Die Komposition zeigt den Spätstil des
Nkadrigals in seiner ganzen Freiheit und
Kühnheit. Die Worte des Gedichts ge-
hen als lebendige Gestalten in die Töne
ein. Sie sormen das einzelne Motiv, sie
gebieten dem bewegten oder einheitlich
ruhigen Rhythmus, sie beherrschen den
Wechsel von polyphonem und homopho-
nem Satz, und bis in die zarteste Fle-
xion der Harmonik und Stimmführung
hinein spüren wir das Librieren ihres
Willenö. Eine Fülle von Gegensätzlich-
keiten drängt sich zusammen: leuchtend
— schön — fröhlich— sehnsuchtsvoll —
stolz — demütig — Furcht — Hoffnung
— süß —- herb — schrecklich — Leben
— Tod, und wie ist das alles gemalt! Die
Musik saugt sich mit einer fast schmerz-
lichen Jmügkeit an jedem Wort sest.
Doch über allem Wechsel zarter und leidew
schastlicher Bewegtheit schwebt die gehalte-
ne Nuhe der Oberstimme wie der stille, be-
glückende Glanz des geliebten Auges.
Die ganze Dollkommenheit dieser seelen-
haften Kunst osfenbart sich einem, wenn
man versucht, daö Madrigal nach aller
Bewunderung des Auödruckömäßigen nur
als absolute Musik aus sich wirken zu
lassen. Da zeigt sich, daß auch die kühnste
Malerei, der schrossste Stimmungs-
wechsel niemals mit einer Preisgabe oder
Derkümmerung des rein Musikalische»
erkauft wird. Die Diktion Marenzios
geht ihren festen, sicheren Schritt, sie ist
auch ohne die Worte ein musikalisch logi-
sches und sinnvolles Gebilde. Was gro-
ßen Meistern, ganzen Zeitaltern versagt
blieb, den Widerstreit von transzendenter
Bedeutung und ünmanenter Eigengesetz-
lichkeit in der Musik zu versöhnen, das hat
er für sich und auf seine Weise vollendet,
mit gelassener Hand, schier unbewußt.
Leider sinö von Marenzio nur einige weni-
ge Kompositionen der Allgemeinheit zu-
gänglich. Das Meiste ist seit dem 16. und
17. Jahrhundert nicht mehr gedruckt
worden, so auch das Madrigal unserer
Beilage. Jch verdanke es der LiebenSwür-
digkeit Alsred E i n st e i n s, des For-
schers und Künstlers, der im Begriffe
steht, das gesamte Werk Marenzios her-
auözugeben. Er hat mir diese kleine Kost-
barkeit aus seiner Schatzkammer über-
lassen und mich bei der endgültigen Firie-
rung desNotentextes — insbesondere in der
heiklen Frage der Bersetzungszeichen —
durch wertvolle Ratschläge unterstützt.
Zur Erleichterung für den Leser habe ich
die surchteinflößenden alten Schlüsjel
durch die beiden allbekannten ersetzt.
Alexander Berrsche
Aus A. von Menzel, Der kleine Gesellschafter Ganö und Kinder
lÜerlag von Georg D. W. Callwey,.. Druck von Kastner L Callwey in München. — Berantwortlich:
Dr. Herniann Rinn, München. Jn Österreich verantwortlich: Paul Sonnenfeld, Wien Fleischmarkt l6. —
^Geschäftsstelle für Berlin: Georg Siemens, XV 57, Kurfürstenstraße 6; Geschäftsstelle für Wien:
Paul Sonnenfeld, 1, Fleischmarkt iv.
Sendungen für den Tert nur nach vorberiger Dereinbarung, da sonst keine Derantwortung übernommen werden
kann, an den Kunstwart-Derlag Georg D. W. Callwey in München r2, Finkenstraße 2.
Nkadrigals in seiner ganzen Freiheit und
Kühnheit. Die Worte des Gedichts ge-
hen als lebendige Gestalten in die Töne
ein. Sie sormen das einzelne Motiv, sie
gebieten dem bewegten oder einheitlich
ruhigen Rhythmus, sie beherrschen den
Wechsel von polyphonem und homopho-
nem Satz, und bis in die zarteste Fle-
xion der Harmonik und Stimmführung
hinein spüren wir das Librieren ihres
Willenö. Eine Fülle von Gegensätzlich-
keiten drängt sich zusammen: leuchtend
— schön — fröhlich— sehnsuchtsvoll —
stolz — demütig — Furcht — Hoffnung
— süß —- herb — schrecklich — Leben
— Tod, und wie ist das alles gemalt! Die
Musik saugt sich mit einer fast schmerz-
lichen Jmügkeit an jedem Wort sest.
Doch über allem Wechsel zarter und leidew
schastlicher Bewegtheit schwebt die gehalte-
ne Nuhe der Oberstimme wie der stille, be-
glückende Glanz des geliebten Auges.
Die ganze Dollkommenheit dieser seelen-
haften Kunst osfenbart sich einem, wenn
man versucht, daö Madrigal nach aller
Bewunderung des Auödruckömäßigen nur
als absolute Musik aus sich wirken zu
lassen. Da zeigt sich, daß auch die kühnste
Malerei, der schrossste Stimmungs-
wechsel niemals mit einer Preisgabe oder
Derkümmerung des rein Musikalische»
erkauft wird. Die Diktion Marenzios
geht ihren festen, sicheren Schritt, sie ist
auch ohne die Worte ein musikalisch logi-
sches und sinnvolles Gebilde. Was gro-
ßen Meistern, ganzen Zeitaltern versagt
blieb, den Widerstreit von transzendenter
Bedeutung und ünmanenter Eigengesetz-
lichkeit in der Musik zu versöhnen, das hat
er für sich und auf seine Weise vollendet,
mit gelassener Hand, schier unbewußt.
Leider sinö von Marenzio nur einige weni-
ge Kompositionen der Allgemeinheit zu-
gänglich. Das Meiste ist seit dem 16. und
17. Jahrhundert nicht mehr gedruckt
worden, so auch das Madrigal unserer
Beilage. Jch verdanke es der LiebenSwür-
digkeit Alsred E i n st e i n s, des For-
schers und Künstlers, der im Begriffe
steht, das gesamte Werk Marenzios her-
auözugeben. Er hat mir diese kleine Kost-
barkeit aus seiner Schatzkammer über-
lassen und mich bei der endgültigen Firie-
rung desNotentextes — insbesondere in der
heiklen Frage der Bersetzungszeichen —
durch wertvolle Ratschläge unterstützt.
Zur Erleichterung für den Leser habe ich
die surchteinflößenden alten Schlüsjel
durch die beiden allbekannten ersetzt.
Alexander Berrsche
Aus A. von Menzel, Der kleine Gesellschafter Ganö und Kinder
lÜerlag von Georg D. W. Callwey,.. Druck von Kastner L Callwey in München. — Berantwortlich:
Dr. Herniann Rinn, München. Jn Österreich verantwortlich: Paul Sonnenfeld, Wien Fleischmarkt l6. —
^Geschäftsstelle für Berlin: Georg Siemens, XV 57, Kurfürstenstraße 6; Geschäftsstelle für Wien:
Paul Sonnenfeld, 1, Fleischmarkt iv.
Sendungen für den Tert nur nach vorberiger Dereinbarung, da sonst keine Derantwortung übernommen werden
kann, an den Kunstwart-Derlag Georg D. W. Callwey in München r2, Finkenstraße 2.