Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1927)
DOI Artikel:
Umschau
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0079

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
behandeln, dnrchans falschen Handel mit
ihr treiben.

Es ist die ernsteste Ansgabe der Ertvach-
senen, der Jugend dazu zu helfen, daß
si'e ermachseu wird, daß der junge Mensch
sowohl eln eigener Mensch wie eln ver-
antwortungsbewußtes Glled der Volks-
gemeinschaft wird. Jugendbewegung
stellt den Erwachsenen vor eine volks-
pädagogische Aufgabe. Da versagen nun
grundsätzlich die auS der Jngendbewe-
gung Hervorgegangenen, die einen Kom-
promiß mit den Anschaunngen eingegan-
gen sind, gegen die ihre Bewegung ge-
richtet ist. Leider glauben die anderen
Erwachsenen gern, daß gerade diese die
rechten Mittler zwischen den Generatio-
nen wären. — Der Organisation ist es
immer um das Menschenmaterial, um
die Masse zu tun. Wer die Jugend hat,
hat die Macht und die Zukunft, heißt es.
Der Erwachsene denkt daher bei Jugend-
bewegung regelmäßig an eine Schar Ju-
gendlicher; er will Scharen um sich sam-
meln, und alle seine pädagogischen Künste
verwendet er darauf, Scharen zusammen-
zubringen und in den Jugendlichen den
Massengeist zu erwecken. Dadurch er-
zieht er sich und seiner Organisation wohl
eine Gefolgschaft, aber eine Gefolgschaft
von Blinden, die freilich meist nicht wis-
sen, daß sie blind folgen. Der Erwach-
sene wendet leider nicht die Erziehung
an, durch die die Individnalität des Men-
schen sich zu entfalten vermag, sondern er
unterstützk vorzugsweise die Masfeutriebe
Auch diese bedürfen der Förderung nnd
— Lenkung. Aber in dem Alter des Ju-
gendlichen, des JünglingS und der Jung-
frau, dem Alter der Augendbewegung
von heute, soll der Mensch vor allem
seine Eigenart entwickeln, ein eigener,
mündiger Mensch werden. Wird eine
solche Erziehung in diesem Alter ver-
nachlässigt, so entsteht der Herdenmensch.
Die pädagogische Wissenschaft weiß das
sehr wohl. Und in diesen Jahren wird
sich für Deutschland der Kampf entschei-
den, ob auch in Zukunft die Jugend ein
Machtinstrument der Erwachsenen sein
soll, oder ob die Jugend Recht und Mög-
lichkeit erhält, zu Menschen eigener Art
heranzuwachsen. Hier erschienen die
Worte, die der Reichsinnenminister von
Keudell bei der Eröffnung der Ausstel-
lung — unprogrammäßig — sprach,
durchaus als die Worte eines Führers.
Bei uns als den Erwachsenen wird es

64

liegen, ob die Jugendbewegung von heute
wieder frei wird als eine vom Geist der
jungen Schöpferischen bewegte Jugend.
Dann erst werden die Voraussetzungen
gegeben sein für eine Gemeinschaft des
deutschen Bolkes. Jmmer wird die Ju-
gend kämpfen. Aber eine solche Jugend
wird nicht kämpfen gegen die Alten und
auch nicht gegen die eigene Generation.
Für sie wird der alte Kampfspruch gel>-
ten: „Der deutschen Zwietracht mitten ins
Herz." Lothar Schreyer

Zu unsern Losen Blätteru
Wir schätzen unS glücklich, unsere Freunde
heute mit einem Stück aus Ernst Pen-
zoldts neuem Roman „Der arme Chatter-
ton" bekannt machen zu können, der in
einiger Zeit als Buch erscheinen wird. Don
Penzoldt, der als Dichter, Maler und
Bildhauer in München lebt, ist ein Band
Gedichte: „Der Gefährte", und zwei
schmale Bände Prosa: „Der Schatten
Amphion" und die „Fränkischen Jdyllen"
sind vor einigen Zahren bei Ernst Heime-
ran herausgekommen. Mit dem armen
Chatterton, dem ein ebenfalls demnächst
erscheinender kleiner Roman „Der Zwerg"
unmittelbar vorangegangen ist, scheint er
einen ersten glücklichen Gipfel seines
Schaffens erreicht zu haben. Es ist ein
Werk, in dem sich Anmut und Tiefsinn,
die spielerischste und schweifendste Phan-
tasie und der ernsthafteste Kunstverstand
vermählt haben, um ein Gebilde zu
schasfen, wie es so zart und so kräftig, sv
heiter und so erschütternd, so ganz wahr
und so ganz erfunden zugleich niemals das
bloße Talent oder gar der bloße Fleiß und
Ehrgeiz hervorbringen werden.

Mit Paul Appel können wir erstmalig
einen ganz unbekannten Lyriker vorstel-
len, an dessen außerordentlicher Be-
gabung nach den mitgeteilten Proben
wohl nicht mehr zu zweifeln seiu wird.
Eine zwingende Einfachheit und Lauter-
keit der Gesinnung, eine schüchterne, ver-
haltene Gelöstheit des Gefühls tragen
diese Berse, die ganz in das Element des
Lyrischen getaucht sind und aus ihm
leben. Wir glauben nicht, daß es zu viel
gesagt ist, wenn wir diese Dichtung jen-
seits alles Gekonnten, Gemachten und Ge-
wollten der Gedichtliteratur der letzten
Jahre stellen und sie zu den seltenen
Glücksfällen zählen, wo das Lyrische iu
einer völlig neuen, eigenen und reinen
Form gelingt.
 
Annotationen