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Oberrheinische Kunst — 3.1928

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Schmidt, Marie Luise: Der Lettner im Breisacher Münster
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https://doi.org/10.11588/diglit.53860#0097

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Marie Luise Schmidt / Der Lettner im Breisacher Münster

Der Lettner im Breisacher Münster
Von Marie Luise Schmidt
Der gotische Chorschluß des Münsters in Breisach wird von dem romanischen Langhaus durch
einen spätgotischen Lettner getrennt. Dieser Lettner (Taf. 58) baut sich von einer festen Rückwand aus, die
in die östlichen Vierungspfeiler eingespannt ist, in die Vierung vor. Er öffnet sich nach den Seiten in
einer, nach dem Mittelschiff zu in fünf Arkaden, deren Spannweiten rund 1,80 m betragen. Er wird
überwölbt von einem Netzgewölbe, dessen Rippen sich unvermittelt aus den Arkadenpfeilern, bzw. aus
den schlanken, der Rückwand vorgelegten Säulchen entwickeln. Die Rippenprofile sind auf das einfachste
gebildet. Über dem Netzgewölbe ruht, von der Wand und den Arkaden getragen, eine Plattform, welche
die ganze Länge des Lettners einnimmt. Sie wird von einer 1 m hohen Maßwerkbrüstung umzogen. Die
Lettnerrückwand öffnet sich nach dem Chor in zwei Türen, die zu Seiten eines mit Maßwerk geschmückten
breiten Mittelfensters liegen. Durch die Türen gelangt man über vier niedrige Stufen hinweg in den Chor.
Nach der Chorseite zeigt sich die Lettnerwand ungegliedert. Zwei Treppen beginnen hier im rechten
Winkel zur Lettnerwand, biegen nach wenigen Stufen um und führen parallel zu ihr empor auf die
Lettnerplattform.
Aus den Arkadenpfeilern des Lettners entwickeln sich breite Spitzbogen, welche die gleiche Profi-
lierung haben wie das sie füllende Maßwerk; denn den eigentlichen Abschluß bilden geschwungene Esels-
rücken, die neben den Spitzbogen aus den Pfeilern hervorkommen, neben ihnen herlaufen und erst kurz
vor dem Scheitel sich loslösen, um die Maßwerkbrüstung der Plattform zu überschneiden und oben in
mächtigen Kreuzblumen zu schließen.
Den Pfeilern sind dünne Säulchen vorgelegt, die in schraubenförmigen Drehungen beginnen. Sie
tragen in 5,30 m Höhe ein Kapitell, das aus einem eigentlichen festen Kern besteht, um den phantastisch
gehöhltes Blattwerk und wirres von Beerenbüscheln durchsetztes Geäst gleichsam „geklebt“ zu sein scheint.
Auf den Kapitellen stehen unter schlank aufschießenden Baldachinen ca. 1 m hohe Figuren. Die Baldachine
erreichen die Höhe der Kielbogenkreuzblumen und schließen in der gleichen Horizontale. Die zwei Eckpfeiler
sind besonders betont, indem der gleiche Schmuck in kleinerem Maßstabe der Ecke noch einmal vorgelegt ist.
Der einzige Schmuck der Chorseite des Lettners ist eine vollplastische Verkündigungsdarstellung
(Taf. 48, Abb. 1). Zwischen den Türen und dem Fenster ist der Wand je eine dünne Säule vorgelegt; auf
glattem mit Blattgeschlinge umranktem Kapitell steht nördlich die Gestalt des Engels, südlich die der Maria,
beide gekrönt von Baldachinen. Die Halbfigur Gott-Vaters ist über dem Mittelfenster angebracht, sehr
schlecht sichtbar infolge der Treppenanlage.
An der Vorderseite der Lettnerrückwand sind über den Oeffnungen zum Chor die Wappen Vorder-
österreichs, des Reiches und der Stadt Breisach angebracht.
Die Zwickel zwischen den Kielbogen und Spitzbogen der Vorderarkaden füllen abwechselnd Engel
und Blattgeschlinge aus. Krause und quellende Krabben springen aus den Kielbogen hervor. Hinter diesen
Krabben ist die Lettnervorderseite durch halbierte, gestelzte Vierpässe gegliedert.
Es ist für den Breisacher Lettner charakteristisch, daß trotz des Aufwandes an spätgotischen Schmuck-
formen die architektonische Gliederung bestimmend für seinen Eindruck ist.

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