Clemens Sommer
Beiträge zum Werke des Bildschnitzers Hans Wydyz
Von Clemens Sommer
Hiiner der wenigen Bildhauernamen, die uns aus der letzten Phase der Spätgotik am Oberrhein
im Zusammenhang mit einem noch vorhandenen Werke erhalten sind, ist der des Hans Wydyz. Wahr-
scheinlich als Sohn des Bildschnitzers Bartholomäus Wydyz oder Widitz, der aus Meißen einwanderte, in
Straßburg geboren, siedelte er um die Jahrhundertwende nach Freiburg über1. Hier entstand im Jahre 1505
das Werk, das uns seinen vollen Namen überliefert, der Dreikönigsaltar (Taf. 42 und Taf. 45, Abb. 2). Ursprüng-
lich für die Hauskapelle des Konrad Stürzei, des Kanzlers Kaisers Maximilians, gefertigt, wird er im Jahre 1803
ins Münster überführt und später von J. D. Glänz in neuem Schrein an seinem heutigen Platze aufgestellt.
Außer diesem Hauptwerk trägt sein Signum in Gestalt der Anfangsbuchstaben H. W. eine der reizvollsten
Kleinplastiken der Spätgotik, die Adam- und Evagruppe aus der Sammlung Amerbach im Basler
Historischen Museum (Taf. 43, Abb. 1): Hierzu treten als urkundlich gesichertes Werk 3 hölzerne Schlußstein-
scheiben des Freiburger Münsterchores, die in den Jahren 1510/11 zur Ausführung kamen2 3 (Taf. 44, Abb. 1
und 2). Von ihnen trägt die eine die Halbfigur der Madonna mit Kind, die zweite den Freiburger Wappen-
schild von einem Engel gehalten, die letzte das vorderösterreichische Wappen. Entsprechend ihrer hohen An-
bringung sind es dekorative, etwas summarisch ausgeführte Arbeiten, die wohl eher als Werkstattgut zu
betrachten sind, obwohl sie deutlich genug die Charakteristika der Hand des Meisters zeigen.
Angesichts der scharf ausgeprägten Eigenart dieser Handschrift ist es unverständlich, daß bisher
die Übereinstimmung der sicheren Arbeiten des Hans Wydyz mit einem Werke, das in engstem örtlichen
und zeitlichen Zusammenhang mit ihnen steht, nicht anerkannt wurde. Es ist die Madonna des Schnew-
linaltares. Kempf, der eine dahingehende Vermutung aussprach, hat ihr nie eine Begründung folgen lassen8.
So kam es, daß die diesen Zusammenhang leugnende Theorie Münzeis festen Fuß fassen konnte4 *. Sie
hat bisher verhindert, daß eine der anziehendsten Künstlerpersönlichkeiten der ausklingenden Spätgotik in
vollem Umfang gewürdigt werden konnte.
I.
Die Madonna des Schnewlinaltares (Taf. 46) oder richtiger die Gruppe der Ruhe auf der
Flucht vor einer gemalten Hintergrundlandschaft ist das Mittelstück eines Altares, der von dem Ritter
1 Zum erstemal wird sein Name anläßlich der Erhebung einer Reichssteuer im Jahre 1497 in Freiburg genannt.—
Flamm, der Bildhauer Hans Wydyz . . . ., Rep. f. Kunstw. 58, 1916, S. 109. Hier befindet sich das bisher über den Meister
zutage geförderte Urkundenmaterial. Auch ist der Versuch gemacht, ihn in die Künstlerfamilie der Weiditz einzureihen.—
Weitere Literatur über Hans Wydyz: R. F. Burckhardt, Hans Wydyz the elder, Burlington Magazine 6, 1907, S. 212. —
G. Münzel, Der Dreikönigsaltar im Freiburger Münster, Münsterblätter 6, 1910, S. 1. — Otto Schmitt, Oberrhein. Plastik,
Freiburg 1924, S. 40, Taf. 100—105.
2 Die Stelle befindet sich in den Rechnungsbüchern der Münsterbauhütte unter dem 23. Juni 1510 und lautet nach
Münzel, a. a. O.: »Item 4 TB Schilling an Meister Hansen den Bildhower von den trey schieben zu machen in die Schlosstein im
neuen Kor uf Sonntag und vigilia Joh. Baptiste thut 7 fl. in Gold.« Die Fertigstellung der Marienscheibe wird für das Jahr 1511
bezeugt (Rechnung vom 20. Juni für Bemalung der Scheibe). Flamm, a. a. O.
3 Fr. Kempf, Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters Münsterblätter 13, 1917, S. 21, Anm. 3.
■* G. Münzel, Die Predella an Baldungs Hochaltar im Freiburger Münster und ihr Meister, Schauinsland 46,
1919, S. 1.
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Beiträge zum Werke des Bildschnitzers Hans Wydyz
Von Clemens Sommer
Hiiner der wenigen Bildhauernamen, die uns aus der letzten Phase der Spätgotik am Oberrhein
im Zusammenhang mit einem noch vorhandenen Werke erhalten sind, ist der des Hans Wydyz. Wahr-
scheinlich als Sohn des Bildschnitzers Bartholomäus Wydyz oder Widitz, der aus Meißen einwanderte, in
Straßburg geboren, siedelte er um die Jahrhundertwende nach Freiburg über1. Hier entstand im Jahre 1505
das Werk, das uns seinen vollen Namen überliefert, der Dreikönigsaltar (Taf. 42 und Taf. 45, Abb. 2). Ursprüng-
lich für die Hauskapelle des Konrad Stürzei, des Kanzlers Kaisers Maximilians, gefertigt, wird er im Jahre 1803
ins Münster überführt und später von J. D. Glänz in neuem Schrein an seinem heutigen Platze aufgestellt.
Außer diesem Hauptwerk trägt sein Signum in Gestalt der Anfangsbuchstaben H. W. eine der reizvollsten
Kleinplastiken der Spätgotik, die Adam- und Evagruppe aus der Sammlung Amerbach im Basler
Historischen Museum (Taf. 43, Abb. 1): Hierzu treten als urkundlich gesichertes Werk 3 hölzerne Schlußstein-
scheiben des Freiburger Münsterchores, die in den Jahren 1510/11 zur Ausführung kamen2 3 (Taf. 44, Abb. 1
und 2). Von ihnen trägt die eine die Halbfigur der Madonna mit Kind, die zweite den Freiburger Wappen-
schild von einem Engel gehalten, die letzte das vorderösterreichische Wappen. Entsprechend ihrer hohen An-
bringung sind es dekorative, etwas summarisch ausgeführte Arbeiten, die wohl eher als Werkstattgut zu
betrachten sind, obwohl sie deutlich genug die Charakteristika der Hand des Meisters zeigen.
Angesichts der scharf ausgeprägten Eigenart dieser Handschrift ist es unverständlich, daß bisher
die Übereinstimmung der sicheren Arbeiten des Hans Wydyz mit einem Werke, das in engstem örtlichen
und zeitlichen Zusammenhang mit ihnen steht, nicht anerkannt wurde. Es ist die Madonna des Schnew-
linaltares. Kempf, der eine dahingehende Vermutung aussprach, hat ihr nie eine Begründung folgen lassen8.
So kam es, daß die diesen Zusammenhang leugnende Theorie Münzeis festen Fuß fassen konnte4 *. Sie
hat bisher verhindert, daß eine der anziehendsten Künstlerpersönlichkeiten der ausklingenden Spätgotik in
vollem Umfang gewürdigt werden konnte.
I.
Die Madonna des Schnewlinaltares (Taf. 46) oder richtiger die Gruppe der Ruhe auf der
Flucht vor einer gemalten Hintergrundlandschaft ist das Mittelstück eines Altares, der von dem Ritter
1 Zum erstemal wird sein Name anläßlich der Erhebung einer Reichssteuer im Jahre 1497 in Freiburg genannt.—
Flamm, der Bildhauer Hans Wydyz . . . ., Rep. f. Kunstw. 58, 1916, S. 109. Hier befindet sich das bisher über den Meister
zutage geförderte Urkundenmaterial. Auch ist der Versuch gemacht, ihn in die Künstlerfamilie der Weiditz einzureihen.—
Weitere Literatur über Hans Wydyz: R. F. Burckhardt, Hans Wydyz the elder, Burlington Magazine 6, 1907, S. 212. —
G. Münzel, Der Dreikönigsaltar im Freiburger Münster, Münsterblätter 6, 1910, S. 1. — Otto Schmitt, Oberrhein. Plastik,
Freiburg 1924, S. 40, Taf. 100—105.
2 Die Stelle befindet sich in den Rechnungsbüchern der Münsterbauhütte unter dem 23. Juni 1510 und lautet nach
Münzel, a. a. O.: »Item 4 TB Schilling an Meister Hansen den Bildhower von den trey schieben zu machen in die Schlosstein im
neuen Kor uf Sonntag und vigilia Joh. Baptiste thut 7 fl. in Gold.« Die Fertigstellung der Marienscheibe wird für das Jahr 1511
bezeugt (Rechnung vom 20. Juni für Bemalung der Scheibe). Flamm, a. a. O.
3 Fr. Kempf, Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters Münsterblätter 13, 1917, S. 21, Anm. 3.
■* G. Münzel, Die Predella an Baldungs Hochaltar im Freiburger Münster und ihr Meister, Schauinsland 46,
1919, S. 1.
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