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Oberrheinische Kunst — 3.1928

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Baier-Futterer, Ilse: Niklaus Gerhaert in Konstanz und Regensburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.53860#0167

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Ilse Futteret / Niklaus Gerhaert in Konstanz und Regensburg
Niklaus Gerhaert in Konstanz und Regensburg
Von Ilse Futterer
Niklaus Gerhaert hat während der Jahre, da er in Straßburg ansässig war, verschiedentlich für
das Münster zu Konstanz gearbeitet. Wir wissen nur durch Urkunden von diesen Werken. Es handelt
sich zunächst um einen Schnitzaltar, dann um das Chorgestühl und um die Reliefschildereien an den
Holztüren des Hauptportals. Für den Schnitzaltar bekommt der Meister noch im April 1467, also kurz vor
der Abwanderung nach Österreich, urkundlich eine Nachzahlung, im selben Schriftstück wird er vom
Gestühls auftrag ausdrücklich entbunden. Wieviel vom Chorgestühl damals schon vorhanden war, ob
Gerhaert vielleicht Visierungen einzelner Teile dazu geliefert, bleibt im Ungewissen.
Leider ist uns der wohl sicher eigenhändige Altar gänzlich verloren; Gestühl und Türen dagegen
sind unversehrt erhalten, aber von des Meisters Geist und Formensprache so verschieden, daß kein Urteils-
fähiger hier seine Hand wird nachweisen wollen. Bei aller Tüchtigkeit scheinen sie mir mit dem Stil seiner
gesicherten Werke (wie mit seiner Schule) schlechthin unvereinbar. Zwar haben die Szenen am Gestühl
originelle Erfindung und einen frischen Erzählerton aufzuweisen, jedoch das einzelne ist primitiver und
derber formuliert als bei Gerhaert. — »Symon Haider artifex me fecit« lautet die Inschrift an einer der 1470
datierten Türen. Dem steht ein Dokument gegenüber, das ausdrücklich feststellt, Haider habe keine Bilder
zu schnitzen verstanden, er sei bloß Tischler gewesen. Und doch wird man jene z. T. trocken hinerzählten
Reliefs noch lieber ihm als etwa dem als Mitarbeiter genannten Gerhaert geben wollen. Stilistische
Erscheinung und schriftliche Überlieferung widersprechen sich und ergeben vorläufig ein non liquet.
Unter diesen Umständen ist um so belangvoller, daß es in Konstanz doch tatsächlich noch bisher
unbeachtet gebliebene Denkmäler Gerhaertschen Gepräges gibt. Es sind dies zwei stattliche Konsolsteine
aus Rorschacher Sandstein im Rosgartenmuseum (Taf. 65, Abb. 1, 5). Auf eine kräftig gebildete Rosette
folgt der Kranz der Köpfe: Beim einen Stein sechs Männerantlitze und Hände, die sich flach auf die
Schulter des Nachbarn legen, beim anderen nur 1 Männer- und 5 Frauenköpfe, zwischen denen je ein groß-
lappiges Blatt als rahmende Folie aufwächst. Darüber erhebt sich der eigentliche Konsolkern als stark
profilierte Achteckplatte von 41—45 cm Durchmesser. Angeblich stammen beide Steine aus dem Münster,
Genaueres über ihren ehemaligen Standort ist nicht bekannt.
Lust am Reichtum der Gesichtswölbungen, ein Rechnen mit den leisesten Oberflächenschwingungen
und deren Schattenlagen tut sich in diesen Köpfen kund. Das kennt man von Gerhaert her, es war
etwas von dem neuen, lebensvolleren und wirklichkeitserfüllteren Stil, der auf seine Zeitgenossen so großen
Eindruck machte. Daß tatsächlich nur er für unsere Konsolsteine als formbestimmendes Vorbild in Frage
kommen kann, erweist wohl am klarsten die Gegenüberstellung der zwei bärtigen Alten im Turban
(Taf. 64, Abb. 1,2, 4, 5). Freilich ist der Konstanzer Kopf schwer beschädigt und schon darum, abgesehen von der
tatsächlich geringeren Qualität, sehr im Nachteil. Nase und Bart fehlen stellenweise, die Epidermis scheint
verwetzt und flau. Dennoch vermag die Ähnlichkeit sich durchzusetzen. Wir verweisen besonders auf die
Mundbildung mit den dünnen, beweglichen Lippen und schattenfangenden Mundwinkeln. Aus Visierungen
der Straßburger Werkstatt allein war diese intime Kenntnis Gerhaertscher Formgewohnheiten kaum zu
entnehmen, der Bildhauer dürfte vielmehr in Straßburg oder dann in Konstanz selbst eine Zeitlang mit
Meister Niklaus zusammen gearbeitet haben.
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