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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

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Heft 6 (Märzheft 1928)
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Tribüne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0458

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dem leichte und anmutige Federführung durchaus zu Gebote stand, er habe sein
Werk ^6 Derlegern angeboten. Und erst der L/. hatte es angenommen.

Dies ist ein Notstand, dem abgeholfen werden muß, weil unser Dolk sonst Schadcn
leidet an einem seiner wesentlichsten und kostbarsten Güter.

Und den vorsichtigen Praktikern, die nur auf wlrtschaftliche oder politische Nutz-
barkeiten bedacht sind, sei doch elnmal ganz unumwunden gesagt, daß die deutsche
Wissenschaft auch in ihren Berechnungen einen sehr hohen Aktivposten darstellt.
Wenn die Feindseligkeit der Welt gegen unser Dolk sich so schnell geschwichtigt hat,
so ist dies nicht zuletzt der Achtung, ja der Ehrfurcht zu danken, die die deutsche For-
schung heute über die Erde hin genießt. Es gibt gar keine Tätigkelt oder Fähigkeit
der Deutschen, die eine unumstri'ttenere Geltung bei allen Völkern der gesitteten
Welt besitzt, als die unserer wissenschaftllchen Arbeit. Als die Universität Berlin ihr
Hundertjahrfest beging, zogen die Delegierten der ausländischen Universitäten in
immer neuen Reihen auf; alle fünf Erdteile waren vertreten, die nord-, dle süd-
amerikanischen Hochschulen und die der britischen Kolonien waren in ganzen Ko--
lonnen formiert. Es war cine Feier ohne Dorgang und ohneglei'chen. Hier war
einmal eine ^cremome Bild und Zeichen einer Wlrklichkeit: die gelehrten Körper-
schaften der Welt huldigten der deutschen Wissenschaft.

Wer da weiß, daß auch Prestige Macht bedeutet, der mag doch auch als sehr poli-
tischer Politiker den wahrlich ehrli'ch erworbenen Ruhm deS GeisteS als eines der
Fundamente für die Geltung unsereü Dolkes in der für sein Rechnen allein in Be-
tracht kommenden Welt der grelfbaren Wirklichkeiten anerkennen. Jst er aber er-
füllt von der Einwirkung gei'stiger Gewalten auf die Festigkei't und den Wuchs eines
Dolkscharakters, dann wi'rd er vollends solche Berechnungen nicht nötig haben.

Don einer freundwilligen Hilfe unserer Dolkswirtschaft ist in derlei Dingen kaum ge-
ordnete und dauernde Besserung zu erwarten. Der Staat aber ist der berufene Pfleger
auch unserer geistigen Güter und er kann helfen. An ihn müssen wir uns wenden.
Und wir dürfen eS um so eher, als wir von ihm Maßnahmen wünschen, mit denen
er nicht nur dem Notstand der Werte Schaffenden im Reiche des Geistes, sondern
ebensosehr auch dem Bedürfnis der Empfangenden abhilft.

Es ist notwendig, daß Deutschland, oder, was uns zunächst angeht, Preußen mit
einem Netz von öffentlichen, vom Staat oder von der Selbstverwaltung der Städte
oder Kreise zu unterhaltenden Büchereien überzogen werden, Büchereien nicht für die
Gelehrten und nicht sür das Volk, für die heut auf mancherlei Weise gesorgt ist,
sondern für di'e Gebildeten, für diejenigen, die der Arbeit der Wissenschaft mit Liebe
und Teilnahme folgen wollen, aber dazu durch ihr Einkommen nicht in Stand ge-
setzt sind.

Jeder Kreis muß in seiner Hauptstadt eine solche Büchersannnlung besitzen; jede
selbständige Stadt auch; jede Großstadt aber für je ein- bis zweihunderttausend Ein-
wohner eine, also Großberlin nicht eine Stadtbibliothek, sondern zwanzig. Unser i'n
beständigem Aufstreben begriffener Bibliothekarstand würde hier die hosfnungs-
reichste und wünschenswerteste Ausdehnung seines Tätigkeitsbereiches finden; seine
Angehörigen würden die bernfenen Berater und geistigen Lenker der Benutzer ihrer
Anstalten werden, Pfleger nlcht von toten Rüstkammern, sondern von Leben aus-
strahlenden Brennpunkten des Geistes.

Zu einem Teil nehmen heut die bestehenden und glücklicherweise in beständigem
Wachstum begriffenen Dolksblbliotheken diese Zwecke wahr: aber zum allergrößten Teil
dienen sie anderen Aufgaben, vor allem der, den Arbeiter und den unteren Mittelstand
mit den nötigen Büchern für Unterhaltung und Heranbildung zu versehen. Und wo
ihr Bücherbestand in den hler abgegrenzten Bereich eigentlicher Wissenschaft ein-
dringt, da umfaßt er zumeist wohl nur einzelne schmale, durch Beliebtheit und um

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