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Mannheimer Abendzeitung — 1846

DOI Kapitel:
No. 31 – No. 57 (1. Februar - 28. Februar)
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: 11 a nn heimer Abend j it

Sountag, deu V. Februar.





. .











1846.





R

Laudtagsverhandlungen.
. *+{%* Karlsruhe, 6. Februar. Fünfundzwanzigſte Sitzung der zweiten
Kamwer. Unter dem Vorsit des Präſidenten: Bekk. Regierungscommisſſion:
Staatsrath Jolly, Präſident des Juſtizminiſteriums, Geh. Referendär Jung-
dhanns, Miniſterialrath v. Ja gema n n; später Miniſterial-Rath v. Stengel.
. Die Tagesordnung führt auf die Diskuſſion des von dem Abg. Hecker
UE SEN V SS SES TS I S S Ss sts ss
werden anerkannt. :

. Eigentlicher Staatsaufw and. l. Miniſterium. Il. Oberho f-
ger icht. 111l. Hofgerichte. Hier wünscht der Bericht einen Normaleiat,
wodurch ein feſter Anhaltspunkt für die Bewilligungen geyeben und viele Dif-
ferenzen beseitigt würden.
U Staatsrath Jolly äußert in Beziehung auf den Wunſch wegen Vorlage
von Normaletats, daß frühere Vorlagen von der Kammer nicht berückſichtigt

worden seien. Wenn die Kammer den Wunſch zum Antrage erhebe, so dürfte

_ ihn die Regierung in neue Erwägung ziehen; sie richte sich inzwischen doch nach
! hitew Rerss h! hat ſich oft Anlaß zu Diskussionen über die Zahl der Be-

amten und Aehnliches ergeben, was durch einen Normaletat beseitigt würde.
Derselbe wird bei der neuen Organisation und der Trennung der Juſtiz von
der Verwaltung eine Lebensfrage. j :






îcHVudgets vorgelegt werden. .
HBrentano fragt, warum die Correktionsſträflinge eine ausgezeichnete Klei-
U. nr dir zue fe! die Zuchthausſträflinge vorgeschrieben iſt; er kennt kein
î DHelelet, welches dies geſtatte.
w Miniſterialrath v. Jagema n n : Die Arbeitshausgefangenen tragen eine
andere Kleidung als die Züchtlinge. Sie haben kei: e so anſtrengende Arbeit,
dürfen auch, ausnahmsweise, außer der Anſtalt arbeiten. Die Unterscheidung
beruht auf dem Strafedikt. Mit dem Vollzug des neuen Strafgesezes und Er-
öffnung der neuen Strafanſtalt wird eine vollſtändige Trennung eintreten, die
allerdings sehr zu wünſchen iſt. . . :

Brentano glaubt, daß eine besondere Kleidung eine Strafe sei, welche
Denen, die zum Arbeitshaus verurtheilt ſind, durch ein Gesetz nicht auferlegt ist.
fl Schaaf f frag; ob Jeder zur Correktionshausſtrafe Verurtheilte die Haus-
lkleidung tragen muß.

. . HVMiniſterialrath v. Jagemann: Ausnahmen müſſen aus besondern Grün-

den nachgeſucht werden, und sind selten wie Begnadigungen.

Scha aff: Es handelt sich nicht von Gnade, sondern von Recht. Ich
. glue fa fin Zwang zur Hauskleidung mit den Vorschriften ves Gesetzes nicht
. Staatsrath Jolly: Das Gesetz iſt ſeit vierzig Jahren so ausgelegt wor-
qu s !ſe p. ? Die Auszeichnung der Kleidung iſt eine qualificirte Strafe ; die
nur durch das Gesetz auferlegt werden kann, nicht durch das Juſtizminiſterium.
Wenigstens ſoll kein Zwang dafür beſtehen.
HVMirniſterialrath v. Jageman n : Das Strafedikt und die Vollzugsord-
t sst Die Ausgaben für den eigentlichen Stzalsgufwand: für ge-
ä rechtfertigt zu erklären, wird angenommen. (Schl. f.) j

_ Nächſte Sitzung : Montag, den 9. Febr. 1846, Vormittags 10 Uhr.
Tagesordnung : Begründung der Motion des Abg. Welte auf Erlaſſung ei-
pe k'tlichen Bestimmung über die Ablbſung voi Schupflehenz ~ Petitions-







Deutschland.

_ * Mannheim, 5. Februar. Die von unserm Berichterstatter in Nr. 34
bereits auszugsweise mitgetheilten, gelegentlich der beschleunigten Uebergabe der
hieſigen zehn Petitionen in der zweiten badischen Kammer gehaltenen Reden lau-
ten — ſo viel mir davon aus der Landta g szeitun g- mittheilen könn en
~ ſchließlich wie folgt: ; :
_ WMathy: Wenn der Abg. Baſſermann zum Worte gekommen wäre, so
würde er ohne Zweifel dem Abg. Weizel bemerkt haben, daß das Vertrauen zu
der Kammer dadurch im Lande nicht gefördert wird, daß einzelne Abgeordneten
nach einer vorgefaßten Meinung über die wichtige Angelegenheit absprechen, be-
vor noch eine Berathung stattgefunden hat, Das Volk darf wohl mit Necht
erwarten, daß. die Kammer den Gegenſtand gründlich berathe, und daß der Be-
c<luß das Ergebniß diejer gründlichen Prüfung und nicht eines augenblicklichen
Eindruckes sein weide. Ich hatte mir vorgenommen, über die Censur in

Mannheim einige Belege vorzutragen; da aber der Herr Regierungskommiſsär
erklärt hat, daß er seine Aufmerksamkeit auf dieſe Ceuſur richten werde, ſo will

h. meine Mittheilungen für heute zurückhalten. Laſſen Sie ſich — ich erſuche
Sie darum — die Censurſtriche in den mißhandelten Blättern nur von den
letten acht Tagen geben und vergleichen Sie damit das Morgenblatt. Dann

wird und muß ihnen das verderbliche Syſtem klar werden. - ;
. Alggemein iſt die Meinung verbreitet, daß gerade darum, weil
in der !KKammer darüber geklagt wird, alles Maß vollends überschritten

werde. Ueber die Entstehung und Fortpflanzung der Bittſchriften gegen die

Glaubensfreiheit, so wie über die damit verbundene Bewegung gegen die Ver-

faſſung und gegen die Kammer — ſind mir einige Aktenſtücke zugekommen, deren




Inhalt ich, so weit nöthig, darum mittheilen muß, weil die Cenſur in Mann-

heim, in ihrem Beſtreben, die geſchichiliche Wahrheit zu unterdrücken, ſie theils

vernichtet hat, theils vernichten würde, wenn man ihr Gelegenheit dazu gäbe.
Von den Nachrichten, die mir über das Verfahren bei einzelnen Petitionen



K2

zugekommen sind, will ich nur so viel bemerken, daß ſie im Weſsentlichen mit
denen übereinſtimmen, bie wir in den legten Sitzungen und . auch heute wieder

hrr!t"!1! ' U9;1:3 p4p394114.1. PUz!:)] ! § z3.!e: tres zie Foß target, [r guter Stoßterzogtun
Inserate die gespaltene Zeile in Petitſchrift oder deren Raum vier Kreuzer. Briefe und Gelder: fret einzusenden.











von den Abgeordneten Zittel, Welker, Richter, Straub und Andern ver-
nommen haben. Das Flugblatt: „Die Rongerei und die badischen Landſtänden.
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Zug wäre etwa der. daß in einer Stadt 3 bis 6 Kreuzer für die Unierſchrifi
bezahlt und zum Samumeln Leute verwendet worden ſein sollen, welche durch

heimliches Collektiren für das baieriſche Lotto die nöthige llebung uud Men-

ſchenkenniniß erlangt hatten. .. | s
In so fern die Unterzeichner bezeugen wollen, daß !?. k ihrem alten Glau-
ben feſthalten, iſt gegen die Petitionen nichts zu erinnern. Dann haben ſie auch

keine weitere Bedeutung. Ich würde aber, wenn mir eine ſolche zukäme, mich

vorerſt erkundigen, ob die Unterzeichner den Inhalt kennen, in so weit er gegen

den Antrag des Abg. Zittel gerichtet iſt, und db ſie diesen Antrag ſelbſt wenig-
ſtens im Allgemeinen kennen. Es zeigt ſich nämlich jeyt schon, daß Viele dieſe
Kenntniß nicht hatten, und darum ihre Unterſchriften bereuen und zurückziehen.
Ueberhaupt aber bedauere ich, daß auch von dieser Seite des Hauſes solche
Petitionen übergeben werden, und zwar aus folgenden Gründen:

î LU) Denkt man sich in der als Hebel angesetzten Flugschrift statt der Worte
„Rongerei und Rongeaner-- die Worte: „Proteſtantismus-- und „Proteſtant,-[
ſo paßt ſie gerade so gut auf diese, wie auf jene. Gelingt es, die Glaubens-
freiheit in Bezug auf jene zu unterdrücken, so wird der nächſte Zug gegen dieſe

_ Staatsrath Jolly: Ein möglichſt genauer Etat werde bei Berathung des hericht't Li.

Das iſt eine Wahrheit, welche durch die paar Floskeln, die man jegt
no < den Proteſtanten zur Beruhigung hinwirft, nicht verdeckt werden kann.
Es durchschaut ſie Jeder, der gegen die Jesuitentaktik nicht blind sein will. Im
Vorbeigehen bemerke ich hier, daß man uns übel zu nehmen scheint, wenn wir
von Jeſuiten reden. Der Jeſuitismus iſt eine hiſtoriſche Erscheinung von großer
Bedeutsamkeit. Wo wir die Spuren seines Waltens wahrnehmen, da werden
wir uns nicht wehren laſſen, es zu sagen. Der Abg. Weizel weist den Namen
„Jeſuit« mit Entrüſtung von ſich zurück. .!

Allein unter den Leitern der Bewegung ſind wohl Manche, die ſich den

Namen zur Ehre rechnen. Schimpfwort oder Ehrentitel ~ es kömmt lediglich

darauf an, wie man es nimmt. - So viel iſt aber richtig, daß die Jesuiten
gegen den Proteſtantismus zu Felde ziehen. Was ſie auf der Kirchenverſamm-

lung zu Trient als Keyerei verdammt haben, das werden ſie heute nicht als
| Wahrheit gelten laſſen, sobald sie ſich ſtark genug zum Angriff fühlen. Ich
| hoffe, die Proteſtanten werden sich vorsehen, und bei Zeiten die geeigneten Schritte
#ihun, um ihre Glaubensfreiheit zu wahren. :

2) Sodann bedaure ich, daß solche Petitionen von unserer Seite überge-
ben werden, weil die ganze Bewegung eine starke communiftiſche Beimiſchung
hat. Die Flugschrift stellt die Deutſch-Katholiken und Diejenigen, welche für
Glaubensfreiheit und Gewiſsensfreiheit auftreten, als Reiche oder hoch Besoldete
dar, um sie dem ärmern Volke verhaßt zu machenz sie spricht von der Laſt der
Herrengelder und der Sorge für die Ernährung der vielen Herrenkinder. Sie

ſpricht von den großen Beſoldungen und beschuldigt den Abg. Baſſermann, daß

er über eine Million im Vermögen habe. (Bassermann: wenn es nur wahr
wäre.) So ſehr ich den socialiſtiſchen Beſtrebungen für die Verbeſſerung
des Looſes der arbeitenden Klaſſen Gedeihen wünsche, so kann ich mich doch
nicht zum Kom munis mus bekennen, er iſt mir zu radikal, auch wenn er in
der Kutte auftritt. .

3) ez. iſt bei den weltlichen Agitatoren dieſe Bewegung eine Diversion
von Seiten und zu Gunsten der Kamarilla, welche ſich in ihrem Treiben durch
die Stimmung des Landes und der Kammer bedroht sieht. Diese Diverſion iſt

. gerichtet gegen die Verfaſſung, gegen diejenigen Mitglieder der Regierung, welche

fich der Reaktion nicht in die Arme werfen, und gegen die Mehrheit der zweiten
Kammer. Dies geht aus Allem hervor; aus den Stimmen in den Organen
der Kamarilla, welche die mittleren und die unteren Behörden zur Widerseglich-
keit gegen die mit der Kammer verbündete Centralſtaatsgewalt auf-
fordern, aus den Petitionen, die an den Fürſten gerichtet ſind, und die höchſte
Person in den Strudel der Agitation herein zu ziehen verſuchen. Ich wünsche
nicht, daß man gegen diese Petitionen so verfahre, wie man seiner Zeit gegen
die an den Thron gebrachten Bitten um Aufrechthaltung der Preßfreiheit ver-
fahren iſt, (die bekanntlich verboten wurden), aber ich erlaube mir, Ihnen ei-
nige Stellen aus einer derartigen Vorſtellung zu verleſen. Der Redner liest
folgende Stellen aus einer Vorſtellung der Gemeinden Dogern und Birndorf,.
(die in der ſüddeutschen Zeitung abgedruckt ſt)tn. t sit

„Einzelne sogenannte Vertreter des Volkes haben ſich in den neueſten Sitzungen ver-
artige Behauptungen auszusprechen erlaubt, daß kein wahrer Katholik und kein Chriſt dazu
schweigen kann, ohne als gewissenloser Heuchler zu gelten. e.. .

" Has Reden des Einen und das unwürdige Schimpfen des Andern vereinigt ſich,
Alles zu verleßen und herabzuwürdigen, was einem chriſtlichen Volke theuer und heilig
sein muß. Wir haben dem für das Volk so koſtspieligen Treiben im Ständehaus lange mit
Bedauern zugeſehen und dulvſam geschwiegen. Dies ernſte Schweigen der Mißbilligung
wurde aber von den radikalen Ele ment eu (~ iſt wohl dieses Hochdeutich auf dem Schwarz-
walde gewachsen? +) der zweiten Kammer bei dem Beifallklatſchen der Gallerien
und dem Bravorufen der radikalen Tagesblätter nicht nur nicht beachtet, sondern sogar
mit der unerhörteſten Frechheit als allgemeine Zuftimmung von neun Zehntheilen der Ka-

tholiken erkläct. Solchem argen Mißvserſtänvniß zu begegnen, solche vermeſſene und auf's

tiefſte verleßende Verläumdungen mit Entschiedenheit von uns abzuweisen, sind wir un-
serer heiligen Kirche,, unserer Ehre, find wir der Liebe und Sorge Eurer Königl. Hoheit
ty UV Lott whit. sich immer so gerne auf den Willen des Volkes; -- gut, wir
ſiud auch ein Theil des Volkes; + erklären aber, (und vielleicht neun Zehntheile der Ka-
SSC g gu
UN lc tanzen laſſen. ~ Richt um zu verleumden, nicht um unsern erhabenen Fürften
zu kränken, und auf die kleinlichſte Weise zu ſchulmeiſtern, nicht um unsere heilige Kirche
zu läftern und Zwietracht und Haß im ganzen Vaterland anzufachen, nicht um unsere Kir-
<enangelegenheiten von derartigen Leuten, die davon keine Sylbe verſtehen ( die Män-
ner von Dogern verſtehen das beſſer -) ordnen zu laſſen; uicht um ver Schuljugend eine
wenig bildende Unterhaltung zu bereiten, bezahlt vas Volk die ungeheuern Diäten an

solche Schreier. Da dieſe aber, wie die Erfahrung schon lange gelehrt, nichts Anderes

zu thun wiſſen, fo wird vie Welt, - vie vernünf igfie wenigstens es begreiflich finven,
 
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