Marie Luise Schmidt
Die architektonischen Elemente, die den Typus des Breisacher Lettners bestimmen, sind: feste
Rückwand und vorgelagerte Arkadenreihe, auf denen eine durchgehende Plattform ruht. (Bühne! vergl.
Greischel: Die sächsisch-thüringischen Lettner des 13. Jahrhunderts. Diss. Freiburg 1914) In zweiter Linie
sind die Anordnung und Zahl der Öffnungen zum Chor und die Treppenanlage für den Aufbau wesentlich.
In den Hauptelementen seines Aufbaues folgt der Breisacher Lettner dem meist verbreiteten Typus.
Nicht nur alle französischen Lettner, von denen man weiß, gehören ihm an, sondern auch die überwiegende
Mehrzahl der erhaltenen deutschen Lettner von der Mitte des 13. bis in das 16. Jahrhundert hinein1.
Die Zahl der Arkaden wechselt bei deutschen Lettnern zwischen drei, fünf und sieben. Wenn
Rademacher die Entwicklung derart annimmt, daß drei Arkaden das ursprüngliche waren, und erst im
Laufe der Jahrhunderte die Zahl zugenommen habe, so ist das ein Irrtum2. Der Straßburger Lettner,
kurz vor der Mitte des 13. Jahrhunderts, zeigte bereits sieben Arkaden.
Vierzehn Standfigürchen bilden den plastischen Schmuck des Breisacher Lettners. Zum Haupt-
thema ist die Anbetung der heiligen drei Könige gewählt, in Erinnerung an die alte Breisacher Tradition,
daß die Reliquien dieser drei Könige eine Nacht lang im Münster gestanden haben sollen, als sie 1164
nach der Zerstörung von Mailand nach Köln gebracht wurden.
Auf lokale Tradition geht ferner die Darstellung der Stadtpatrone Gervasius und Protasius (Gerva-
sius an der nördlichen, Protasius an der südlichen Schmalseite) und des Kirchenpatrons Stephanus zurück.
Daß aber Maria an diesem Lettner, wie an den meisten des 15. Jahrhunderts, die Hauptfigur ist,
sieht man daran, daß die übrigen Statuen nur im Zusammenhang mit ihr zu denken sind. Außer Joseph
sind es ihre Eltern, Joachim und Anna. Joachim steht nächst dem Chor an der nördlichen, Anna an der
südlichen Schmalseite. Die zwei kleineren Eckkonsolen tragen zwei weibliche Heilige, die südliche Barbara
mit Kelch und Turm, die nördliche eine gleichfalls gekrönte Heilige.
An der Rückwand des Lettners sind die zwei Statuen einer Verkündigungsdarstellung angebracht.
Diese Aufstellung ist einzigartig und läßt sich damit erklären, daß ursprünglich die Figuren an einer
anderen Stelle gestanden haben (vielleicht an den beiden östlichen Vierungspfeilern), und daß sie erst beim
Lettnerbau an die Lettnerrückwand versetzt wurden. Für diese Behauptung spricht der von den Lettner-
figuren abweichende Stil der Verkündigungsdarstellung3.
Die Ikonographie des Breisacher Lettners ist typisch für das 15. Jahrhundert. Im Gegensätze zum
13. Jahrhundert, in dem an dieser Stelle fast ausschließlich die Passion Christi oder das Weltgerichtsthema
gestaltet wurde, griff man im 15. Jahrhundert zu den verschiedensten Stoffen, wenn es sich um die
Ausgestaltung des Lettners handelte. Je weiter das Jahrhundert fortschritt, in je bunterer Fülle stellten
sich die Themen ein. Jede Kirche wollte ihren Lokalheiligen zu Worte kommen lassen, daneben suchte
man die Legenden, die jeweils mit dem Orte verknüpft waren, in der Lettnerplastik zu gestalten4. Allen
1 Die französischen Lettner- unterscheiden sich in der Tür- und Treppenanlage, vgl. Greischel^ a. a. O., S. 34 ff.
2 Rademacher, Franz: Die Kanzel in ihrer archäologischen und künstlerischen Entwicklung in Deutschland bis
zum Ende der Gotik. Zeitschr. für Christi. Kunst 1921.
3 Ein analoger Fall liegt in Erfurt am Lettner der Predigerkirche vor, wo eine Verkündigung von ca. 1375 am
Lettner von 1410 aufgestellt ist. In Breisach kann es sich allerdings nur um eine Zeitspanne von einem Jahrzehnt un-
gefähr handeln.
4 Nur Westfalen bildet in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Man hielt an dem neutralen Apostelthema bis ins
16. Jahrhundert fest, weshalb dort der Lettner den Namen »Apostelgang« erhielt.
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Die architektonischen Elemente, die den Typus des Breisacher Lettners bestimmen, sind: feste
Rückwand und vorgelagerte Arkadenreihe, auf denen eine durchgehende Plattform ruht. (Bühne! vergl.
Greischel: Die sächsisch-thüringischen Lettner des 13. Jahrhunderts. Diss. Freiburg 1914) In zweiter Linie
sind die Anordnung und Zahl der Öffnungen zum Chor und die Treppenanlage für den Aufbau wesentlich.
In den Hauptelementen seines Aufbaues folgt der Breisacher Lettner dem meist verbreiteten Typus.
Nicht nur alle französischen Lettner, von denen man weiß, gehören ihm an, sondern auch die überwiegende
Mehrzahl der erhaltenen deutschen Lettner von der Mitte des 13. bis in das 16. Jahrhundert hinein1.
Die Zahl der Arkaden wechselt bei deutschen Lettnern zwischen drei, fünf und sieben. Wenn
Rademacher die Entwicklung derart annimmt, daß drei Arkaden das ursprüngliche waren, und erst im
Laufe der Jahrhunderte die Zahl zugenommen habe, so ist das ein Irrtum2. Der Straßburger Lettner,
kurz vor der Mitte des 13. Jahrhunderts, zeigte bereits sieben Arkaden.
Vierzehn Standfigürchen bilden den plastischen Schmuck des Breisacher Lettners. Zum Haupt-
thema ist die Anbetung der heiligen drei Könige gewählt, in Erinnerung an die alte Breisacher Tradition,
daß die Reliquien dieser drei Könige eine Nacht lang im Münster gestanden haben sollen, als sie 1164
nach der Zerstörung von Mailand nach Köln gebracht wurden.
Auf lokale Tradition geht ferner die Darstellung der Stadtpatrone Gervasius und Protasius (Gerva-
sius an der nördlichen, Protasius an der südlichen Schmalseite) und des Kirchenpatrons Stephanus zurück.
Daß aber Maria an diesem Lettner, wie an den meisten des 15. Jahrhunderts, die Hauptfigur ist,
sieht man daran, daß die übrigen Statuen nur im Zusammenhang mit ihr zu denken sind. Außer Joseph
sind es ihre Eltern, Joachim und Anna. Joachim steht nächst dem Chor an der nördlichen, Anna an der
südlichen Schmalseite. Die zwei kleineren Eckkonsolen tragen zwei weibliche Heilige, die südliche Barbara
mit Kelch und Turm, die nördliche eine gleichfalls gekrönte Heilige.
An der Rückwand des Lettners sind die zwei Statuen einer Verkündigungsdarstellung angebracht.
Diese Aufstellung ist einzigartig und läßt sich damit erklären, daß ursprünglich die Figuren an einer
anderen Stelle gestanden haben (vielleicht an den beiden östlichen Vierungspfeilern), und daß sie erst beim
Lettnerbau an die Lettnerrückwand versetzt wurden. Für diese Behauptung spricht der von den Lettner-
figuren abweichende Stil der Verkündigungsdarstellung3.
Die Ikonographie des Breisacher Lettners ist typisch für das 15. Jahrhundert. Im Gegensätze zum
13. Jahrhundert, in dem an dieser Stelle fast ausschließlich die Passion Christi oder das Weltgerichtsthema
gestaltet wurde, griff man im 15. Jahrhundert zu den verschiedensten Stoffen, wenn es sich um die
Ausgestaltung des Lettners handelte. Je weiter das Jahrhundert fortschritt, in je bunterer Fülle stellten
sich die Themen ein. Jede Kirche wollte ihren Lokalheiligen zu Worte kommen lassen, daneben suchte
man die Legenden, die jeweils mit dem Orte verknüpft waren, in der Lettnerplastik zu gestalten4. Allen
1 Die französischen Lettner- unterscheiden sich in der Tür- und Treppenanlage, vgl. Greischel^ a. a. O., S. 34 ff.
2 Rademacher, Franz: Die Kanzel in ihrer archäologischen und künstlerischen Entwicklung in Deutschland bis
zum Ende der Gotik. Zeitschr. für Christi. Kunst 1921.
3 Ein analoger Fall liegt in Erfurt am Lettner der Predigerkirche vor, wo eine Verkündigung von ca. 1375 am
Lettner von 1410 aufgestellt ist. In Breisach kann es sich allerdings nur um eine Zeitspanne von einem Jahrzehnt un-
gefähr handeln.
4 Nur Westfalen bildet in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Man hielt an dem neutralen Apostelthema bis ins
16. Jahrhundert fest, weshalb dort der Lettner den Namen »Apostelgang« erhielt.
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