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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

DOI Heft:
Heft 4 (Januarheft 1928)
DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Autorität
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0255

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XXXXI.

Autoritär

Von Wilhelm Michel

ciniger Zeit sagLe ein Mann zu mir: „Der Hauptzng meines Wesens ist,
daß ich keine Spur von AuLoritätsglauben habe." Das floß in die Ilnter-
haltung ein, ging darin unter und ward, was man so nennt, vergesscn. 2lber
einige Stunden darnach ward dieses Wort wieder aus dem Vergesscn herauf-
gespült, dann wieder und wieder; kurz, ich ward gezwungen, daruber nach-
zudenken.

Was hcißt dieses Wort? Was jagt ein Menfch, wenn er von sich behauptet,
er habe keine Spur von Autoritätsgefühl?

Autorikät heißt im gemeincn Sprachgebrauch Ansehcn, Geltung, Glaubwür-
digkeit, Gewichk, Einfluß. Warum soll man sich gegen diese Dinge nicht
crheben können, als selbstdenkender, selbstrichtender Rebell? Der Selbstdenker
stcht doch bci uns in Ehren; cigenes Urteil, eigenes „Erleben", persönliche
Beziehung und Einsicht — das sind doch Grundpfeiler unferer Bildung,
Grundwerte unsrer MenfchenfchäHung. Woher dcnn mein SkuHcn vor einem
Wort, das diese Dinge klar, wenn auch fcharf, bekennk?

Aber da kommt noch etwas zum Begriff der Autorikät hinzu. Autorität ist
Geltung, begründet a u f L e i st u n g*. Hat ein Arzt eine bestimmte Dpera-
tion mchrmals glänzend ausgeführt, so besteht bei seinen Mitmeufchen der
Glaube, daß cr sie noch öfters mit Erfolg vornehmen könne. Er hat jetzt
„Autorität". Ist dcr Glaube an diese Aukoritäk ein blinder Glaube? NAn;
sonderu er ist dic einzig mögliche, die naturnotwcndige Folge der Leistung. Ia,
der Zusammenhang zwifchen Leistung und diesem Glauben ist gcradezn ein
Urfall alles Zusammenhängens überhaupt. Er ist eine Grunderfcheinung des
Gesetzes von llrsache und Wirkung. Es gibt keinen einfacheren Schluß als
den von der Leistung auf die W iederholbarkcit der Leistung. llnd sieht
man genauer zu, so ist auf diesen Schluß das gesamte Leben dcr Menfchen-
gefellfchaft gegründek. Auf ihn stützen sich alle Begriffe von Bewährung,
Befähigung, Tüchtigkeit, Zuverlässigkeik, Glaubwürdigkeit und Bertrauen.
Auf ihn gcht alle Möglichkeit einer Auslese, alle Persönlichkeitswirkung, alle
Führerfchaft zurück. Ia, die Wirksamkeit dieses Schlusses gehk noch viel
wciker. Nur weil aus Leistung nakurnokwendig Glaube an Leistung
cntstehk, ist Berufsarbeit überhaupk möglich. Nicht nur der Arzt, auch der
Gelehrte und Forfchcr hat Autorilät; selbst der einfache Schlosser, den ich

' stkur VVII dcr auf Leistung oder Macht begründcren Aulorikäl lst hier die Rede. Es blciben
also die zahlreiihen Fälle, in denen Autoritäk stch auf ein menschliches llrverhältnis <Dakec)
odec auf Mächte unirdischer Art sSittengesetz, religiöse Jnstanzen) gründet, außer Dekracht.

Januarheft iga8 (XXXXI, 4)

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