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Kunstwart und Kulturwart — 38,1.1924-1925

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Heft 3 (Dezemberheft 1924)
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Isländergeschichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14441#0145

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wir es recht verstehen wollen, ist die Moral unsrer kleinen Geschichte noch
heute die Moral aller großen Diplomatie. Zdealismus und Rechtlichkeit
der Diplomatie liegen noch heute nicht in den MitLeln, die sie anwenden
muß, sondern in den Zielen, für welche die Mittel eingesetzt werden. Völlig
natürlich; denn es handelt sich um dieselben Verhältnisse, nur in andern
Ausmessungen. Doch liegt in diesen Größenunterschieden eine Gntwicklung
und eine Hoffnung: Der Krieg ist aus den Beziehungen der einzelnen ge»
schwunden seit jenen Fehden der tzäuptlinge oder etwa der deutschen Ritter
und Städte. Sollte er nicht auch aus den Beziehungen der Kulturvölker
schwinden können?

Kehren wir indes zur ästhetischen Seite der Sache zurück!

Die ruhige und langsame Vorgeschichte — ich habe sie etwas gekürzt —
gehört mit zum Charakter der Isländersaga und ist rein künstlerisch betrachtet
meines Crmessens kein Fehler. Ich habe im 3. Band meiner Isländerbücher,
dem Einführungsband zur Sammlung, nachzuweisen versucht, wie aus
Lebensnotwendigkeiten Stilprinzipien werden. Dle ursprünglichen Leser
dieser Geschichten stehen noch dem natürlichen SLandpunkt eines Menschen
nahe, der eine Geschichte hören will. Er will langsam eingeführt werden.
Alle diese Geschichten sind durch Iahrhunderte — von bald nach tOOO bis
ins ^3. Iahrhundert hinein — mündlich vorgetragen worden. Der Saga»
mann blieb, wie es scheint, meist lange auf dem tzof, auf den er geladen war,
und man hörte die Geschichten allmählich eine nach der andern. Auch als
sie aufgezeichnet wurden, war noch kaum irgendwo das Gefühl da, blendend
oder lebhaft beginnen zu müssen, um Leser anzulocken. Die Geschichten
waren ihrem Stoffe nach seit langem bekannt; schrieb man sie auf, mochte
man in Nuhe daran d enken, seine Sache gut zu machen, aber irgendwelche
tzast war nicht vonnöten.

Der Moderne ist gezwungen, schnell fesseln zu müssen. Gr fängt am
Liebsten mit etwas Auffallendem, Schlagkräftigem an. jIch, bin nicht der
Meinung, daß das ungesund ist. Ls kann unter Rmständen dazu führen,
die tzandlung straffer zusammenzunehmen, von vornherein bewußter zu kom-
ponieren, das Ganze kräftiger zu rahmen. Aber es ergibt ein anderes Stil-
prinzip. Die Isländergeschichte hat eine sehr langsame und allmähliche Ex-
position und ebenso schließt sie mit einem allmählichen Zurückgleiten ins
friedliche Tagesgeschehen. Mit einem Schlußapplomb abzubrechen ist für
sie undenkbar. Langsam, wie ihre tzandlung anschwoll, ebbt sie ab. Sie hat
einen breiten, schlichten Rahmen. Die moderne Erzählung ist stärker auf
engen und energisch abschneidenden Rahmen aus. A. B.

^as „Olaf-Buch" von Arthur und Beate Bonus (bei Thienemann
^in Stuttgart erschienen) ist ein Iugendbuch. Beim Lesen merkt man das
nicht. So soll es sein! Etwas Gewachsenes und Vollbürtiges soll man der
Iugend geben, nichts Zerstrichenes, tzalbverdecktes, Zurechtgestutztes. Denn
sie fühlt unbestechlicher als Erwachsene fühlen, was rein und stark und was
verbogen und nichtig ist. Nein und stark ist dieses Buch und schon deshalb
gleicherweise erfreulich für werdende und gewordene Menschen. Es ist nicht
die Rede darin von der Liebe zwischen Mann und Weib. And auch das ist
gut für beide. Wir haben seit etlichen Iahrzehnten gewagt zu bekennen, daß
Erotik der süßre Ouell ist, der reiche Früchte reift und nährt. Wir reden
davon soviel, daß es wohl tut, einmal nicht eindringlich davon zu hören.
Wenig nur ist im Olaf-Buch von Frauen die Rede. Und doch stehen sie

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