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Paulus, Eduard [Editor]; Württemberg / Statistisch-Topographisches Bureau [Editor]
Beschreibung des Königreichs Württemberg (Band 56): Beschreibung des Oberamts Rottweil: mit drei Tabellen, einer geognostisch kolorirten Karte des Oberamts, einem Farbendruckbild und sechs Lithographien — Stuttgart, 1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.12698#0200
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Nottwcil. 179

ein Theil einer sehr alten Grabplcitte eingemauert ist, darstellend die
untere Hälfte einer eingeritzten Figur mit Abtsstab.

Das dreischifsige Langhaus der Kirche markirt sich gegen außen
mit hohen Seitenschiffen, die von ziemlich breiten spätgothischen
Fischblasenfenstern durchbrochen, und von den nur schwach und über
Eck vortretenden stumpf an das Dachgesims anstoßenden Strebepfeilern
belebt werden, weil die Hauptmasse dieser Pfeiler nach innen gezogen
ist, und hier tiefe Kapellen bildet. Die größte Kapelle, dem hl. Nepo-
muk geweiht, nimmt dm Raum südlich vom Hauptschiff und westlich
vom Thurm ein, trägt oben an ihrer Südwestecke die Jahreszahl
ihrer Vollendung 1534, und ist im spätesten gothischen Geschmack
^ gehalten. Die ganze Anlage der Kirche erinnert sehr an die der Stists-
kirche zu Stuttgart. Das Mittelschiff steigt nur wenig über die Pult-
dächer der Seitenschiffe hinauf und wird von ganz kleinen Rundfenster-
chen durchbrochen.

Höher aber ist der Chor, der zu den schönsten Chören der
gothischen Baukunst gezählt werden darf. Starre, strenge, weit vor-
springende Strebepfeiler steigen an ihm hinauf und gehen in blumige
Giebel aus; dazwischen hohe, viertheilige, prachtvoll gesüllte Spitzbogen-
fcnster. Denselben Stil zeigt die nördlich angebaute zweistockige Sakristei.
Unter und über den Chorfenstern ziehen sich — eine in Rottweil beliebte
Anordnung — kleine, mit dem Drei- oder Vierblatt gefüllte Rund-
fensterchen hin.

Der sehr stattliche, hohe viereckige Thurm, mit sehr dicken Mauern
und einer Wendeltreppe in der Mauerdicke, ist in seinen drei untern
Geschossen spätromanisch, hat wnlstige Rundbogenfriese und im dritten
Geschos; wirklich großartige Bogenfenster; in denselben tragen Säul-
chen, mit sehr schönen Blätterkapitellen, das aus zwei Spitzbögen und
einem Kreis zusammengesetzte urthümliche Maßwerk; alles in großen
kraftvollen Formen und von prächtiger Wirkung. Tas erneuerte
vierte Geschoß des Thurmes enthält vier große spitzbogige Schall-
fenster mit großlöcherigem gothischem Maßwerk, und hat über sich ein
kolossales achteckiges, mit Kupfer gedecktes Zeltdach, aufgesetzt nach
dem Brande von 1696. Das hübsche schmiedeiserne Kreuz darauf wiegt
4 Centner 84 Pfund, ist SlU/o Fuß hoch und 13 Fuß breit. Die
in seiner Mitte befindliche Kugel verschließt eine Denkschrift zur Erin-
nerung an die große Feuersbrunst am 29. August 1696. An den
vier Ecken des Daches springen vier schöne kupferne Drachen herauS.

Vor dem Haupteingang in das südliche Seitenschiff wölbt sich
ein zierlicher, auf zwei reichgegliederten Freipseilern ruhender Vorbau,
der zugleich mit der Nepomukskapclle in einem schon mit Renais-
sanceformen vermischten Stil erbaut wurde. Ueber den zum Theil
 
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