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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

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Heft 2 (Novemberheft 1927)
DOI Artikel:
Herrigel, Hermann: Das neue Denken
DOI Artikel:
Pfleiderer, Wolfgang: Verzierung und technische Form: (ein Dialog)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0107

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also absoluke, sich idenlisch bleibende GelLung besihen, sondern daß sie nur
Hindeukungen auf die WirklichkeiL sind. Die Wirklichkeik bleibk WirklichkeiL^
anch im Denken; sie ist nichL i m Denken, sondern sie stehL ihm, miL Grise-
bach zu sprechen, als sein dauernder mahnender „Widerspruch" gegenüber, der
es vor der Gesahr der DerabsoluLierung und Hypostasierung zu bewahren
haL. Jn diesem Sinne ist das neue Denken „dialektisch", wenn man darunLer
nicht verstehk, daß es sich dauernd selber aufhebt, sondern daß es sich immer
wieder dem Widerspruch und der KorrekLur durch die WirklichkeiL ausseHL.

Die Begrisse zeichnen in die WirklichkeiL, die eine EinheiL ist, bestimmte Grenz-
linien ein; doch isi der Blick des neuen Denkens nichk aus die durch die
Grenzlinien desinierke Begrissssubßanz gerichket; die Grenzlinien haben im
neuen Denken nichk die Funktion, die Snbslanzen voneinander zu scheiden,
sondern sie zu verbinden. Das neue Denken ist nichk isolierend, sondern Brücken
schlagend. Daher kann es auch nichk mehr mik den mosaikhasLen, alten, LradiLio-
nellen Begrissen arbeiken, sondern es stehL vor der Aufgabe, neue Begrisse zu
bilden, die WirklichkeiL neu aufzuLeilen. Dafür genügL es nichL, die Linien
nur zu korrigieren, denn es suchL ja die WirklichkeiL als erne ganz andere, staLL
der Gegenstandsschollen die Bezrchungen zwischen ihnen, stakL des SkaLischen
das Dynamische begrifflich zu erfassen. Diese völlige llmbildung des Welk-
bildes, die überall im Gange ist, berechkigt, von einem neuen Denken zu
sprechen. Überall sind die Hände am Werk, mehr freilich als in den philo-
sophischen Zeitschriften in den Erörkerungen der poli'Lischen, sozialcn, wirLschafL-
lichen Gegenwartsfragen. Überall gehen diese ErörLerungen, ohne daß sich
das hier im einzelnen nachweisen ließe, in der RichLung, den Einzelgebieten
ihrc absoluke AuLonomie, ihr Eigenrechk, ihre isolierke Existenz zu nehmen und
sie mik einer nur relaLiven SelbständigkeiL als arbeitskeilige Glieder einem
größeren Zusammenhang dienend einzuordnen.

Die alke Philosophie enLsprichk dem substankiellen Fndividualismus, denn sie
ist selber ein ZerfallsprodukL der mikkelalkerlichen Theologie. Ie mehr sich
dieser Individualismus auslöst, überwunden nichk dnrch die GemeinschafLs-
bestrebungen, sondern durch die Erfahrung, um so mehr wird die Philosophie
wieder einmünden in die Theologie. Freilich in eine andere Thcologie, als wir
sie heute noch haben: in eine wahrhafL dialekkische Theologie des neuen Denkens.
Hier liegk die lehke Aufgabe des neuen Denkens, auf die sich alle konkreLen-
Einzelfragen nokwendig und ohne unser Zukun beziehen und der sie schließlich
dienen müssen.

Verzierung und kechuische Form

(Ein Dialog)

Von Wolfgang Pfleiderer

^VtsTie? soll inm alles Ornamenk, alle Berzierung abgeschaffk werden?
^--^Soll überall die reine strenge Form herrschen? Soll mein Skudier-
zimmer so nüchtern und kalL aussehen wie mein Büro? Sollen die GeräLe
in mcincm Wohnzimmer nnch an ein chemisches LaboraLorium erinnern oder
an das Atelier eines Zahnarzkes? Soll mein Haus schließlich zur Haus-
maschine werden?

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