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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,3.1909

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Heft 15 (1. Maiheft 1909)
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Bleuler-Waser, Hedwig: Vom Papier zum Leben!: anläßlich achtjähriger Schriftsteller
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8816#0181
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begegnet, wenn man es wagt, sich in der Zoologie nach ihrer
Katze, in der Grammatik nach ihren eigenen Ausdrücken, in der
Geographie nach ihren eigenen Reiseträumen, in der Geschichte
nach ihren Helden, bei der Lektüre des »tzerzog Lrnst" oder „Don
Carlos" nach ihrer Auffassnng der Freundschaft zu erkundigen.
„Wie kommst du mir denn auf einmal vor?" scheint dieser Blick zu
fragen, dann aber taucht ein dankbares Leben, ein: „Da bin i ch" in
den erst so eingeschlafenen Gesichtern empor. Wer einmal solch schul--
entflohenes Seelchen in seine liebliche Wohnung zurückkehren, es
in Kinderaugen wetterleuchten, auf Kinderlippen lächeln sah, der
kann's nicht mehr lassen, die verscheuchten Vögel zu locken. Wann
wird die Zeit kommen, da wir sie aus all den jetzt so toten Schul«
stuben, den steif bemalten Heften werden jubilieren hören?

Zm sechzehnten Iahrhundert, da war's, als noch alles, was die
Feder führen konnte, Ritter, Staatsmann, Gelehrter und Handwerker:
Götz von Berlichingen, Niklaus Manuel, Thomas und Felix Platter,
Hans Sachs einen Stil schrieb, ähnlich dem, der uns in jenen Auf--
satzproben der Achtjährigen entzückt. Darauf verlernte man diese Art
zu schreiben, je mehr man schreiben lehrte. Auf den Schulbänken ver-
stummte Volkslied wie Volksstil. In moderner Zeit ist sie zwar wieder
gefunden worden, die eigene Weise, aber erst vom Dichter, vom
Genie. Wir andern schreiben meistens noch, nicht wie uns der Schnabel
gewachsen, nein, wie er unserm Schulmeister zurechtgeschnitten worden
ist. Wie lange muß man wohl noch lernen, um zu wissen, was man
nicht lehren soll? Wie alt muß die Schule werden, eh sie zur Iugend,
zur Natur zurückführt? Hedwig Bleuler-Waser

Lose Blätter

Aus KindheiLsgeschichLen

sDiese kleine Zusammenstelluug von Stücken aus Meistern deutscher
Prosa ist, wie besouders betont sei, keine Komposition auf die
Stimmung, sondcrn eine Auslese auf die Sachc, auf die Dar-
stcllung der kindlichen Psyche hin. Die „Quellen" dcr Stücke sind diese:
das „Tagebuch" der Bettina von Arnim, „Asmus Sempers Iugend-
land" von Otto Ernst (Staackmaun), „Meine Kiuderjahre" von Marie
Ebner-Eschenbach (Paetel), „Meine Kinderjahrc" von Theodor Fontanc
(Fontane), „Buch dcr Kindheit" von Bogumil Goltz, „Meine Kindheit"
von Hebbel, „Peter Camenzind" von Hermann Hesse (Fischer), „Mao"
von Friedrich Huch (cbenda), „Der grüne Heinrich" und „Romeo und
Iulia" von Kcller, „Erinnerungen eines alten Mannes" von Kügelgen,
„Die Buddenbrooks" von Thomas Mann (Fischer), „Die Akten des
Vogelsangs" von Wilhelm Raabe (Ianke), „Mein Weltleben" und „Das
ewige Licht" von Rosegger (Staackmann), „Freund Hein" von Emil Strauß
(Fischer). Bei Büchern, deren Verfasser noch leben, haben wir den Namen
des Verlags danebengesetzt. Die der andern sind teils allgemein be-
kannt, teils gibt es von den bctreffenden Werken mehrere AusgabenZ

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