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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 2.1926

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Meisinger, Othmar: Das Volkslied in der Pfalz
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https://doi.org/10.11588/diglit.30707#0130

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Durch unsere Zeit geht oft die Klage, daß Volkslied und Volksmund-
art, überhaupt altes Volkstum ungemein bedroht seien. Wer mit offenem
Auge und Ohr unfer Volksleben beobachtet, wird diefer Meinung zu-
stimmen. ällm so mehr müffen wir uns auf das besinnen, was vorhanden
und, wenn bedroht, vielleicht doch am Leben zu erhalten ist, zumal
unser Volk feinem ererbten Liederfchatze gegenüber bis auf den heutigen
Tag eine grohe Zähigkeit zeigt.

Vor kurzem kam ich auf einer Wanderung Sonntag abends durch
ein Dorf unserec badifchen Pfalz. Da begegneten mir am Ausgang Bur-
fchen und Mädchen. Sie sangen ein mir seit den Kinderjahren altver-
trautes Lied: „Stand ich auf hohen Dergen". -In meiner Heimat
Rapvenau habe ich es in der Mitte öer 80er Oahre oft fingen hören;
dann verschwand es aus öem Dorfleben, um jetzt wieder aufzutauchen.

Was ist Eigenartiges an diefem Lied, dah es fich fo am Leben hält?

Sn einer Zusammenstellung von Volksliedanfängen aus dem fech-
zehnten Sahrhundert finden wir es bereits erwähnt. 2lls Goethe im
Elfah als junger Student für feinen Freund Herder Lieöer bei alten
Mütterchen fammelte, zeichnete er auch diesen Sang auf und trug ihn
lange an feinem Herzen. Es gibt heute kaum eine der gröheren deutfchen
Volksliedersammlungen, die das Lied nicht enthielte. Wir stehen hier
vor der hocherfreulichen Latfache, dah unfer Volk rund vierhundert
Hahre ein Lied immer wieder fingt.

Als ich einmal einen Vortrag hielt über deutfches Leben im Volks-
lied, kam in der Aussprache die Anfrage, wie fo etwas möglich sei. Der
Grund liegt für mich zunächst in dem tiefen Werte der Volksweifen, dann
in einem Snhalt, der, in schlichte, knapp fachliche Form gekleidet, von
ergreifendem Menfchenfchicksal erzählt. Sn unferm Lied bietet ein Graf
einem Mädchen einen Trunk, er fordert fie öamit leichtfertig zu flüchtiger
Liebe auf. Sie erklärt ihm daraufhin:

Ich weih von keinev Liebe,

Ich weih von keiner Treu.

In ein Kloster will ich gehen,

Will's werden eine Llonn.

Er bereut feine Tat, als er nach dreiviertel Sahren erfährt, dü.h
„feine Herzallerliebste ins Kloster gezogen wär". Wie er mit feinem
Knecht zum Kloster reitet, da ist es zu spüt:

Da kain sie hergeschritten
Mit einem schneeweihen Kleid,

Die Haare, die waren's geschnitten,

Zur Äonn war sie bereit.

Sie gibt ihm zu trinken aus einem Vecher, er stirbt an dem Lranke.

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