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Oberrheinische Kunst — 3.1928

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v. Schneider, A.: Der "Seneca" des Rubens in der Karlsruher Kunsthalle
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https://doi.org/10.11588/diglit.53860#0180

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Notizen

Der „Seneca“ des Rubens in der Karlsruher Kunsthalle
Von A. v. Schneider
Die Badische Kunsthalle besitzt ein lebensgroßes Brustbild eines „Seneca“, das der Katalog von Kölitz
(8. Aufl. 1920) unter Nr. 78 als Rubens verzeichnet (Taf. 72 Abb. 2)1. Die älteren Galerieinventare schreiben es
abwechselnd der Rubensschule und Erasmus Quellinus zu2, in der kunsthistorischen Literatur hat es nur in
den Schriften Oldenbourgs Erwähnung gefunden. Dieser hochverdiente, leider viel zu früh verstorbene Rubens-
forscher hält den Karlsruher „Seneca“ für eine „eigenhändige Kopie“ nach dem „sterbenden Seneca“ der
Münchner Alten Pinakothek (Nr. 305) und fügt seiner Behauptung hinzu, daß wir hier das verloren geglaubte
Porträt des Philosophen vor uns haben, welches Rubens für seinen Freund Balthasar Moretus um das Jahr
1616 malte3.
Prüfen wir zunächst die von Oldenbourg behauptete Beziehung des Karlsruher Gemäldes zu dem
Münchner „Seneca“ nach, so ergibt sich, daß von einer „Kopie“ des Karlsruher Kopfes nach dem Münchner
Bilde keine Rede sein kann4. Die beiden Gemälde zeigen wohl eine oberflächliche Ähnlichkeit, die sich vor
allem in der Faceansicht und dem schmerzlichen Augenaufschlag ausdrückt, aber ebensosehr eine Reihe von
deutlichen Abweichungen.. Dazu gehört der spärliche Haarwuchs des Münchner „Seneca“ gegenüber der
reichen Lockenbildung auf dem Scheitel seines Gegenparts und die verschiedene Bartform — hier in zwei
Büscheln breit ausladend, dort spitz zulaufend. Ferner ist der Schädel des Münchner Philosophen im Ver-
hältnis zu seiner mächtigen Schulterbreite kleiner als dei' des Karlsruher „Seneca“, der auf viel schmäleren
und stärker abfallenden Schultern sitzt. Endlich sei noch die Drapierung des linken Armes und der linken
Brustseite beim Karlsruher Bilde erwähnt, welche die Münchner Fassung durch ein Lendentuch ersetzt.
Aber auch die Eigenhändigkeit des Karlsruher Gemäldes läßt sich bei einem genauen Vergleich mit
der Malerei des Münchner Philosophen durchaus nicht mit Sicherheit erweisen. Im Gegenteil. Gewiß wird

1 Eichenholz 64x50 cm.
2 Als Quellinus bezeichnet den „Seneca“ die „Beschreibung der in der Großh. Gemäldegalerie sich vorfindenden
sämtlichen Ölgemälde vom Jahre 1825“ Nr. 242. Großh. Haus- und Staatsarchiv II. Haus- und Hofsachen. Gemäldegalerie.
Fasz. 12a und das „Verzeichnis der Kunstgegenstände in der Großh. Kunsthalle in Karlsruhe vom Jahre 1852“ Nr. 127, als
Rubensschule der Katalog der Großh. Kunsthalle vom Jahre 1887 Nr. 179.
3 Vgl. R. Oldenbourg, P. P. Rubens. München und Berlin 1922, S. 154, und ebenso spricht er in der vierten, neu-
bearbeiteten Auflage der Klassiker der Kunst, Berlin 1921, S. 456, anläßlich einer Anmerkung über das Münchner Seneca-
bild von einer „vorzüglichen, wahrscheinlich auf Rubens selbst zurückgehenden Wiederholung des Kopfes des Seneca in
der Karlsruher Galerie“.
4 Der größeren Deutlichkeit halber reproduzieren wir hier anstatt des Münchner Gemäldes den Stich von A. Voet.
(Taf. 73 Abb. 1).
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