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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,3.1909

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Heft 14 (2. Aprilheft 1909)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8816#0141
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wurf kunsthistorischer Einseitigkeit ^
freigesprochen wcrden, „so lange das
höchste Problem der Kunst nicht
aufqenommen ist, das Problem der
Qualität".

Es ist so weit gekommen, daß
man „die Stile kennen" für gleich--
bedeutend nimmt mit „Kunst ken-
nen". Aber nicht was die ver-
schiedenen Stile unterscheidet, ist
künstlerisch das BeLeutsame, son-
dern was die guten Sachen aller
Zeiten unter sich gemein haben.
Es ist nicht so wichtig, die besondere
Art zu kennen, wie die Hände des
Botticelli sind und wie sie sich
von dcnen eines Filippino unter-
scheidcn: was überhaupt eine gut-
gezeichnete Hand ist, das ist wichtig.
Es ist wichtig, daß man zwischen
verschicdenen Wirkungen unter-
scheiden lerne und es als etwas
Beglückcndes schähe, wenn in der
vollkommenen Darstellung die Form
nach ihren entscheidenden Eigen-
schaften sich sofort und schlagend
und vollständig zu erkennen gibt.
Und nicht nur zum starken klaren
Sehen, sondern ebenso zum großen
Sehen, zum Zusammennehmen der
vielen Dinge zu einer einzigen
ruhigen Anschauung muß das Auge
erzogen werden. Ie seltener in der
Kunst die Undeutlichkeit derart
ist, daß der Eindruck entstcht, man
brauchte nur näherzutrcten, um
alles genau zu schen, — um so
größer ist die Freude dessen, der
gelernt hat, sie zu erkennen. And
als drittes gibt es die Freude,
den Lharakter dcr Notwendigkeit
des im Kunstwerk aus dem Strom
des Veränderlichen zur festen ge°
schlosscnen Form Herausgestalteten
zu erkennen. „In dieser Hurch
und durch bedingten Welt, wo eines
sich ans andre anlehnt, etwas Un-
bedingtesl" Eine ganze Asthetik
dieser Art könnte aufgerollt werden.
„Hier liegen die wichtigsten Ziele

für die Lrziehung des Kunstsinns.
Man kann den Weg über die
Historie nehmen, aber er ist ge°
fährlich, denn für die bloßen
Dilettanten ist er eine Versuchung,
von der Hauptsache sich abbringen
zu lassen und im Nebensächlichen
steckenzubleiben. Es ist zumal bei
der Iugend so viel zu leisten nach
der Seite der bloßen Anschaunng,
des Sehenlernens, daß man auf
einen Abriß der Kunstgeschichte zu
verzichten alle Ursache hätte."

Wir würden diese Worte, die
sich mit manchen alten Kunstwart-
gedanken berühren, nicht mit so°
viel Freude hier wiederholen, wäre
es nicht gerade ein Mann von
höchster historischer Begabung
und Neigung, der gegen das Erb-
übel der deutschen Kunstbetrach-
tung so kräftig spricht. I. E. A.

Krematorien

as Fremdwort hat hier den
Vorzug der Kürze vor den
„Leichenverbrennungshallen", einem
Worte, das übcrdies nicht einmal
alles Nötige besagt. Denn es
handelt sich um mehr als nur
um den technischen Apparat zur
Verbrennung, obwohl der wichtig
genug ist; es handelt sich um eine
ncue Form des Totenkultcs, und
dementsprechend um einen neuen
baulichen Ausdruck, um eine wür-
dige Amrahmung der Totenfeier.
Dazu kommen in den meisten Fällen
Aufbewahrungsräume für die
Urnen, oder friedhofartige Anlagen
für sie. Aus der baulichen Be-
wältigung all dieser Zwecke erst
ergibt sich ein Krematorium.

Die nüchternen Amerikaner haben
sich die Aufgabe vielfach sehr leicht
gemacht, sie sind schon mit Bauten
zufrieden, die mit hohem Schlot
von fern an eine Fabrikanlage
erinnern. Europa seinerseits ent-
gleiste etwas nach dcr pathetischen

2. Aprilheft ^09 ls3

Angewandte

Kunst
 
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