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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,3.1909

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Heft 14 (2. Aprilheft 1909)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8816#0126
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Allgemeineres

Nundschau

Von den Mäzenaten

u jener Zeit, ais wir Horazische
Versmaße skandierten oder, wic
wir uns damals ausdrückten, „an
den Versmasern litten", war es,
daß wir zuerst des näheren übcr
die Notwendigkeit des „Mäzenatcn-
tums" unterrichtet wurden. Es war
zur selben Zeit, daß einigen von
uns zum ersten Malc (denn wir
lasen Homer, Sophokles und De°
mosthenes neben Virgil, Ovid, Ho-
raz uird Licero) ein Gefühl des
Unterschieds von echter Kunst und
Mäzenatcnkunst an dcr Secle vor-
überzog.

„Keines Mediceers Güte lächeltc
der deutschen Kunst" — Schiller hat
rccht mit der Tatsache. Aber er
hatte unrecht, wenn er mcinte, daß
die Renaissance ihr Entstehen odcr
ihre Blüte der Güte der Medi-
ceer verdankte. Als die Medici
aufkamen, war die Kunst mäch-
tiger als die Medici. Die Medici
bewarbcn sich um die Gunst der
Kunst, aber nicht bcwarb sich die
Kunst um die Gunst dcr Medici.
Wenn eine schmuckliebende Damc
zum Iuwelier geht, um den Dia-
manten zu kaufcn, mit dem sie ihre
Nebenbuhlerinnen zu schlagen denkt,
so glaube ich nicht, daß sie das
aus Interesse an der Entwicklung
der Goldschmiedekunst tut. Für die
Medici war die Kunst — „Charlchs
Tante". Daß „Charleys Tante" da°
mals so aussah, spricht für den Ge-
schmack der Medici, aber nicht für
ihre Selbstlosigkeit und „Gütc".

Perikles hat nicht den Homer
ermuntert, sondern Homer hat den
Perikles begeistert.

Man nimmt heute vielfach an,
daß dic „Nenaissanceknnst" in ihrcn
ersten Anfängen auf dcn Eindruck
der Persönlichkcit dcs heiligcn Fran-

ziskus oder allgemeiner auf jene
Bewegung zurückgeht, die zur
Gründung der großcn Mönchs-
ordcn führte, auf jene sclbe Be-
wcgung, die vom Kloster Clugny
ausging und mit Hildcbrand auf
den Papstthron gelangte, um die
Herrlichkeit der Wclt vor sich im
Schnee Buße tun zu lassen.

Diese Bewegung war, wie man
wciß, auf Weltentsagung gcrichtet,
auf die Bekämpfung der Sinnlich-
keit. Eine so im Inncrsten kunst-
feindliche Gcistesrichtung soll zur
sinnengesundcstcn aller Kunstepochen
geführt haben? Wer dieses Para-
dox durchschaut, hat vom Zusam-
menhang der Dinge mehr begriffen,
als wcr vor Kunstenthusiasmus
überschäumt, und von der Notwen-
digkeit des Mäzenaten und der
Kunstpflege überzeugt ist.

Nämlich — um von Tieferliegen-
dem ganz zu schweigen — alles
Kunstschaffen, das der Ncdc wert
ist, setzt irgendwie eine ticfe Er°
schütterung dcr Menschen voraus.
Icde sonstigc andere schöpferische
Betätigung verhält sich ebenso.

Eine solche Erschüttcrung kann
man von eincm starken oder wil-
den oder auch nur mächtigen Feindc
beziehen, aber nicht leicht von
irgendeiner freundlichen Begönne-
rung.

Von der andcren Seite her sind
für Entstchung und Wachstum
einer Kunst Menschen nötig, welche
die Kunst brauchen. Aber nicht in
irgcndcinem sentimcntalen Sinne
odcr gar um der „Bildung" willcn,
sondcrn aus Egoismus, aus Ge°
nußsucht, ganz gleichviel, wie man's
nennen mag: es sind dafür Men-
schcn nötig, welchc Kunst wirklich
brauchen und deshalb wollcn.

Die Medici warcn für die Ent-

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