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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,3.1909

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Heft 18 (2. Juniheft 1909)
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Bender, Ewald: Hodlers Jenaer Universitätsbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.8816#0404
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mus kriegerischer Klänge verstrickt (seh ich's oder hör ich's?), un-
entrinnbar starke Linien gießen mir in die Seele heroische Ekstasen,
und nun legt sich dunkel wie eine Glocke metallisches Grün der
Färbung auf die erregten Sinne. Ich werde ruhevoll und froh
und bin wieder einmal gewiß, daß es sehr schön ist, zu leben. —
Warum muß ich da immer an Iohann Sebastian Bach denken?
Es gibt eine Kantate von ihm über „Ein feste Burg". Nie empfand
ich mehr, daß wir sein können „gleich Gott«. Man steht an der
Säule mit geschlossenen Augen; man fühlt nicht, daß man einen
Körper hat; um die Stirn legt sich ein Ring: nur Gehirn und
Aufnahmeorgan geheimnisvoller Töne.

Aber da höre ich ernüchtert die Klage jener Dame über die pein-
lichen Fingerübungen, — als ich mir glühend Bachsche Fugen spielte.
Und es gibt Leute, denen die marschierenden Krieger in Hodlers
Bild wie Zinnsoldaten erschienen, die Pferde wie aus tzolz, die
Iünglingc unten als treffliche Figuren zum Ausschneiden, wie auf
Neuruppiner Bilderbogen. Ich habe mir immer gedacht, daß man
seinen Kopf an der Strenge Bachscher Musik, von Dantes Komödie
und Giottos Fresken geschult haben müsse, um Hodler heute leicht
und gut zu begreifen. Nnd es will mir als eine lohnende Auf-
gabe erscheinen, die Freunde zu leiten und ihnen zu erklären, wie
man wohl die hohe künstlerische Kraft Ferdinand Hodlers für das
eigene Leben nutzbar machen könne.

Da sollte man zunächst vergessen, daß es Tafelbilder gibt, ge-
füllt mit stark differenzierter Olfarbe, komplizierten Stimmungen, reich
an intimen Reizen. Stille Kunst für sehr kultivierte Sinne, denen
aller „Lärm" zuwider ist, und die im Raffinement das Lrlebnis
suchen. Es ist nichts dagegen zu sagen. Aber gerade als Reaktion
und Ergänzung erscheint mir der schweizerische Barbar Hodler für
unsre Zeit so wertvoll. Seine Gebilde aus Stein und Feuer führen
uns zurück auf die Elemente menschlicher Empfindung. Er sammelt
alle „Sentiments" unsres verfeinerten Lebens zu Strömen von Grund-
gefühlen. „Hunger und Liebe!« Ich könnte auch jede andre Formel
dafür finden.

Man hatte Hodler in Iena gesagt: Malen Sie uns für den
Bau Theodor Fischers ein Monument zur Lrinnerung an den Aus-
zug unsrer Studenten (8(3. Da las er sich in die Stimmung jener
Zeit ein und erkannte jene einzigartige kriegerische Empörung der
Iugend, ein Pathos, wie es in Deutschland bis dahin nie gehört
war, und Nnerbittlichkeit des Entschlusses, den Schrei nach Blut
und finsteren Willen zu sterben. Mehr noch: aus den örtlich und
zeitlich gefärbten Ereignissen der Freiheitskriege gestaltete sich ihm
die „Idee", und so wurde nach drei, vier Entwürfen, nach einem
peinlichen Studium selbst des Kostüms der Zeit jene Reduzierung
auf das Allgemeinmenschliche einer kriegerischen Revolution der Iugend
gegen den Tyrannen erreicht, die jetzt manchen Kopf so ratlos macht.
Es hat sich ergeben, daß niemandem die Größe der Gestaltung
verborgen blieb. Aber der Schlüssel zum Geheimsten ist in den
Brunnen gefallen. Ich könnte mir nun ein Späßchen machen: man
stelle sich vor, wie anders sich dieser Stoff einem Menzel gebildet

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