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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

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Heft 3 (Dezemberheft 1927)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0229

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aterspi'el" sprechen. Für ihn ist viel-
mehr die Schnlbühne eine Pflegestätte,
die zu ihrem Teil dazu beiträgt, ein
neues Geschlecht zu einem Kulturwillen
zu erziehen, öas im reiferen Alter innerlich
teilnimmt an der dramatischen Kunst deS
Volkes, daS fühlend und verstehend mit-
erlebt, was deutsche Dichter von der
Kanzel des deutschen Theaters ihrer Na-
tion zu verkünden haben.

Albert Trapp

Tagung für Deutsche Orgelkunst

O^n der sächsischen Bergstadt Freiberg,
Ddie auf eine reiche Musikkultur zu-
rückblicken kann, fand im Oktober die
Z. Tagung für Deutsche Orgelkunst statt.
Jm Mittelpunkt der Derhandlungen,
Referate und Diskussionen stand wie
bei den früheren Tagungen das Problem
der neuen Orgel und der Erneuerung
deS Orgelspiels.

Es ist Tatsache, daß die Orgel in der
Musikkultur unserer Tage eine sehr be-
scheidene Rolle spielt. Während sie etwa
im 17. und iö. Jahrhundert eine führende
Stellung einnahm als das „fürnembste
Jnstrument", für das die Meister des
Barock ihre höchsten Offenbarungen
dachten und schrieben, ist sie seit dem ig.
Jahrhundert immer mehr in den Hinter-
grund gedrängt worden. Die Komponi-
sten der neuen Zeit verwenden, mit Aus-
nahme des KreiseS um Max Reger und
weniger anderer, die Orgel kaum oder
nur gelegentlich. Und es läßt sich in
keiner Weise verkennen, daß weitere
Kreise des Publikums unserer Tage mit
Orgelspiel, Orgelklang und Orgelmusik
recht wenig anzufangen wissen, daß fie
ihr verständnislos gegenüberstehen oder
ihr im besten Falle eine kühle Bewun-
derung entgegenbringen. Es licgt nahe,
den Grund für diese Tatsache nicht nur
in der Verständnislosigkeit des Publi-
kums zu suchen, sondern auch in der Ent-
wicklung, die Orgelbau und Orgelspiel
seit dem 19. Jahrhundert genommen
haben. Die Orgeltagungen in Hamburg-
Lübeck, Freiburg und Freiberg zeigten an
den Orgelbauten Schnitkers, Silbermanns
und an der Praetoriusorgel, die das
musikwissenschaftliche Seminar der Uni-
verfität Freiburg nach Angaben des
Theoretikers Praetorius neu konsttuiert
hat, die Verwirklichung des Orgelideals
aus den Zeiten der Hochblüte des Orgel-

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baus und -spiels. Der Klang dieser Or-
geln ist Lurchsichtig und „silbern"; jedes
Register hat seinen klanglichen Eigen-
wert und ist individuell als Solostimme
zu benutzen; alle verdickenden, nur fül-
lenden Stimmen fehlen; insbesondere ist
das Pedal zur Themenführung mit ho-
hen und hellen Stimmen ausgestattet.
Diese älteren Orgeln (wobei die Unter-
scheidungen zwischen den verschiedenen
älteren Orgeltypen hier unerwähnt blei-
ben müssen) sind ideale Jnstrumente zur
Wiedergabe von polyphoner Musik; jede
Stimme kann in Stärke und Klangfarbe
deutlich von der anderen abgehoben wer-
den, ohne sich mit ihr klanglich zu ver-
schmelzen oöer sie zuzudecken. Demgegen-
über steht der Orgeltyp, der sich seit
der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts,
nach dem Tode SilbermannS, heraus-
gebildet hat und als der zurzeit noch
herrschende angesehen werden muß. Statt
der hellen, „penetranten" Register der
Barockorgel finden sich hier viele dumpfe
und dunkle Register von enger Mensur,
die den Gesamtklang zwar fehr verstär-
ken, aber zugleich verdicken. Diese neuerc
Orgel hat vielleicht eine größere Klang-
masse, aber nicht Klangfülle. Wenn die
alte Orgel vom durchsichtigen Bläser-
klange des Barockorchesters auögeht, so
ist die Orgel des neunzehnten und bis-
herigen zwanzigsten Jahrhunderts das Ab-
bild des romantischen und neudeutschen
Orchesters mit allen seinen Effekten.
Man sucht in Liese Orgel zahlreiche
Jmitationen von Orchesterinstrumenten
einzubauen, Register von empfindsamem
Charakter als (obwohl nie geglückte)
Nachahmung des Strei'chi'nstrumenten-
klanges; man erfinöet technische Einrich-
tungen, die den plötzlichen Wechsel von
pianissimo und fortissimo und sukzes-
fives An- und Abschwellen gestatten,
aber gleichzeitig zu Spielereien mit sol-
chen Effckten verleiten. Die drei bisher
abgehaltenen Orgeltagungen forderten
wohl einmütig gegenüber dieser Entwick-
lung, die im Lichte der Geschichte betrach-
tet nur als Verirrung vom wahren Or-
gelideal ab bezeichnet werden, die Rück-
kehr zu den Prinzipien der Barockorgel.
Damit ist nicht gesagt, daß wir jetzt die
Dispositionen der Barockorgel kopieren
müßten und daß alle nach Bach geschrie-
bene Orgelmusik ignoriert oder oernichtct
werden sollte. Es würde nicht mehr als
ein Formenexpcriment sein, wollte man
 
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