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Oberrheinische Kunst — 3.1928

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Buchbesprechungen
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Krautheimer, Richard: [Rezension zu: Adolf Mettler, Mittelalterliche Klosterkirchen und Klöster der Hirsauer und Zisterzienser in Württemberg]
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Jantzen, Hans: [Rezension zu: Hermann Beenken, Bildhauer des 14. Jahrhunderts am Rhein und in Schwaben]
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https://doi.org/10.11588/diglit.53860#0207

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Buchbesprechungen

eine besondere deutsche Note in der Bevorzugung des Pal-
metten- an Stelle des Knospenkapitelles, des Kelchblockes also
an Stelle des reinen Kelches zu setzen, mag dahingestellt
bleiben: die Kelchblockform war in ganz Nordfrankreich
bis ins beginnende 15. Jahrhundert hinein durchaus üblich —
und es scheint sich eher um eine zweite französische Form
zu handeln als um eine deutsche: die mittelalterliche Archi-
tektur ist nun einmal durchaus international, und ihr Formen-
schatz gliedert sich mehr nach lokalen Typen als nach
wesenhaften Stammesunterschieden. Aber für die Analysen
Mettlers und für die Schlüsse, die für die Abfolge der
Bauten in Maulbronn und Bebenhausen aus ihnen gezogen
sind, kann man nur dankbar sein: die verwickelte Baugeschichte
der beiden Klöster liegt jetzt endlich klar.
Der größte Wert des Buches aber liegt vielleicht in der
Darstellung der Entwicklung der hirsauischen und cister-
ziensischen K1 o s t e r anlagen. Um die Profanarchitektur des
Mittelalters pflegt man sich ja im allgemeinen viel zu wenig
zu kümmern. Hier wird endlich einmal aufgewiesen, wie
ein profaner Bautypus, der des Kapitellsaales etwa, vom lang-
gestreckten, flachgedeckten Saal mit einer Mittelstütze —
sie ist architektonisch irrelevant — zur quadratischen Halle
mit drei Schiffen und drei Jochen sich wandelt, wie aus dem
Typ von Hirsau (Ende d. 11. Jahrdts.) der von Bebenhausen
(Anf. d. 13. Jahrdts.) wird, um schließlich (Anf. d. 14. Jahrdts.)
zu dem zweischiffigen Typ von Maulbronn sich zu ent-
wickeln; oder wie aus dem dreischiffigen, vierjochigen Typ
des Laienrefektoriums in Bebenhausen — es ist in seiner
Anlage doch wohl spätromanisch, nicht spätgotisch, wie
Mettler annimmt, man vergleiche die Rippenanfänger, die in
dieser Form nach 1300 kaum mehr vorkommen — die zwei-
schiffige Halle mit Stützenwechsel des Maulbronner Herren-
refektoriums und schließlich die normale hochgotische — oder
vorspätgotische — Halle des Sommerrefektoriums von Beben-
hausen wird. Diese Probleme der Profanarchitektur aufgezeigt
zu haben, ist zweifellos ein bedeutender Schritt — und Mettler
ist der berufene Mann, um gründliche Arbeit zu leisten.
Man kann dem Verfasser und den Herausgebern nur
dankbar sein: dafür, daß Mettlers ältere Arbeiten übersichtlich
zusammengestellt, daß sie durch neuere Forschungen ergänzt
werden und daß so das Bild der mittelalterlichen Architektur
in Süddeutschland entscheidend geklärt wird.
Richard Krautheimer
Hermann Beenken: BILDHAUER DES 14. JAHRHUN-
DERTS AM RHEIN UND IN SCHWABEN. Leipzig 1927.
Das Beenkensche Buch — in der schönen Ausstattung,
die der Insel-Verlag der Reihe »Deutscher Meister« gegeben
hat — behandelt eine umfangreiche Gruppe von Monumenten
der Skulptur, die für die Geschichte der deutschen Kunst
der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts von größter Bedeutung
sind. Im rheinischen Gebiet kommen als Hauptorte für den
genannten Zeitraum Freiburg, Straßburg, Mainz, Köln, im
schwäbischen Gebiet Rottweil, Gmünd, Augsburg in Betracht.
Die Darstellung Beenkens hat ursprünglich ihren Ausgangs-

punkt in einer Untersuchung der Rottweiler Plastik ge-
nommen. Die übrigen Zentren sind wegen ihrer mehr oder
minder betonten Beziehungen zu der Rottweiler Gruppe
in die Untersuchung einbezogen. Da es sich um ein ver-
hältnismäßig junges Forschungsgebiet handelt — wiewohl
es nicht an guten Vorarbeiten fehlt —, so war einer ein-
dringlichen Betrachtung vielfach Gelegenheit zu kunstge-
schichtlich wichtigen Ausführungen gegeben. Beenken sucht
mit großer Gewandtheit der Darstellung (die stellenweise
freilich der Gefahr einer allzu lyrischen Diktion nicht ent-
geht, wenn der Verfasser sich beispielsweise von dem »un-
säglich keuschen Ausdruck der Lippenränder« und von den
»in der Stille dahinträumenden Mantelsäumen« der Rottweiler
Madonna hinreißen läßt) und mit einer die einzelnen Werke
oft treffsicher kennzeichnenden Art die Umrisse anonymer
Bildhauerpersönlichkeiten zu zeichnen, und zweifellos stellt er
manchen künstlerischen Wert in ein helleres Licht. Gleich wohl
wird man dem Verfasser nicht überall bedingungslos folgen.
Daß Beenken sich mit seinen Ergebnissen vielfach in
Gegensatz zu vorhandenen Forschungsergebnissen stellt,
kann insofern nicht überraschen, wenn man erwägt, daß
unsere Anschauungen über die Stilentwicklung innerhalb der
von dem Verfasser behandelten Zeit noch keineswegs jenes
Maß von Klarheit gewonnen haben, die für eine sichere
Bewertung der einzelnen Skulpturengruppen ausreicht. Um
so wichtiger bleibt es, die für die Beurteilung der Monu-
mente entscheidenden stilistischen Merkmale aufzuweisen.
Und darin geht Beenken nicht immer mit der gebotenen Vor-
sicht vor. Er sucht gelegentlich zu überreden statt zu über-
zeugen. Ob es richtig ist, jede erkennbare Stildifferenz durch Ge-
währung eines Meistertitels festzulegen, möchte ich bezwei-
feln, zumal wenn nur eine einzige Figur aus einem gemein-
samen Zusammenhang herausgelöst wird. So stellt Beenken
beispielsweise für die Rottweiler Madonna einen eigenen
Meister auf. Das ist um so überraschender, als der Verfasser
auf der anderen Seite dem Rottweiler Prophetenmeister die
Oberweseler Figuren als Jugendwerk und gleich darauf auch
die Madonna der Stuttgarter Altertümersammlung (Abb. 7O)
als eigenhändige Arbeit zuspricht. Warum in dem einen
Falle die geringen Stildifferenzen als Unterschiede von Meister
zu Meister gewertet werden, während in dem anderen Falle die
Abweichungen als Unterschiede des Individualstiles gelten,
ist in keiner Weise ersichtlich.
Entsprechende Einwände sind auch an anderen Stellen des
Buches zu erheben. Ich will hier nur ein paar strittige
Punkte in der Beurteilung der Freiburger Plastik berühren,
da sich gerade hier in besonderem Maße die Schwierig-
keiten, zu einer Einigung zu gelangen, zeigen.
Für die Beurteilung der Stilkomponenten in den Figuren
der Vorhalle des Freiburger Münsters stand bisher nur das
Verhältnis zu Straßburg in Frage. Beenken glaubt eine neue
Stilkomponente einführen zu können, indem er bei einigen
Freiburger Figuren auf gewisse, bisher nicht beachtete Über-
einstimmungen mit den Figuren des Marburger Hochaltares
hinweist und Marburg für den gebenden Teil erklärt. Die
Übereinstimmungen sind vorhanden, aber die Beziehungen

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