Selbander waren sie an das hochgewölbte Himmelsfenster getreten,
was eine Gchan gar lieblich auf die deutfchen Lande tun läßt, St. Peter
und der Erzengel Michael. Sie wollten einmal wieder den deutfchen
Sonntag heraufläuten hören.
Hub St. Peter zu fragen an: „Äach welch einer Ziffer zählen fie da
drunten ihren kärglichen Fortfchritt?"
Lknd der Erzengel antwortete und fpcach: „Sie schrechen 1784".
„Ist es nicht ein Anblick lustigerweis', mein Bruder," fuhr Petrus
spöttlich fort, „fo du mit blinzelndem G;ficht über dein heilig römisch
Reich hingehst, diefe Staaten und Stätchen, dünkt es dich nicht wie das
Kleid eines Schalksnarren mit aberhundert Flicken kunterbunt? Es ist
wahrlich kein Kinderfpiel im Himmel zu regieren — aber Kaifer zu fein!"
St. Michael feufzte und fchwieg.
Aber es kam ihnen ein gar wonnig iRüchlein in die Aasen, also daß fie
fich weiter hinausbückten, ihre langen Bäcte in das köstliche Gedüft zu
fpreiten. Denn unten war Herbstzeit und der Mue toste im Faß. Da
währte es nicht lange und St. Peter hatte entdeckt, von wannen der lieb-
liche Weihrauch stieg; aber er lachte fchier ungebührlich für den Brauch
des Himmels: „Schau hin, die Pfglz! Zum bunten Flickenkleid des
iReiches will fie die Narrenkappe fein. Wie das wimmelt von winzigen
Läppchen, wie fich die Potentaten mit den Ellenbogen stoßen! Hilf mir
. doch zählen Michel, aus wieviel Läppchen die Kappe geschnitten mag
fein." „Zur Stunde find es in die vierzig, mein Bruder." And wie in
gekränkter Liebe fing er zu klagen an: „Allenthalben diefe Zaunkönige,
verbringen ihre Lage in lästerlichem Tun, in Praffen und Wohlleben und
richten ihre Hofhaltung nach berühmtem Muster." Dabei zeigte fein
Daumen über die Schulter linker Hand nach dem westlichen Fenster.
„Diefes Landau mit feinen Bastionen", ein bitterer Ton kam in feine
Stimme. „ich fpüre es wie einen Dorn im Fleisch."
„Hoffärtiges Gefchmefß", fagte Peter. „Es kann nicht ungerochen
bleiben! Die Gottlofigkeit frißt um fich wie ein Grind. Sie stellen in
ihren Gärten und Hallen Marmorgöhen auf wie in heidnischen Tempeln.
Stem war Züchtigkeit den Frauen nie fo abhanden gekommen, als ob
ein neues Klima der Liebe über die deutschen Lande gekommen wär. das
den Menfchen ins Geblüt geht."
Da fing fich St.Peter eine starke Duftwolke mit dem Barte, sträubte
ihn gegen den Mund und zog tief Atem. Er fchien nun die Hauptquelle
des strömenden Wohlgeruches gefunden zu haben. denn er deutete mit
Wohlgefallen auf Dürkheim und hielt den Finger eine Weile fo. als eine
Auszeichnung für die Stadt. Doch kam er auf den Fürsten von Leiningen
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was eine Gchan gar lieblich auf die deutfchen Lande tun läßt, St. Peter
und der Erzengel Michael. Sie wollten einmal wieder den deutfchen
Sonntag heraufläuten hören.
Hub St. Peter zu fragen an: „Äach welch einer Ziffer zählen fie da
drunten ihren kärglichen Fortfchritt?"
Lknd der Erzengel antwortete und fpcach: „Sie schrechen 1784".
„Ist es nicht ein Anblick lustigerweis', mein Bruder," fuhr Petrus
spöttlich fort, „fo du mit blinzelndem G;ficht über dein heilig römisch
Reich hingehst, diefe Staaten und Stätchen, dünkt es dich nicht wie das
Kleid eines Schalksnarren mit aberhundert Flicken kunterbunt? Es ist
wahrlich kein Kinderfpiel im Himmel zu regieren — aber Kaifer zu fein!"
St. Michael feufzte und fchwieg.
Aber es kam ihnen ein gar wonnig iRüchlein in die Aasen, also daß fie
fich weiter hinausbückten, ihre langen Bäcte in das köstliche Gedüft zu
fpreiten. Denn unten war Herbstzeit und der Mue toste im Faß. Da
währte es nicht lange und St. Peter hatte entdeckt, von wannen der lieb-
liche Weihrauch stieg; aber er lachte fchier ungebührlich für den Brauch
des Himmels: „Schau hin, die Pfglz! Zum bunten Flickenkleid des
iReiches will fie die Narrenkappe fein. Wie das wimmelt von winzigen
Läppchen, wie fich die Potentaten mit den Ellenbogen stoßen! Hilf mir
. doch zählen Michel, aus wieviel Läppchen die Kappe geschnitten mag
fein." „Zur Stunde find es in die vierzig, mein Bruder." And wie in
gekränkter Liebe fing er zu klagen an: „Allenthalben diefe Zaunkönige,
verbringen ihre Lage in lästerlichem Tun, in Praffen und Wohlleben und
richten ihre Hofhaltung nach berühmtem Muster." Dabei zeigte fein
Daumen über die Schulter linker Hand nach dem westlichen Fenster.
„Diefes Landau mit feinen Bastionen", ein bitterer Ton kam in feine
Stimme. „ich fpüre es wie einen Dorn im Fleisch."
„Hoffärtiges Gefchmefß", fagte Peter. „Es kann nicht ungerochen
bleiben! Die Gottlofigkeit frißt um fich wie ein Grind. Sie stellen in
ihren Gärten und Hallen Marmorgöhen auf wie in heidnischen Tempeln.
Stem war Züchtigkeit den Frauen nie fo abhanden gekommen, als ob
ein neues Klima der Liebe über die deutschen Lande gekommen wär. das
den Menfchen ins Geblüt geht."
Da fing fich St.Peter eine starke Duftwolke mit dem Barte, sträubte
ihn gegen den Mund und zog tief Atem. Er fchien nun die Hauptquelle
des strömenden Wohlgeruches gefunden zu haben. denn er deutete mit
Wohlgefallen auf Dürkheim und hielt den Finger eine Weile fo. als eine
Auszeichnung für die Stadt. Doch kam er auf den Fürsten von Leiningen
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