Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Abendzeitung — 1846

DOI Kapitel:
No. 267 - No. 297 (1. Oktober - 31. Oktober)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.44008#1091

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


ÜUannheimer Abendzeitinnne..

deu 3. Vectober qu ge | 1846. t

-



Ertra-Peilage zur s

M Samſcſtag










Aus einem Bericht der deutschen Allgem. Zeitung über die Ver- muß auch so viel Prämie auf das künftige Jahr übertragen werden, als denen
oooOtuiIlito. ) , $U IE u
s Von den ältern Actiengesellſchaften sind wenige mit erheblichen Ueber- | auch noch einen bedeutenden Betrag für ungewöhnliche Unglücksfälle hinzu. Da-
ſchüſſen, alle aber mit feſter Haltung aus einem brandreichen Jahre geſchieden. | von ſind nun, wie gesagt, die jüngern meiſtens sehr fern. Eine j-de von ihnen
Eine Ausnahme davon machen zwer hamburger. Die neue fünfte Compagnie | wird in der obigen Darſtellung, die nur einen allgemeinen Ueberblick lieſern
ſieht ihr Capital um 150,000 Vik. Bco. vermindert; bei der See- und Feuer- | will, etwas finden, das ihre Proceduren und ihren Zuftand treulich wiedergibt.
Aſſecuranzcompagnie iſt der vorjägrige Berluſt auf 160,000 Mk. Bco. geſtiegen. | Bei denen, wo ein Klüngel dominirt, wird nicht eher eine Beſſerung eintreten,
Diese Verluſte rühren von der Seeversicherung her. Es iſt bei derſelben ein ſo | als bis die Elemente der Actiencursſspeculation aus der Verwaltung entfernt
ſtarkes Herabdrücken der Prämien eingeriſſen, daß in Folge deſſen die Hambur- | ſind. Sofort werven dann vie Generalverſammlungen ſich die Mittel sichern,
ger See-Aſsecuranzen jetzt ihrem Ruin entgegengehen, wenn nicht bald eine Aen- | immer genau zu wiſſen, wie ihre Geſellſchaſten wirklich ſtehen. Das erſte und
derung in jenem Berfahren eintritt. Cinen trefflichen Aufsay, der dies überzeu- | wesentlichste dieser Mittel iſt die ſtrenge Revision der Reserven. Sie lassen ſich
gend nachweift, enthalten die Hamburger gemeinnügigen Nachrichten vom 12. | nicht willkürlich beſtimmen, sondern müſſen genau berechnet werden. Das obige
Jun. d. J. Den jüngern Actiengeſellſchaften sür Feuerverſicherung kann dieſer | Schema zeigt, wie leicht das durch eine eurrent gehaltene Controle geſchehen

Zuſtand der Seeverſicherung eine brauchvare Lehre jein. Der Colonia iſt ein | kann. So lange es nicht geschieht, kann jede Geſellſchaft in den Fall kommen.

Defieit von 100,000 Thlr., der Boruſſia eins von 145,000 Thlr., dem deut- | sich an einem ſcheinbaren Ueberſchuſse, ja an einer baaren Dividende zu erfreuen,
schen Phönix eins von mindeſtens 50,000 fl.. nachzurechnen. Dieſes Reſultat | während ihnen unbewußt ein ſchon altes Deficit vorhanden und noch immer im
kann nicht als temporair angeſehen werden, denn jene Geſellſchaften ſind jeit | Steigen begriffen iſt. Die von den Generalverſammlungen erworbene deutliche
ihrem Beſtehen überhaupt noch nicht zu einer Proſperität gelangt. Die richtigen | Ueberſicht des eignen Zuſtandes dagegen wird auch die Verbeſſerung des Ge-
Grundlagen eines Feuerversſicherungsinſtituts liegen so wenig auf der Oberfläche | ſchäfts ſelbſt unfehlbar nach ſich ziehen. ~ Wir haben diesen Gegenſtand aus-
und andererseits iſt scheinbar dem Zufall eine so große Bedeutung dabei ange- | führlich besprochen, weil kaum Einer, der das deutsche Verſicherungswesen angeht,
wiesen, daß ein bloßes Gutdünken leicht aufgemuntert wird, sich daran zu ver- | in der gegenwärtigen Zeit von gleich großem Gewicht iſt, und fahren nun in
suchen. Nicht einmal die Erfahrungen, welche ältere Gesellſchaften über Prämien | unserer Darstellung fort. ; M. e u .
und Schäden jeder Gattung von Riſicos gesammelt haben, würden, wenn ſie Aufgelöſt haben ſich im Laufe des vorigen Jahres zwei Actiengesellſchaften..
zugänglich wären, ohne weiteres zur Baſis dienen können. Es kommt dabei | die Seekamp 'ſche in Bremen, welche ganz aufgehört, und der Badiſche
weniger auf die Reſultate als auf die Verſchiedenheit ihrer einzelnen Beſtand- | Phönix, welcher ſich mit ter Frankfurter Geſellſchaft verbunden hat, die in



theile nach Perioden und Gegenden an. Wer diese Perioden nicht durchlebt | Folge dessen jetzt die Firma: Deutscher Phönix, führt. Der erſtere Enlſchluß .

hat, oder wem die Kenntniß ihrer Erſcheinungen nicht traditionell überkommen | beruhte auf der Kleinheit des Verſicherungscapitalsz es betrug noch nicht 4 Mill.
iſt, wird nothwendig in den Prämien fehlgreifen, bis er ſeine eignen Erfahrun- | Thlr. und hatte keine Ausſicht auf Vermehrung. Der Entschluß des Badischen
gen gemacht hat. Daher findet man bei dem Entflehen einer solchen Geſellſchaft | Phönix aber, den wir noch im vori en Jahr als das rechte Mittel zu beider-
‘einen überall gleichen Tarif, der ſich erſt, je nachdem sie älter wird, zu einer | seitiger Prosperität betrachteten, rg! uns jetzt, nach gewonnener näherer

immer wachſenden Verſchiedenheit der Anwendung geſtaltet. Der junge Concur- | Einſicht, ganz räthselhaft. Dec Badische Phönix war allerdings auf Baden ben

rent dagegen, der jener älter gewordenen und nunmehr erfahrenen Geſellſchaft | schränkt, aber vor der überfüllten Concurrenz entſtanden, von den Behörden be-

zur Seite tritt, bemerkt in gewiſſen Gegenden ihre hößern Prämien und glaubt | fördert und als inländijches Inſtitut vom Publicum mit Vorliebe behandelt. Er
vort eine Fundgrube von Geſchäfſten und Gewinn entdeckt zu haben, die er, mit- | besaß in Folge dessen dort die beſten Verſicheruagen von zusammen 51'/, Mill. Fl.
tels seines, von einem andern copirten Tarifs unter dem größten Beifall des | Die Jahre der Erfahrung hatte er überſtanden und auf künftigen dauernden Ge-

Publikums auszubeuten beginnt. Mit welchem endlichen Erfolge, läßt ſich den- | winn alle Aussicht. Er mußte, wenn er ſich mit seinem Capitale von 1'/. Mill.

ken. Das ift der mit mehr oder weniger Geſchick und Unglück betretene erſie | Fl. mit einer Gesellschaft von 4 Mill. Capital ohne Nachtheil vereinigen wollte,
Weg aller namhaften deutſchen Feuerverficherungsgeſellſchaften, welche jeyt zu bei derſelben ein dreifach ſo großes und gleichqualificirtes Geſchäft vorfinden;
ven ältern gezählt werden, gewesen, und jo erklärt ſich ihr damaliger anfängli- | und wenn er Vortheil davon haben wollte, so mußte ein Anwachsen dieses Ge-
cher Verluſt, wie ihr jett ſchon seit Jahren behaupteter feſter Standpunkt, ge- | schäfts mittels der Vereinigung ſicher vorauszusehen sein. Von solchen Vorbe-
genüber den Verluſten ihrer dermaligen fungen Concurrenten. Allein die Verluſte | dingungen iſt aber, wie ſich jetzt zeigt, keine erfüllt worden. Die Frankfurter
ber letern erklären ſich dadurch nicht vollſtändig. Die heutige Zeit iſt wieder | Geſellſchaft erlangte erſt durch die Bereinigung den Zutritt in Badenz ſie war
eine durchaus andere als die, welche jenen regeimäßigen Verlauf der Dinge mit | und iſt noch jezt von Preußen, Baiern, Sachſen, Hannover, Braunschweig, also
ſich brachte. Wir sehen jegt Verſicherungsgeſellſchaften entstehen, welche nicht | (Oeſterreich duldet überhaupt nur seine eignen Geſellſchaften) von dem größten
der Rechnung auf den Gewinn an der Feuerverſicherung, sondern der Specula- | Theile Deutschlands ausgeſchloſſenz und anderswo (eiwa das frankfurter Gebiet
tion auf Gewinn an dem Actiencurs ihre Stiftung verdanken. Nicht die Ac- | ausgenommen) müſſsen die Geſchäfte mühſam und mit geringen Prämien zusam-
tionaire treten zuſammen, sondern ein gewisser Klüngel ®) von Stiftern, der das | mengebracht werden. Sie ſind. alſo keineswegs so qualificirt wie die des Badi-

Privilegium der Geſellſchaft als sein Eigenthum betrachtet wie ein Erfinder sein | schen Phönix, d. h. ſie versprechen nicht denselben Gewinn wie diese. Unter den.

Patent, der die Actien mit Benefiz emittirt, die Verwaltung an ſich nimmt und | von der Frankfurter Gefellſchaft zugebrachten Versicherungen befanden sich unter
ſie im Sinne jener Speculation leitet. Wir sehen aus diesen und andern Grün- | Anderm viele von andern Geſellſchaften übernommene Rückversicherungen , deren
den Geſellſchaften entſtehen in zu später, unzuträglicher Zeit, die ſich im voraus | der Badiſche Phönix keine einzige hatte und die von einer consolidirten Praxis
ausgeſchlosſen wiſſen von ganzen Ländern, ja von dem größten Theile Deutſch- | ſich dadurch unterscheiden, daß ſe mit einem Federzuge gestrichen werden können.

_ lands. In dem ihnen verbleibenden engen Raume schreiten sie nicht etwa mit | Es iſt richtig, daß der Badiſche Phönix den Anschluß zu einer Dividenden- Ver.

Vorsicht vorwärts , noch beobachten sie, wie ihre längſt gewitzigten Vorgänger | theilung benutzt hat, indeſſen den dazu verwendeten Fonds besaß er ſchon immer,
verfahren; nein, sie überſtürzen sich in Geschäftsbegierde, bringen Werbe- und | in ihr liegt alſo kein durch den Anschluß erlangter Vortheil. Unter dieſen Um-
Rabattſyfteme in Anwendung,, wodurch fie ſich abhängig von dem Publikum | ständen iſt dieſe Vereinigung zwar für die Frankfurter Geſellſchaft nüglich ge-
machen z sie erklären die Erfahrungen der ältern Geſellſchaften für altes Geröll | wesen, bei dem Badiſchen Phönix aber höchſtens Denen zu gute gekommen,
aus der Zopfzeit und betrachten deren Kundschaft bereits als ihr Eigenthum, | welche von der Dividenden-Bertheilung zum voraus wußten und zu niedrigem
denn sie behaupten, viel wohlfeiler sein zu können als jene, und meinen, gegen | Curs Actien aufkauften. Für das Institut des Badischen Phönix, als solches,
Wohlfeilheit halte sich nichts. Die ältern Gesellschaften ziehen davon einen we- | d, h. für die Actionaire in ihrer Geſammtheit betrachtet, iſt ſie nachtheilig gewesen.
ſentlichen Vortheil; weit entfernt, an jene zu verlieren, nimmt ihr Umfang stets Neu eniſtanden iſt eine Rückversicherung s-Gesellschaft in Köln
zu. Die jüngern beachten diese Erscheinung, deren Grund ihnen eigentlich sehr | mit einem Actiencapitale von 3 Mill. Thlr., welches auf 5 Millionen erhöht
bedenklich ſein ſollte, wenig. Ihr Geſchäft wächft mit Macht, und damit iſt das | werben kann. Mit Ausnahme der letztgedachten Beſtimmung enthalten die Sta-
Ziel ves Actienklüngels vorläufig erreicht. Zur Zeit des Abschluſſes iſt begreif- | tuten nichts, was zur Beförderung bloßer Speculation auf den Actieneurs die-
licherweiſe das Reſultat ungünſtig, Dividende aber und, wenn sie nicht möglich | nen könnte. Wir sind aber deſſenungeachtet der Ansicht, daß die Stiftung haupt-
zu machen iſt, Verbergung des Berluftes das Bedürfniß. Die Generalverſamm- | sächlich dieſe Tendenz hat, denn das Unternehmen an ſich beruht weder auf einem
lungen werden mit blühenden Hoffnungen auf die Zukunft ausgefüllt, die Ver- | erweislichen Bedürfniſſe noch kann es eine Garantie für ſeine Stabilität erwer-
walter überbieten ſich in gegenseitigen Complimenten, von Caleulationen, Controlen | ben. Unsere Gründe für Beides haben wir bereits früher entwickeltz ſie beſtehen
und sonstigen Pedanterien aber hält man ſich fern, fern vor allen Dingen von | nach wie vor, und der Verfolg wird ihre Richtigkeit beweiſen. ,
der Controle der Reserve, deren Handhabung vielmehr einem erwünschten Urtheile Unter den gegenseiti gen Gesellschaften iſt, wie billig, zuerſt der
günstig iſt. Die eine Geſellſchaft xeſervirt gar nichts, eine zweite nimmt eine | Gothaer Bank zu gedenken , welche ſich dermalen in einem vortrefflichen pe-
willkürliche und viel zu niedrige Summe als Reserve an, bei einer dritten iſt, | cuniären Zuſtande befindet. Gegen ihre Prinzipien waren mehrere Bedenken
was zufällig übrig bleibt, die Reſerve, eine vierte findet es schwierig und weit- | qusgegangen, von dem Avvokaten Wüſtenfeldt in Bückeburg, der ursprünglich
läufig, sie zu verechnen, und nimmt die Hälfte des muthmaßlichen Betrages als | durch eine Art Censurzwang des Allgemeinen Anzeigers der Deuiſchen zu beson-















genügend an. Was aber die Reſerve wirklich iſt, zeigt folgendes Schema: dern Streitſchriften getrieben wurde. Die Gothaer Bank sagt über dieſe Beden-
. 1 Davon kommen in die _ | ken in einer neuerlich vertheilten Bekanntmachung, das Vertrauen der Bank-

î_ Dauer der Ganze | laufende | künftige _ | theilnehmer werde sie vor der Zumuthung von Erwiderungen bewahren. Da

. Versicherung. | Prämie | Rechnung Rechnung _ | aber die öffentliche Meinung ſich nicht leicht davon überzeugen wird, daß die

Thlx. .]! Thlr. Thlr. . . Gothaer Bank auf viele, theils anonyme, theils von ihrem eigenen Dircéktor,

1. Tf 1107| 57 0 i _ | dem Redakteur des Allgemeinen Anzeigers der Heniſchen, Hofrath! Vecttt. ergan-
sere - |3 Ves f:: tir . Ettef susgeitt pete! r Gtrgſt (N§?!1 pu

Was in der letzten Spalte ſteht, iſt die Reſerohe. Da die Verſicherung | Gothaer Bank eine Widerlegung wohl als nöthig, die Uebernahme der Verant-
selbst am Schlusse der laufenden Rechnung der Geſsellſchaft zur Laſt bleibt, so wortlichkeit für deren Inhalt aber als unräthlich erkannt hat. Das Hauptsäch-
t liche der erhobenen Bedenken iſt unsers Erachtens, daß die Verwaltung ſich die

; *) Viele Leser dieser Blätter werden zweifelhaft sein, was der Verfasser mit | Befugniß beigelegt hat, über die Nachſchußverbindlichkeit der Mitglieder noch
dieſem Ausdruck gemeint hat. Der Klüngel iſt ein moralisches Zwiebelgewächs. | für längere Zeit zu disponiren, als die Verbindlichkeit ſelbſt o
Eine Lage nach der andern schießt an, alle geben sich gegenseitigen Halt, und | B. Jemand für das Jahr 1. April 1846 ~47 verſichert iſt und einen Nach-
man kann kaum daran rühren, ohne daß die Augen davon thränen. Oder viel- ſchußſchein von 240 Telr. ausgestellt hat, wovon alſo für die neun Monate
mehr: der Klüngel iſt wie die Ewigkeit, eine Schlange, die das All umkreiset, | von 1846 180 Thlr. und für die drei Monate von 1847 60 Thlr. bestimmt
doch beißt sie ſich nicht in den Schwanz, vielmehr hat man kein Beiſpiel, daß | ſind, ſo werden jene 180 Thlr. im Jahr 1846 entweder fällig werden oder er-
der Klüngel jemals eines ſeiner Glieder gebiſſen hätte, “' | löſchen, so daß der Betrag des Nachſchußſcheins auf 60 Thlr, reducirt iſt.




 
Annotationen