Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,3.1909

DOI Heft:
Heft 13 (1. Aprilheft 1909)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8816#0053
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Angewandte

Kunst

kann. Auch die kleinen Städte
üben diesen Branch, wenn sie nicht
vorziehen, mit ihrem Plane ge-
radcswegs zu einem der nam-
haften Künstler zu gehen, die heute
nicht mehr so lcicht zu verfehlen
sind. Aus jüngster Zeit liegen ein
paar Fälle vor, wo kleine Stadt-
gemeinden sogar notwendige Um-
bauten der sorgsamen Hand von
angesehenen Baumeistern über-
gaben. Die Gedanken des Heimat-
schutzes und der Heimatpflege fangen
an, auch positiv zu wirken und
Frucht zu tragen.

In Tölz war das alte Rathaus
zu klein geworden, ließ sich aber
schwer vergrößern. Daher kaufte
die Gemeinde ein günstiger ge°
legenes Gebäude neueren Arsprungs,
das mit seiner brciten städtischen
Palastfassade nnter den gemütlichen
Tölzer Giebelhäusern die bekannte
unglückliche Figur machte. Diese
greuliche Ungestalt des sehr reiz-
vollen Tölzer Hauptstraßenbildes be-
seitigte Gabriel von Seidl über-
aus geschickt, indem er dem vier-
geschossigen Mietspalast ein ganz
neues Gesicht gab: durch Ilm-
gestaltuug des Erdgeschosses und
angetragene Lisenen der oberen
Stockwerke, durch schmale Erker
uird einen doppelten Flachgicbel
nach Tölzer Art, endlich durch eine
reiche, farbenkräftige Bemalung in
freien Motiven, die das ober-
bahrische Rokoko munter variiert.
Dazu Ahr und Dachreiter, die auf
das öffentliche Gcbäude weisen.
Also eine Attrappc — das wollen
wir nicht wegleugnen. Aber eine
von den Umständen halb und halb
erzwungenc, und in einer an sich
guten Form. Vielleicht hätte sich
das etwas zu hoch geratene Dach-
gesims, das augenscheinlich vom
alten Bau übernommen wurde,
tiefer rückcn und der Giebel durch
Fenster beleben lassen. Aber das

40

sind Randwünsche, die diese ge-
schmackvolle rein dekorative Lösung
nicht herabsetzen wollen. Hätte
sich's um einen neuen Bau ge-
handelt, so wäre ja Seidl der letzte
gewesen, der an dergleichen ge-
dacht hätte.

Dann zwei Neubauten: in Bal-
lenstedt am Harz von Alfred
Messel, in Bozen von Karl
Hocheder. Wer Messel nur in
seinen großen Berliner Vauten
kennt, wird sich wundern, wie
schlicht bürgerlich der Erbauer von
Wcrtheim dieses Rathaus seiner
kleinstädtischen Amgebung anzu-
passen wußte. Im Mittelbau über
dem Portal - die Sitzungszimmer,
über ihnen — ein sehr hübsches
Motiv — der altbürgerliche Quer-
gicbel und darüber der stämmig
nntersetzte Dachreitcr, ganz in
Schiefer gepanzert. Im übrigen
sind Kalkstein und rauher Kiesel-
putz verwendct. Der Bau ist —
was auch einmal belegt sei —
in all seiner behaglichen Würde
billig: der Kubikmeter stellt sich
auf s9,5 Mark, die Gesamtkosten
betragen M000 Mark. Ansre
kleinen Gcmeinden, die etwas Gutes
haben möchten, brauchen sich also
wirklich nicht vor grausam hohen
Architektenhonoraren zu fürchten. —
Am Rathause in Bozen hat sich
der Münchner Hocheder erst be-
teiligt, nachdem die Grundrisse be°
reits festgclegt waren. Es blieb
ihm die Ansgestaltung der barocken
Fassade, die vielleicht etwas zu
wuchtig anf dem Laubengange lastct.
Luftig und licht sind im Innern
die Gänge und der Hof. Auch
das Amtszimmer des Vürgermei-
sters hat Hocheder entworfen.

E. Kalkschmidt

Snob als Znserent

nzeigenbilder wie diese hier
läßt jetzt das „Kaufhaus des

Kunstwart XXII, 13
 
Annotationen