Mannheimer Abendzeitung
Sonutag, den 2G6. April
; Baden 2 |. B
Inserale ble gesvaltene Zelle in
Wie schon in der Zuſchrift des §q!h. Senats zur Genüge ausgesprochen
iſt, ſo nahm auch Hr. Gerekoht, welcher im Laufe des Abends noch einmal
zur Versammlung sprach, Gelegenheit, auf über eugende Weise darzuthun , daß
das die deutſche Geſillschaft ehrende S:nats: Geschenk nicht als eine. partikaläre
Demonſtration der Sradt Bremen zu betrachten iſt, von 1hr nur in dem Sinne
ausgeht, als Bremen der hauptsächliche Träger und folgiich der wohlberechtigte
Repräſentant der deutſch-amerikaniſchen Schiffrahrts verbindungen iſt ~ eine Er-
î lärung, die mit allgemeiner Aufmerksamkeit und Anerkennung aufgenommen
uu. der teuiſchen Geſellſchaft gewidmete Fla g ge Bremens wurde gleich-
zeitig aufzezogen und ergab ſich als eine der ſchönſten Arbeiten, die man in
dieſem Fache sehen kann. Sie trägt an der einen Seite die Inſhriſt: Der
deutschen Geſellſchaft zu Newyortk die freie Hanſ eſtadt Bremen,
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werk. ~ Jyr wurde aus dem edelſten und vornehnmſten Weine den Deutschland
kennt, — die Krone des bremer Rathkellers „„Roſe‘’ genannt, zugelrunken, und
in ergiebigen Strömen floß diesmal, durch die Mumficenz der Geber, dieſer
koſibare Trank, der sonst nur in kleiner Doſe armen Kranken und reichen Ge-
sunden vergönnt wird. ;
_ Einer der intereſſanteſten Momente war es, als etwas ſpäter Herr Dr.
D etmold das Wohl des anwesenden, allseits mit ebrender und warmer Theil-
nahme aufgenommenen, werthen Gaſtes, Herrn Dr. Seydenſticker, ausbrachte.
Als nach lautem Beifallsdonner Hr. Seydenſticker zu Worte kommen konnte,
drückte er in einigen Worten den Zweifel aus, den er in seine Rednergabe sez-
en müsse, für die Amerika eine beſſere Schule sei als Deutschland, und hof-
ſcuälich auch an ihm sich bewähren werde. „Zwar fehle es dort an Profes-
ſoren der Beredtsamkeit keineswegs, es sei jedoch leider die Zahl der
Profeſſoren der Schweigsamkeit ungleich größer.e
_ Rùückſichten, die wir verſtehen, ſind es (ſagt die Schnellpoſt) ohne Zwei-
fel, die Dr. Seydenſticker bewogen haben, seinem Vortrage so enge Gränzen zu
ziehen. Wir können dieſe nur ehren, wenn wir avch bedauern müſſen, uns
mit der großen Majorität des Publikums in unsern Hoffnungen auf eine aus-
führliche Rede verkürzt gesehen zu haben. ...
. Spätere Redner machten darauf aufmerkſam, wenn er amerikaniſcher
Bürger werde, er darum doch nicht dem deutſchen Vaterlande abſchwöre.
Und als der deutſchen Heimath die Verwirklichung des unschätzbaren Gutes der
Prefßfreiheit gewünſcht wurde, ſchilderte ein amerikanischer Gaſt, Herr King, -
l' "yr. Rede, die unwiderſtehliche Kraft dieſes mächtigen Hebels
er Gesittung. ~ . ... W ...t
_ Alle Anwesenden ſchieden heiter und befriedigt aus den fistlichen Räumen.
Uns aber, in der alten Welt, gereicht es zur innigen Freude und Befriedigung,
daß unsere Landsleute auf der andern Seite des Weltmeeres, mit solcher Theil-
nahme des alten Vaterlandes gedenken. Es kann nicht fehlen, daß dadurch eine
immer innigere Wechſelwirkung zwischen uns und jenem freien Lande fich ergibt,
von der für Deuischland nur Erſprießliches zu hoffen iſt. c
_ * Maunbheim , 25. April. Abgeordneten- Wahl. Wir haben heute eine
neue Wahl zu berichten, und zwar eine ſchr unerfreuliche. Unsere Rubrik
her vereinigten „ Miniſteriellen,, Ultramont:nen und Juſte - Milieu-- ergänzt
fich nämlich durch die am 23. d. M. vorgenommenen Wahl des Abgeordneten
vom Aemter-Wahlbezirk S äckingen, welche att auf den bisherigen Abyeordne-
ten des Bezirks, den entschiedenen Volksmann G o tt schal k, nun auf den bekannten
dermaligen Ultramontanen, Profeſſor Buß in Freiburg, gefallen iſt und zwar
. wie wir hören, mit 54 gegen 32 Stimmen. Die Agitation der Beamten
und Geiftlichen aus jenem und den benachbarten Bezirken war alſo doch
von Erfolg; der -Anti-Gottſchalk- und andere Schmähſchriften, nebſt den Mit-
teln und Entſchädigungen aller Art, die noch das Crntral-Einwirkungscomite
zur Verfügung ſtellte, haben geh ör ig gewirkt. Die Volkspartei, die eben noch
m freudigen Bewußtsein des dennoch ſicher verbleibenden allgemeinen Sieges
weilt und dort vielleicht nicht scharf genug wachte, hat wenigstens den Verluft eines
onſt wadckern Bezirks zu beklagen, wenn gleich ihr die Wiedererwählung des
unerſchütterlichen Volksvertreters Gottſchalks in einem der noch ausftehenden
Bezirke ohne allen Zweifel nicht entgehen wird.
_ Aus dem Badiſchen, 20. April. (Oberrh. 3.) Ein kluger Feldherr
bewährt ſein Talent insbesondere beim Rückzug, indem er die üblen Folgen sei-
" ner Niederlage abzuwenden und seine Truppen möglichſt bei einander zu halten
sucht. Solchen Feldherrnruhm kann die Sübdeuiſche nicht in Anspruch nehmen.
Verfuhr sie plump und zu läppiſch beim Angriff, so iſt ihr Verfahren beim
Rückzug vollends ganz alhern und kaum zu begreifen, wie ſie ihre eigenen Leute
verläugnet. Die „rkatholische Partei," so behauptet fie zuversichtlich, hat ſich
zurückgezogen; ſie hat an den Wahlen keinen Theil genommen.» €Es ſ1ſ nun
allerdings richtig, doß die Ultramontanen an den Abgeorvnetenwahlen an man-
then Orten keinen Antheil nehmen, weil sie das Volk eben nicht zu Wahlmän-
nern ernannt hatte. Wo ſie aber in die Wahlcollegien eindringen konnten, da
waren fie bis zum lctten Augenblicke thätig,*) wie dieses ja die eigenen Wahl-
berichte der Süddeutſchen zeigen. Wenn die Süodeutſche aber die Leute, Adelige
und Geisſtliche, welche ſür die Wahl ultramontaner Abgeordneter thärig waren,
nicht als die Ihrigen anerkennen will, ſo fragen wir ſie, wo denn ibre Partei
ei, die ſich bei den Wahlen so. theitnahmslos verhielt. Thöricht iſt es vol-
lendts, wenn ſie den ſür ſie zwar betrübenden, für das Volk aber sehr erfreuli-
.. hhen Erfolg der Wahlen dem Umſtande zuſchreibt, daß die Regierung fich von
ihr losſagte und ſich gegen die Wahl ſüddeutſcher Abgeordneter erklärte. (?) Ein-
mal gibt ja die Süpdeu!ſche bei jeder Gelegenheit zu, daß zwiſchen ihr und dem
Miniſ erium ein grundſäglicher Gegensaß bcftehe, daß von > ihren Leuten For-
_ YUbonmnement mit vierielſjähriger Borausbezahlung in Mannheim 1 |l. 15 kr., durch die Poſt bezogen im ganzen Oroßherzogthum
kr., im Ausland erhöht sid das Abonnement um ren Poſtaufſchlag.
Petitschrifi oder deren Raum vier Kreuzer. Briefe und Geldsr : frel einzusenden.
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derungen an die Reglerung geſtellt werden mußten, welche dieſe ſehr unbequm
wären Dann war aber dieſe Losſagung von Seite der Regierung eine Noth-
wendigkeit, wenn ſie nicht weitere Verlufte in den Reihen der miniſtericllen Ab-
geordneten erlciten wollie. Das gibt gewiß den ſicherſlen Maßſtab für die
Stärke der ultramontanen Partei, daß ſich das Volk faſt durchgängig gegen
ihre Candidaten erklärte, daß es alle Diejenigen, welche für ſte wirkten, mit
seinem Spotte und seiner Verachtung verfolgt und gerade die entsſchiedenſten Geg-
ner des Uliramontanismus in rein katholiſchen Bezirken gewählt wurden. Die
römiſche Partci hat fich durch ihre Einwirkung in die Wahlen, durch ihr feind-
ſeliges und gebäſſiges Auftreten gegen jene Männer, welche das Volk in so
manchem Kampfe für ſeine Rechte als ſeine aufrichtigen Freunde erkannte, eine
Wunde geſchlagen, von der sie fich nicht mehr erholen wird. Das Volk wird
nie vergeſſen, daß die Süddeutsche die Auflöſung der Volkskammer ſich und den
von ihr geimpften Petitionen zuſchrieb, daß ſie laut triumphirte über einen
Schritt, der das Volk so tief betrübte, daß sie ſich gegen die Verfaſſung, die-
ſes herrliche Kleinod Badens, und gegen das verfaſſungsmäßige Wirken der
Stände arf eine ſo verlegende und für den Vaterlandsfreund empörende Weiſe
aussprach. Aber gerade veßhalb ſind wir der Sübdeutſchen zum Danke ver-
pflichiet; ſie hat dem Volke bie Auzen geöffnet und ihm gezeigt, was hinter der
vorgeipiegelten Religionsgefahr cigenilich ftecke. Nicht um die Verbreitung und ,
die Befeſtigung der Religion und des Chriſtenthums ist es den Jesuiten zu thun, -
sondern um die Vergrößerung ihres eigenen Emfluſſes und um die Vergrößerung
Ihrer Lexeſwh „Sieg“ in dem Artikel Mannheim. . / . . ;
Aus dem N-llenburgiſchea, 20. April. (Oberrh. Ztg.) Die An-
ſtrengungen, welche in unserer Gegend gemacht wurden, um die Wahl freiſin-
niger Vo kovertreter zu hintertreiben, fangen bereits an auf die Köpfe ihrer ei-
genen Urheber zurückfollen und namentlich sehen manche Pfarrer, welche die
Ernennuug unbürgerlicher Wahlmänner durchzusetzen wußten, das Zutrauen
ihrer Pfarrangehörigen raſch dahinſchwinden. Ja an manchen Orten ſpricht
fich der Unwille über die erlitténe Täuſchung auf eine sehr handgreifliche Weiſe
aus, was wir freilich im Intereſſe der guten Sache ſelbſt bedauern müssen. Seit
dem 3. d. M. iſt übrigens in dem Auftreten gewisser Hcrren eine merkwürdige
Veränderung eingetreten und ſelbſt der öfters berührte Schoch in Steißlingen
soll sein Poltern eingeſtellt haben. Der Schrei des Eniſetzes, welcher nach der
Süddeutschen auf die Nachricht von Str au b’ s Wiedererwählung unsern Be-
zirk durchdrang, iſt wahrscheinlich von einigen Pfarrhäuſern und adeligen Wohn-
ſigen ausgegangen, wo man freilich ein ganz anderes Resultat erwartet hatte.
w'+ Frankfurt, 24. April. Die geſtrige Abendverſammlung im Holländer
Hof, wie gewöhnlich äußerſt zahlreich, darunter von den meiſten Mugliedern
der gegenwärtigen deutſch-katholiſchen Synove für Süd- und Weſt-Deuiſchland
besucht, enthielt zwei intereſſante Vorträge. Zuerſt ſprach der deutſch-katholiſche
Pfarrer Hieronimy zu Darmftadt von dem Uebexgewichte der Vernunft über den
Glauben, von der oberſten Geltung jener Seelengabe in jeder Lebensphäre.
Hierauf erläuterte Dr. Lommel die geichichtlichen Formen des Urchriſtenthums,
namentlich in ofifränkiſchen Landen, deſſen gleich antängliche Spaltung in Uni-
tarier (reine Deiſten) und Trinitarier (Dreifaltigkeitsgläubige), und erwies aus
urkundlichen Belegen, daß der Deutsch-Katholizismus nicht als eine Neuerung
sondern nur als Erneuerung der alten unitariſchen oder monoveiſtiſchen Jeſus-
lehre zu betrachten ſci. Beide Reden, obgleich einen Zeitraum von nahebei
zwei Stunden einnehmend, wurden mit der geſpannteſten Aufmerkſamkeit der
vielen Hunderte angehört und von lebhaftem Beifall begleite. Am Schluſſe
der Verſammlung verlas deren Präſivent des ſchon ſechzigjährigen Prieſters
Brugger vollſtändigen (bis jetzt nur auszugsweise durch die Zeitungen mitge-
YU) §:xt:1 ~ §~ § § R REE
Wraukfurt a. M. , 24. April. t cr a g e, d. h.
die Frage vors Wohle der Mreuſchhit, beginnt mehr und mehr die Grundlage
zu werden. ~ Ohne den Communismus in ſeiner kraſſen, unprakriſchen
Form und Auffaſſung einer kindiſchen Furcht zu würdigen, und bei
aller entschiedenen Vorliebe für eine friedliche und humane Entwickelung der
gesellſchafilichen und por itischen Zuſtände nach den Ideen der Zeit darf man doch
nicht allzu sorglos übersehen, daß der übermäßig angehäufte Züntſtoff dereinſt
eine viclleicht nur zu furchtbare Exploſion befürchten läßt, wenn nicht die L-nker
der Völkergeſchicke bei Zeiten die Gefahr und deren Ubwehr bedenken. J der
Tag in unſerer vielfach und stürmisch bewegten Zeit rück: uns einem, vielleicht
nicht gar zu fernen Ziele entgegen, und jeder Tag drängt uns mehr und mehr
die heilige Pflicht auf, aus dem, durch den B-ſig uns angebornen, starren
Egoismus herauszutreten und der G:fahr und ihren tiefen Ursachen bewußt und
muthig in's Auge zu blicken. Hier hilft nur handeln, und zwar raſch und ſicher
handeln, und wir wollen daher die Rathſchläge und Auffklärungen, die uns von
wohlwollenden und tüchtigen Menſchenfreunden dargeboten werden, dankbar an-
erkennend annehmen. Aber freilih mit bodenlo sen philoſophiſchen Syſtemen
über die Zukunft und deren Neubau iſt uns wenig geholfen; unenolich nüglicher
wird es wirken, wenn ihr uns die Leiden des Volkes und der G-;ſellſchaſt über-
haupt in klaren, unzeheuchelten Bildern vor Augen und zu Herzen führt. Ein
Buch, wie das von Engels über die englischen Arbeiter hat die gute Sache
mächtig gefördert. Das iſt der Weg , die Willigen zur Thatkraft, die Wider-
ſtrebenden zu Einsicht und zu gutem Willen hinzurcißen! ~~ Ein anderes Buch,
welches dieſer Tage hier erſchien, scheint uns deoſelben Zweck, wenn auch in
tern und Flugschriften Anlaß. Was ſich bis j yt zeigt, iſt, daß der Mann
anderer Form, doch ebenso energiſh und erfolzreich zu erfüll-n. Es. (t dies
Ernuſt Dronke's Buch: Aus dem Volk, das in anſpruchloſen, ungeichmink-
ten, aber unendlich wahren und aus dem Leben gegriffenen Eczählungen Bil-
der aus der Nacht- und Schattenseite der Gesellschaft au'ſt.Ut. Ohne irzend
eine künstliche, auf die Nerven berechnete Urbertreibung, in leidenſchafilos ruyiger
Weise läßt der Verfaſſer Scenen aus dem ſ. g. niedern, d. h. arbeitenden
Volke an uns vorübergehen, die uns, troyg der niedern Sphäre, in der fich
dieſe Erzählungen meiſtens bewegen, und bei den einfachſten, natürlichſten Mo-