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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,3.1909

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Heft 14 (2. Aprilheft 1909)
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Göhler, Georg: Georg Friedrich Händel
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8816#0104
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Nande eines stillen Waldsees sich alle Freude zu vergällen dadurch, daß
man gerade lieber Meeresbrandung wollte, so setzt man sich der gleichen
Gefahr aus, alle eigentümlichen Schönheiten Händels zu übersehen, wenn
man immer an Bach denkt, und umgekehrt.

Es wird noch vieler Arbeit bedürfen, bis von tzändels Wcrken alles,
was unvergänglich ist, wirklicher Bcsitz der Musikfreunde ist. Aber es
wird ein unendlicher Segen von aller Beschäftigung mit Händel darum
ausgehen, weil diese urgesunde, schlichte und grotze Kunst, dieser Reichtum
an musikalischer Schönheit und Neinheit den Abscheu vor aller gespreizten,
raffinierten, äußerlichen Scheinkunst vcrstärken und das künstlerische Emp-
finden des Volkes läutern und reinigcn wird. Das Wesentliche für die
Entwicklung der Kunst ist ja nicht, daß zu immer neuen Sensationen
fortgeschritten wird und daß ein paar Tausend Menschen ihr musikalisches
Empfinden artistisch verfeinern, sondern daß immer breiteren Schichten
des Volkes die größten Werke der Kunst früherer Zeiten immer mehr
in Fleisch und Blut übergchen, damit aus dem gesunden Nährboden des
Volksempfindens dann kraftvolle Schöpfer ncuer Kunst entstehen. Auf
diesem gesunden Boden erwuchsen Händel, Bach, Beethoven, Mozart und
verloren selbst in ihren größten Werken nie die Fühlung mit ihm. Was
sie alle uns lehren können, daß gcrade das Große, das Monumentale
stets einfach und schön, gesetzmäßig und gesund ist, das lehre uns in diesen
Tagen, wo solche Lehre besonders nötig ist, auch ganz besonders der
universale Künstler, dessen Andenkcn wir am sH. April feiern: Georg
Friedrich Händel. Georg Göhler

Lose Blätter

Aus Ernanuel von Vodrnans Dichtungen

sEmanuel von Bodmans Dichten wurzelt wie das so mancher seiner
Stammesgenossen in einer ziemlich rein lyrischen Begabung. Damit ist
nicht gesagt, daß er sein Bestes unbedingt in Gedichten geben müßte, aber
daß er's dort gibt, wo — offen bekannt oder in Gestalten verkleidet — sein
eigenes Ich hinter den Worten hervorschimmert; die Freude am Ding
ist ja für den Lhriker dieser Art immer mchr eine in ihm selbst beschlosscne
Lebensfreude als die Lust der Rezeption oder des reinen Schauens. Das
Sichhincinscnken in ein anderes Ligenleben bis zur völligen Auflösung
des eigenen Ichs darin, so daß es selbst die fremde Sprache sprechen lcrnt,
ist solchen Lyrikers Sache nicht. Er kann sich die Kraft des Dramatikers
und die Zurückhaltung des Epikers nur selten und in gemilderter Form
aneignen — der Strom aus dem eigenen Innern heraus sucht nicht erst
verbergende Wege, er will sich selber zeigen.

In der Tat wird man Bodman am leichtesten von seiner Lyrik aus
nahekommcn. Die überwiegende Mehrzahl sciner Gcdichtc sind nach Form
und Gehalt Ichgedichte. In dicsem Ich stecken nicht eben die zwei qualvoll
kämpfenden Seelen Faustens, sein Grund ist vielmehr jene trotz aller
Konflikte hcitere Lebensempfindung und Lebensbejahung, die aus aller
Traurigkeit einen Weg aufwärts, nach jeder Enttäuschung in sich selbst eine
neue Hoffnung findet. Und seine bestc Gabc ist das ungebrochene Schauen,
die Selbstgewißheit, sagen zu können und gern zu sagen, was gar viele

^ Kunstwart XXII, ^
 
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