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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

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Heft 1 (Oktoberheft 1927)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0015

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zu dienen haben, so nur dem lebendigen Geiste, der mit dem Leben in
lebendiger Spannung und Wechselwirkung steht, in ihm allein Wurzel
schlagen kann nnd ihm wiederum Sinn und Würde verleiht, es durchdringL,
süllL und erhöhL. Die ossenkundigen Folgen der Berseindnng beider, die wir
heuLe in erschreckendem Maße erfahren, zeigen deutlich genug, daß das Weichen
aus der sruchLbaren Spannung zum llnheil des Geistes wie des Lebens aus-
schlägL. Wir möchLen also auch den uns überkommenen, anspruchsvoll klingen-
den TiLel in keinem anderen Sinne ausgelegt wissen. —

Diese Anfsassung verbieteL von selbst eine Halkung, die verneinend zur Gegen-
wart slehL und das „Menschliche" mit ProLesten nnd RestauraLionsversuchen
retten zu wollen vorgibt. VerbieteL nicht minder aus der anderen SeiLe, die
kriLiklose Bejahung der Zeit in allen ihren Äußerungen mitzumachen, das
gcschästige BedachLnehmen auf die jeweilige AktualiLäL und Tagesmode, wie
auch jenen Radikalismus, der selbst im unverlierbaren GeistesguL der alten
KulLur nur Hindernisse sür das Gestaltwerden des Iceuen sieht. Sie ver-
bieLet endlich, sich als unbeteiligter Znschauer dem Heraufdrängen neuer
LebensmächLe zn enkziehen nnd es beim bloßen Auch-Bescheid-Wissen bewenden
zu lassen. DamiL erwächst zugleich die Berpflichtung auch und gerade jedem
Einzelnen, Lätige Beziehung zu diesen Mächten zu finden. Dies heißt aber erst
einmal ohne VorbehalL die völlige Ohnmacht veralteLer Lebensordnungen gegen-
über der heuLigen WelL anznerkennen. HeißL jencr, daß cine vor dcr Wirk-
lichkeiL nicht ausweichende, an und in ihr wachsende, ihr standhaltende Lebens-
form im EnLstehen ist, die freilich mit reakLionären oder bolschewistischen Zdeo-
logicn nicht geschaffen werden kann, sondern ganz auf die KräsLe des Ur-
sprungs, auf die gcsnnden Wurzeln, auf das Wahre, LauLere und DanerhafLe
angewicsen ist. Zndes will die EinsichL, daß die Verengung und Verödung
des Lebensraumes, die ÜberwälLigung des Menschlichen und das Absinken
ins IlnLergeistige, UnLerseelische und Untermcnschliche sorLschreiket, rmr wcnig
bedeuten, wenn sie nichL auch die KrafL des Zutrauens gibL, den Glauben an
den Einzelnen und die GemeinschasL als Träger erneuernder nnd bauender
Kräfte wiederbringL, als welche sie sich in jeder ZeiL zu bewähren haben.
Dieser Glaube allein enLscheideL, mag er auch heuLe doppelL schwer aufzu-
bringen sein, wo das bcängstigende HanLieren miL Ablenkungen, BeschwichLi-
gungen und bestechenden Universal- und RadikalmiLLeln freilich leichL über
die TaLsache hinwegLäuscht, daß von gesicherten JnhalLcn und bündigen For-
men einer neuen „welLfesten" Lebensordnung auf keinen Fall gesprochen wer-
den darf. Vielmehr ist das Werdende erst in jungen Trieben und Ansätzen
crkennbar, die geduldiger und mühsamer Pslege bedürfen und sich naLurgemäß
ebensosehr der stumpsen Ergebung in den Rkotgang des modernen Ge-
Lriebes wie der Zagd nach bekäubendcn ÜberslüssigkeiLcn hartnäckig vcr-
bergen müssen. Zn diesem BeLrachL wird also das „Problematische" im
Kunstwart nichL ganz zu vermeiden sein. Ilnd wir können hier nur versichern,
daß „LheoreLische, abstrakte" Erörterungen an dicser Skelle nichk der subjck-
Liven Spintisicrerei und dem Auskramen privater Schmerzen und Meinnngen
dienen, sondern von dem Willen zu ehrlicher AuseinandcrseHung getragcn
sind und aus die Freilegung und Läuterung der sich regcnden aufbaucnden
Kräftc abzielen.
 
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