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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 2.1926

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Walter, Max: Odenwälder Volkskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.30707#0153

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Alle Versuche, den Begriff „Volkskunst" endgültig festzulegen,
sind bisher nur teilweise geglücktb Das Wesen der Kunstbetätigung des
„Volkes" erkennend zu durchdringen, ist Aufgabe der Dolkskunde. Diefe
aber ist noch eine junge Wisfenfchaft, vor der ein ungeheures Arbeitsfeld
liegt. Sie hat sich die Erforschung der Volksseele zur Aufgabe gemacht
und will und muh den Weg zu dieser über ihre Aerrßerungen finden. And
zu den Aeuherungen der Volksseele gehört die Vo lkskunst.

Die heutige Auffassung von Volkskunst hat der Aeichskunstwart
Redslob mit den Worten „Muttersprache öer öeutschen Hände" zu-
sammengefaht"'. Weit gröher aber ist der Bereich öer Volkskunst. Wie die
grohe Kunst in mannigfachen Formen fich auswirkt, in Musik und Dich-
tung, in Baukunst, Bildhauerei und Malerei, so finöet auch das Kunst-
wollen des Volkes den Weg zur Schösüung in vielfältiger Weife. Das
Bauwerk und das Denkmal, das Märchen unö öie Sage, das Volkslied
und die Volksmusik und nicht zuletzt das Werkstück des Hausfleihes und
des Handwerkers, sie alle gehöcen mehr oder weniger zur Volkskunst.
Vielen Fragen noch heiht es letzte Antwort geben, bevor der Begriff
„Volkskunst" sich nur noch in einerbestimmtenVorstellung auslösenwird.

Welches sind nun die Anterschiede von groher Kunst und von Volks-
kunst? Hst erstere etwa nur Offenbarung auf einfamem Gipfel weilender
Einzelindividuen, diese aber nur Ausdruck der Gemeinschaftsseele, höchste
Leäensäuherung der primitiven Gemeinschaftskultur? Was haben beide
miteinander gemeinsam, wo scheiden sich ihre Wege? Wieweit ist die
Volkskunst gebunden an eine oder mehrere Kulturstufen? Gibt es eine
Entwicklung der Volkskunst, und wie verläuft sie? Zu sehr noch ist die
heutige Auffassung von Volkskunst beeinfluht von einer zu engen zeit-
lichen Einstellung. Auch die Schichten unseres Volkes, in öeren Kultur
noch der Gedanke der Gemeinschaft sich auswirkt, haben seit langem
enge Fühlung mit dem Kunstschaffen öer geistig führenden Oberfchich-
ten. Mit unzähligen Zufammenhängen und Beeinflussungen gilt es sich
auseinanderzusetzen.

Ist die Volkskunst Ausdruck des Kunstwollens der primitiven Ge-
meinschasO, so dürfen in erstec Linie einer Vetrachtung unterzogen wer-
den nur die der Gemeinschaftsfeele selbst entsprungenen Kunstwerke. Sie
allein spiegeln rein und unverfälscht die Seele des Volkes wieder, sie

1 Einen guten vteberblick gibt K. Reuschel in seiner „Deutschen Volkskunde",
Leipzig und Berlin 1924, II, S. 104ff.

- Einführung zu Band I, Lkiedersachsen, der Sainmlung „Deutsche Dolkskunst",
München o. I., S. 6.

^ Zu dem Begriff „primitive Gemeinschaftskultur" vgl. H. Lkaumann, Primi--
tive Gemeinschaftskultur, Jena 1921.

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