Lotte Hahn
sich dabei um eine Regensburger Sage, vielleicht auch um eine geschichtliche Überlieferung, die noch
heute lebendig ist, auch in allen lokalen Chroniken getreulich weitererzählt wird und in einer dieser
handschriftlichen Quellen also lautet:
Es rait ein Tiirck aus Türckhen Lanndt,
Er rait gen Regenspurg in die stat
Da Stechen wardt, von Stechen war im wolbekhant.
Da rait er fuer des Kaysers thuer.
»Ist niemant hin, der kumb herfuer,
der stechen Well umb leib und seel,
umb guet, umb Ehr,
und das dem Teuffl die Seel wer?«
Da warn die Stecher all verschwigen.
keiner wolt dem Türckhen nit obligen,
dem Laidigen man,
der so frefflich Stechen khan.
Da sprach der Kayser zornigklig:
»Wie steht mein hoff so lästerlich!
hab ich khain man der Stechen khan
umb leib unb Seel, umb guet und ehr
und das unserm herrn die seel wer?«
Da sprang der Dollinger herfuer:
»wol umb wol umb ich mues hinfuer
an den laidigen Mann,
der so frefflich Stechen khan.«
Das erste reuten das sie da theten,
Sie fuerten gegen einander Zway scharffe Speer,
Das ein gieng hin, das ander gieng her.
Da stach der Türck den Dollinger ab,
das er an dem ruckhen lag.
»O Jhesu Christ, steh mir jetz bey,
Steck mir ein Zwey, sind Irer drey,
Bin ich allain,
und fuer mein Seel in das Ewig himmelreiche.«
Da reit der Kayser zum Dollinger so behendt,
er füert ein Kreutz in seiner henndt,
Er strichs dem Dollinger über sein mundt,
der Dollinger sprang auff, war frisch und gesundt.
Das ander reiten das sie da theten,
da stach der Dollinger den Türckhen ab,
das er an dem ruckhenn lag.
»Du verheuter Teuffl, nun Stehe im bey,
sind irer drey, bin ich allain,
und fuer sein Seel
in die bitter helle Beyn.«
Am Rathausplatz 5 in Regensburg stand das Dollingerhaus, eine der vielen Patrizierburgen,
an denen die Stadt ja selbst heute noch reich ist. Sie hatte, wie die meisten dieser Stadtfesten, einen in
den Wohnbau einbezogenen Turm, in dessen Erdgeschoß sich eine Kapelle befand. Über die beiden fol-
genden Stockwerke aber erstreckte sich der Festraum des Hauses, der sogenannte Dollingersaal. Im Jahre
1889 wurde das alte Gebäude niedergerissen, den Saal aber brach man vorsichtig ab, und als 1890 für
den katholischen Gesellenbund das Vereinshaus St. Erhard errichtet wurde, führte man in eben diesem
Neubau den Dollingersaal aus dem alten Material möglichst in der früheren Gestalt wieder auf. So ist
uns dies einzigartige Denkmal mittelalterlicher Patrizierherrlichkeit erhalten geblieben. Der Saal (Taf. 14,
Abb. 1) bildet ein unregelmäßiges Viereck mit einer Grundfläche von 9,52 m auf 8,52 m, bei einer Höhe
von 5,65 m. Die Decke ist in vier ungleiche Gewölbefelder geteilt, welche auf einem achteckigen,
wuchtigen Mittelpfeiler Zusammenstößen. Diese spitzbogigen Gewölbe werden von massigen, aus Platte
und Kehle bestehenden Kreuzrippen getragen, welche sich in einem jedesmal anders geschmückten Schluß-
stein vereinigen, und teils von besonderen Konsolen aufsteigen, teils, mit den Gurtbögen zusammen-
fließend, auf einer gemeinsamen Konsole oder einem Wandpfeiler aufruhen. Im Ganzen macht der Saal
zwar einen mächtigen, aber doch auch einen schweren Eindruck; was wohl hauptsächlich daran liegt, daß
die durch breite Gurten und kräftig heraustretende Rippen stark betonten Gewölbe sehr tief, in einer
Höhe von 1,85 m beginnen und dann um mehr als das Doppelte von dieser Höhe emporsteigen. So lasten
sie ungewöhnlich stark auf dem Beschauer. Ungewöhnlich, weil in Kirchen die Gewölbe meist sehr viel
höher erst beginnen, und profane frühgotische Säle äußerst selten sind (vgl. Marburg). Noch viel unge-
wöhnlicher und fremdartiger aber als der Raum selbst berührt uns die Plastik darin.
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sich dabei um eine Regensburger Sage, vielleicht auch um eine geschichtliche Überlieferung, die noch
heute lebendig ist, auch in allen lokalen Chroniken getreulich weitererzählt wird und in einer dieser
handschriftlichen Quellen also lautet:
Es rait ein Tiirck aus Türckhen Lanndt,
Er rait gen Regenspurg in die stat
Da Stechen wardt, von Stechen war im wolbekhant.
Da rait er fuer des Kaysers thuer.
»Ist niemant hin, der kumb herfuer,
der stechen Well umb leib und seel,
umb guet, umb Ehr,
und das dem Teuffl die Seel wer?«
Da warn die Stecher all verschwigen.
keiner wolt dem Türckhen nit obligen,
dem Laidigen man,
der so frefflich Stechen khan.
Da sprach der Kayser zornigklig:
»Wie steht mein hoff so lästerlich!
hab ich khain man der Stechen khan
umb leib unb Seel, umb guet und ehr
und das unserm herrn die seel wer?«
Da sprang der Dollinger herfuer:
»wol umb wol umb ich mues hinfuer
an den laidigen Mann,
der so frefflich Stechen khan.«
Das erste reuten das sie da theten,
Sie fuerten gegen einander Zway scharffe Speer,
Das ein gieng hin, das ander gieng her.
Da stach der Türck den Dollinger ab,
das er an dem ruckhen lag.
»O Jhesu Christ, steh mir jetz bey,
Steck mir ein Zwey, sind Irer drey,
Bin ich allain,
und fuer mein Seel in das Ewig himmelreiche.«
Da reit der Kayser zum Dollinger so behendt,
er füert ein Kreutz in seiner henndt,
Er strichs dem Dollinger über sein mundt,
der Dollinger sprang auff, war frisch und gesundt.
Das ander reiten das sie da theten,
da stach der Dollinger den Türckhen ab,
das er an dem ruckhenn lag.
»Du verheuter Teuffl, nun Stehe im bey,
sind irer drey, bin ich allain,
und fuer sein Seel
in die bitter helle Beyn.«
Am Rathausplatz 5 in Regensburg stand das Dollingerhaus, eine der vielen Patrizierburgen,
an denen die Stadt ja selbst heute noch reich ist. Sie hatte, wie die meisten dieser Stadtfesten, einen in
den Wohnbau einbezogenen Turm, in dessen Erdgeschoß sich eine Kapelle befand. Über die beiden fol-
genden Stockwerke aber erstreckte sich der Festraum des Hauses, der sogenannte Dollingersaal. Im Jahre
1889 wurde das alte Gebäude niedergerissen, den Saal aber brach man vorsichtig ab, und als 1890 für
den katholischen Gesellenbund das Vereinshaus St. Erhard errichtet wurde, führte man in eben diesem
Neubau den Dollingersaal aus dem alten Material möglichst in der früheren Gestalt wieder auf. So ist
uns dies einzigartige Denkmal mittelalterlicher Patrizierherrlichkeit erhalten geblieben. Der Saal (Taf. 14,
Abb. 1) bildet ein unregelmäßiges Viereck mit einer Grundfläche von 9,52 m auf 8,52 m, bei einer Höhe
von 5,65 m. Die Decke ist in vier ungleiche Gewölbefelder geteilt, welche auf einem achteckigen,
wuchtigen Mittelpfeiler Zusammenstößen. Diese spitzbogigen Gewölbe werden von massigen, aus Platte
und Kehle bestehenden Kreuzrippen getragen, welche sich in einem jedesmal anders geschmückten Schluß-
stein vereinigen, und teils von besonderen Konsolen aufsteigen, teils, mit den Gurtbögen zusammen-
fließend, auf einer gemeinsamen Konsole oder einem Wandpfeiler aufruhen. Im Ganzen macht der Saal
zwar einen mächtigen, aber doch auch einen schweren Eindruck; was wohl hauptsächlich daran liegt, daß
die durch breite Gurten und kräftig heraustretende Rippen stark betonten Gewölbe sehr tief, in einer
Höhe von 1,85 m beginnen und dann um mehr als das Doppelte von dieser Höhe emporsteigen. So lasten
sie ungewöhnlich stark auf dem Beschauer. Ungewöhnlich, weil in Kirchen die Gewölbe meist sehr viel
höher erst beginnen, und profane frühgotische Säle äußerst selten sind (vgl. Marburg). Noch viel unge-
wöhnlicher und fremdartiger aber als der Raum selbst berührt uns die Plastik darin.
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