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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

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Heft 4 (Januarheft 1928)
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Tribüne
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0312

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schöpferischcm Wilien unö öer Mögli'chkeit des Objekts anch ln anderem als öem
beabsi'chtl'gten Sinn zu wlrken mehr gibt. Weil wir darin kelne menschlichen Ab-
straktionen zu erkennen gezwungen werden, sondern spontan übermenschliche, weil
kosmische, Wirklichkeiten in ihren Geschehnissen ahncn. Blunck ist mit allem Elemen-
taren seines eigenwilligen Volkstums so unzertrennlich verbunden, daß die „Märchen
von der Niederelbe" nicht als künstlerisches Erzeugnis eines einmaligen Dichters
anmuten, sondern als Zeugnis immerwährenö quellender Volksphantasie, die auö
dem uralten Boden dieses Niedersachsen wie die Steineichen und Buchen seiner
sagenhasten Wälder erwuchs.

Umschau

Ein Pionier der neucn Gebrauchs-
und Baukuns!

hrer Entwicklung unö Förderung galt
ein gut Teil der Lebensarbeit von
Hermann Muthesius, gestorben am
26. Okkober. Fast dreißig Jahre stand
er in der vordersten Reihe jener, die sich
gegen die historische Form zugunsten einer
neuen aussprachen, die mit echten Stof-
fen und bester Bearbeitung dem jeweili-
gen Zweck und seiner Funktion möglichst
vollkommen dient und zugleich unser
ästhetisches Bedürfnis in einfach edler
Art befriedigt. Nach langer Zeit wieder-
um ein Bekenntnis zum Wirklichkeits-
charakter gerade jener Künste und der
entschiedene Wille, den heutigen Lebens-
ansprüchen wie der gewandelten Auffas-
sung die künstlerifche Gestaltung anzu-
passen. Kaum einer von all diesen Vor-
kämpfern sah derart klar und folgerich-
tig, kaum ein Zweiter hat die jeweils
brennenden Probleme so bestimmt for-
muliert wie Muthesius. Es befähigte ihn
dazu seine Geistigkeit und Bildung, wie
ein früh wacher Sinn für alles Hand-
werkliche; beides gefördert durch große
Reisen und längeren Aufenthalt im Aus-
land. Eine vornehme, gezügelte Natur,
der alles Hervorkehren des Jndividuellen
peinlich war, galt ihm vor allem die
Sache, das Typische. Wesentlich ein
Freund positiver Arbeit, scheute er nicht
den Kampf für eine gute Sache — doch
ebenso bereit, ihr zuliebe die eigene Per--
son zurückzustellen. Eine seltene Erschei-
nung unter Führern! Es ist tragisch, daß
gerade der Mann, der immer für zweck-
mäßige Lösungen eingetretcn, das Opfer
eines tödlichen VerkehrSunfalles gewor-
den, in einer Berliner Straße, die durch
ihre allen bekannten Straßenbauregeln
widersprechende Anlage berühmt ist —

an dem Tag, da cr ein Manuskript über
die neue Bauweise in Druck gab.
Hermann Muthesius (geb. 1861 in Thü-
ringen) erlernte im Haus seines bau-
meisterlichen Baters schon als Knabe
dessen Handwerk spielend und interessierte
sich zugleich für andere Gewerbe-Arten.
Nach Erledigung der Mittelschule stu-
dierte er auf der Berliner Universität
Philosophie und Kunstgeschichte. Beides
hat man seinen schriftsiellerischen Ar-
beiten i'mmer vorteilhaft angemerkt: er
war ein sauberer und auf daö Wesentliche
bedachter Denker, ein Mann, der durch
die Geschichte über der Geschichte stand.
Obwohl ein gesuchter Baumeister für vor-
nehme Familienhäuser, auch tätig im
Gefchäfts- und Jndustricbau, liegt doch
sein Hauptverdienst in seiner ungemein
vielseitigen und aufklärenden Schriftstel-
lerei; in ungezählten Reden und Artikeln,
in umfangreichen Büchern und Anschau-
ungSwerken hat er seine Gedanken zu dcn
neuen Bestrebungen niedergelegt — heutc
noch vielfach lesenS- und beherzigenSwert.
Unmittelbar nach dem Architekturstudium
beschäftigte ihn sein Lehrer und Meister
Ende am Bau deö Justizpalastes in To-
kio, was zu einem vierjährigen Aufent-
halt in Japan führte. Hier vertiefte
Muthesius seine handwerklichen Kennt-
nisse, den allgemeinen Blick erweiterten
Reisen in Jndien und Oberägypten. Nach
seiner Rückkehr in die Heimat bald in
daü Ministerium der öffentlichen Arbci-
ten berufen, wurde er nach einigen Jah-
ren der deutschen Botschaft in London
als Kunstattachä zugeteilt. Damit be-
gann eine siebenjährige, außerordentlich
fruchtbare literarische Tätigkeit (1696 biü
igoz), die England und dem Kontinent
ungemeine Anregungen gab; es war ein
Werben für die Sachlichkeit im Wohn-
bau, für eine neue, klare, einfache imd

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