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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,1.1909

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1909)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8818#0044
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Und als mein Vater an die sechzig kam,

Einen Ambau der Hose er vor sich nahm,

Das Leder freilich war unerschöpft,

Doch die Büffelhornknöpfe warn dünngeknöpft,
Wie alte Groschen, wie Scheibchen nur, —

Er erwarb eine neue Garnitur.

Und dann allmählich machte das Nciten
Ihm nicht mehr den Spah wie in früheren Zeiten,
Besonders der Trab in den hohen Kadenzen
Ist kein Vergnügen für Exzellenzen,

So fiel die Hose durch Dotation
An mich in der dritten Generation.

Ein Reiterleben in Niedersachsen, —

Die Gaben der Hose warn wieder gewachsen'

Sie saß jetzt zu Pferde, wie aus Guß,

Und hatte wunderbaren „Schluß",

And abends stand sie mit krummen Knien
Wie immer zum Trocknen am Kamin.

Aus Großvaters Tagen hcrüber klingt
Eine ferne Sage, die sagt und singt,

Die Hose hätte iu jungen Tageu
Eine prachtvolle grüne Farbe getragen.

Mein Vater dagegen — weiß ich genau -
Nannte die Hose immer grau.

Seit neunzehnhundert ist sie zu schaun
Etwa wie guter Tabak: braun!

So entwickelt sie, fern jedem engen Geize,

Immer neue ästhetische Reize,

And wenn mein Ältester einst sie trägt,

Wer weiß, ob sie nicht ins Blaue schlägt!

Denn Geschlechter kommen, Geschlechter gehen,
Hirschlederne Reithoscn bleiben bestehen,

And fern, im Nebcl der Zukunft schon,

Seh ich die Hose au meinem Sohn.

Er wohnt in ihr, wie wir drin gewohnt,

And es ist nicht nötig, daß er sie schont,

Ihr Ledcr ist gänzlich unerschöpft,

Die Knöpfe nur sind wieder durchgeknöpft,

And er stiftet, folgcnd der Väter Spur,

Eine neue Stcinnußgarnitur.

Kunstwart XXIII, l
 
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