfesuchend.

Ohne hörbare Klage sagte die Königliche: „Ich habc mich in die Ent-
schließungen meines Mannes zu fügen."

Und Stoß bedeckte die Augen mit beiden Händen.

Da tat Prälatus einen tiefen Seufzer, bald machte er seiner Visite ein
Ende.

In seinen Pelz half ihru der Hausherr, schweigend.

Als dcr Sendbote des Kultusministers ins kalte Treppenhaus wicder
Hinaustrat, drückte er schmerzvoll seines Freundes Hand. „Ach Stoß,"
sagte er, „wenn es nach mir ginge . . . !"

Rundschau

Anser Leiter

ist diesmal fast ein dichterisches Ge°
bilde, deshalb schien cs uns nicht
am Platze, Gustav Langens Worte

mit nüchternen Erklärungen und
Verweisungen zu durchsetzen. Die
älteren Kunstwartleser werden auch
von allem, worauf er weist, wissen,

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Kunstwart XXII, sS
 
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