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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

DOI Heft:
Heft 4 (Januarheft 1928)
DOI Artikel:
Eberlein, Kurt Karl: Die Krisis der Kunst
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0259

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Friedrich: Du criiinerst Dich jener Galeriegespräche, jener deukschen Ge-
sprächsart, die im 18. Iahrhunderk zuerst Literakur wurde und, von der
Geniejugend belebt, in der Romantik ihre Vollendung seierke. In Düssel-
dorf, Dresden, Paris wurden jene Gemäldegespräche Ankriebe zu neuer
Kunstgeschichke. Nvch wissen wir, wie die Schlegels in Dresden mik den
Ienenser Genossen vor diesen Gemälden sprachen, wie die Boi'sserees nnk
Goekhe und anderen in ihrem Bildersaal in Heidelberg im Gespräch neue
Erkennknisse sanden.

Walker: Und vergiß nichk die bedeuksamen Gespräche vor Runges Blätkern
in Ziebingcn und Weimar, in Heidelberg und Berlin, und dann jenes Bren-
kanogespräch vor Friedrichs großer Meerlandschask, das Kleisk in seinen Ber-
liner Abendbläkkern brachke. Wieviel Geist und Freundschaft, wieviel Idee
nnd Liebe ist in diescn Dialogen bewahrk! Wie neidisch ahnk man den Dufk
dieser Blüke: Anschammg nnd Erlebnis im Freundcsbund. Welch reiche Zeik
bei aller Armuk!

Friedrich: Napoleon hak damals durch sein Pariser Raubmnseum — cs
war das erske europäische Museum, das sein kluger Denon geschassen hakkc —
viel dazu geholsen. Man ging damals nach Paris, um zu lernen und zu
arbeiken. Wenn nran die Bildbeschreibungen in der „Errropa" liesk, hörk
man jene Gespräche wieder, die Friedrich Schlegel mik Dorokhca, Sulpiz
und Melchior Boisserec und dcr Frau von Hastser im Musce Nüpoleon hielt.
Hier wurdc die Kunstkheorie der Neudeukschen Gespräch, jene seltsame Idee
der Nazarcner, die zur likurgischen Kunst zurücksührke. Es war dcr rekkcnde
salto morkale in die mikkclalkerliche Tradikion. Es blieb nnr die Kirche. Und
was sollke auch bleiben, nachdem alle Kulkuren durchlausen und durchhöhlt
warcn! Der Klassizismus sührte zu Mykhologie und Geschichke, dic Romantik
zu Philosophie und Dichkung. Da blicb sür das Leben nur die Religion des
Kakholizismus, in der dies alles verwandelk lebenswerk und lebensnah erschien.
Walker: Ilnd doch hak Schlegel in seiner „Europa" damals, i8oz, das Zu-
künfkigste geschrieben, was aus europäischem Abendgesühl zu sagen war. Er
spcnglerke, aber wie geistreich: das zerstörte Europa lebe in deni wahren
Mikkelalker, an dcr Grenze zweier verschiedener Zeikalker, und habe deshalb
den Charakker der Nullikäk. Wie fein hat er die Sehnsüchke der Zeik und
die Gesahren der Romankik gedeukek! Aus Asicn erwarteke cr die große Rc-
volukion und die Verbindung des Nordens mit dem Orient sür die Zukunst.
Er, der für die Malerei, sür Poesie und Religion einkrak und doch das Lo-
kale, Nakionale, Deuksche sorderke, wollkc die Kunst nur als Mikkel und In-
strumenk, als Glied und Buchstabe für die alken Sinnbilder des Glaubens
gepflegk wissen.

Friedrich: Ia! Es ist allzu vergessen, was der geniale Schlegel vorweg-
nahm. Und viellcichk hat er in einem neuen Sinne rechk. Wir stehen am Ende
des Mikkelalters, am Abend der Renaissance, vor einer neuen Epoche, die
der Maschinenmensch beherrschen will. Die größte Gegenbewegung nnd damit
der größke Antrieb sür die Kunst kam vom Norden, vom asiatischen Ruß-
land, und wir wissen noch nichk, wie das endek.

Walter: Du meinst doch nicht jcne subjektive Bewegnng des Expressionis-
mus, die sür Kinder-, Bauern- und Barbarenkunst einkrat und somit aller-
 
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