Sauer, Nachruf Dr, Willy F. Stork
Dr. Willy F. Storck (Karlsruhe)
gest. 50. August 1927
Von Josef Sauer
Mit dem am 30. August nach langem, schwerem Siechtum erfolgten Tod ihres Leiters hat die Badische Kunst-
halle einen schwer auszugleichenden Verlust erlitten. War doch da, mitten in rüstigster Arbeit und in großen weitschauenden
Plänen, eine Persönlichkeit zusammengebrochen, die diesem Kunstinstitut neue Impulse gegeben und mit jugendlicher
Tatkraft neue Wege gewiesen, darüber hinaus aber auch der Kunstpflege über das ganze alemannische Kultur gebiet
Anregung vermittelt hatte, zu einer Zeit noch, da das Schicksal sie schon gezeichnet und ihre Spannkraft gelähmt hatte.
Storck kam in die praktische Tätigkeit von der Kunstgeschichte her. In Wörrstadt (Hessen) 1889 geboren, hatte
er in Heidelberg und Berlin von 1907 bis 1910 ihrem Studium obgelegen und es bei Thode mit der Dissertation über
die »Legende von den 3 Lebenden und den 3 Toten« (Tübingen 1910, Laupp) abgeschlossen. Abgesehen von den positiven
Ergebnissen seiner Untersuchung über den Ursprung und die Entwicklung dieses Motives, wird das gründliche und
erschöpfende Verzeichnis aller Darstellungen dauernden Wert behalten. Einzelfragen des Themas behandelte er noch in
verschiedenen Zeitschriften (Zeitschrift f. bild. Kunst, N. F. XII, S.302 ff.; Zeitschrift f. deutsche Philologie XLII, S. 122 ff;
Bepert. f. Kunstwissensch. XXXIII, 8.1931!.). Nach der Theorie kam alsbald die praktische Schulung an der Mannheimer
Kunsthalle, an der Storck 9 Jahre hindurch (1910—1919) als Assistent Wicherts und während des Krieges auch zeitweilig
als sein Stellvertreter Aufbau, Bedeutung und Aufgaben einer neuzeitig geleiteten Museumssammlung kennenlernte. Mit der
gründlich vorbereiteten und überaus erfolgreich ausgefallenen Ausstellung »Das badische Volk im Bilde« beschloß Storck 1919
seine Mannheimer Wirksamkeit, um sie in Karlsruhe an der Spitze der »Kunsthalle« in leitender Stellung fortzusetzen.
Er brachte in die Residenz alles mit, was zur Lösung einer in die trübste Zeit des deutschen Volkes fallenden riesen-
haften Aufgabe nötig war, gründliche Durchbildung und hingehendes Verständnis der alten wie neuen Kunst, Feuereifer
und Zähigkeit auch noch so großen Schwierigkeiten gegenüber, neue und gesunde Gedanken zur Erfassung und Befriedigung
der Gegenwartsverhältnisse, Findigkeit durch alle materiellen Nöten hindurch sicher und fest das Ziel im Auge zu behalten
und vor allem auch unbeugsame Tatkraft und großes organisatorisches Talent. Was er in Karlsruhe anstrebte und als
Wunsch für jede Kunstsammlung empfand, hat er in der temperamentvollen Programmschrift »Die Museen und das
Ausstellungswesen« (1920) den weitesten Kreisen bekanntgegeben. Aus toten Magazinen mit versteinertem Inhalt sollen die
Kunstsammlungen wirksame Bildungsstätten des Volkes, »lebendigeWesen werden, die Lebenskraft enthalten und ausströmen«.
Zunächst galt es, die von ihm zur »Kunsthalle« umgetaufte Gemäldegalerie gründlich neu zu ordnen und in
einen Zustand zu bringen, der ein ungehindertes Studium wie einen ungetrübten ästhetischen Genuß ermöglichte. Erst
heute kommen die unvergleichlichen Schätze altdeutscher Kunst des Oberrheines, durch Storck aus ihrem unwürdigen
Versteck im Obergeschoß heruntergeholt, in logisch organischem Zusammenhang und in einer ihrer Bedeutung würdigen
Weise zur Schau gebracht, in ihrer ganzen, den Besucher packenden Größe und Tiefe zur Geltung. Was Storck in kurzer
Zeit hier leistete, war eine Tat, die ebenso sein Organisationstalent wie sein wahrhaft künstlerisches Empfinden offenbarte.
Dabei hatte er mitten in den Nöten der Inflation die Sammlung um eine Anzahl glücklichster Erwerbungen zu bereichern
gewußt, von denen nur die der herrlichen Triptychontafel einer Kreuzigung fränkischer Art, der einen schon vorhandenen
Besitz ergänzenden Passionstafel des Hausbuchmeisters, des Bildnisses einer Alten von Hans Baldung, die der zwei aus
Hirscherschem Besitz stammenden Altarflügel aus Kehl vom Jahre 1505 als wahre Perlen genannt seien. Mit dem Aufspeichern
und dem noch so wirkungsvollen Aufstellen der Bilderschätze sah der Verstorbene seine Aufgabe aber nicht erledigt an;
für ihn sollten sie kein totes Kapital bleiben, vielmehr ihr Leben auch weiterhin ins Volk ausstrahlen. Durch Ausstellungen
verschiedenster Art sollte dieses Ziel angestrebt werden. Darum hat er mit einer fieberhaften Unermüdlichkeit und
erstaunlichen Findigkeit das Ausstellungswesen hier im Süden organisiert, Ausstellungen von Kunstwerken eigenen wie
fremden Besitzes unter irgendeinem einheitlichen Gesichtspunkt oder aus lokalen Bedürfnissen heraus, zu didaktischen
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Dr. Willy F. Storck (Karlsruhe)
gest. 50. August 1927
Von Josef Sauer
Mit dem am 30. August nach langem, schwerem Siechtum erfolgten Tod ihres Leiters hat die Badische Kunst-
halle einen schwer auszugleichenden Verlust erlitten. War doch da, mitten in rüstigster Arbeit und in großen weitschauenden
Plänen, eine Persönlichkeit zusammengebrochen, die diesem Kunstinstitut neue Impulse gegeben und mit jugendlicher
Tatkraft neue Wege gewiesen, darüber hinaus aber auch der Kunstpflege über das ganze alemannische Kultur gebiet
Anregung vermittelt hatte, zu einer Zeit noch, da das Schicksal sie schon gezeichnet und ihre Spannkraft gelähmt hatte.
Storck kam in die praktische Tätigkeit von der Kunstgeschichte her. In Wörrstadt (Hessen) 1889 geboren, hatte
er in Heidelberg und Berlin von 1907 bis 1910 ihrem Studium obgelegen und es bei Thode mit der Dissertation über
die »Legende von den 3 Lebenden und den 3 Toten« (Tübingen 1910, Laupp) abgeschlossen. Abgesehen von den positiven
Ergebnissen seiner Untersuchung über den Ursprung und die Entwicklung dieses Motives, wird das gründliche und
erschöpfende Verzeichnis aller Darstellungen dauernden Wert behalten. Einzelfragen des Themas behandelte er noch in
verschiedenen Zeitschriften (Zeitschrift f. bild. Kunst, N. F. XII, S.302 ff.; Zeitschrift f. deutsche Philologie XLII, S. 122 ff;
Bepert. f. Kunstwissensch. XXXIII, 8.1931!.). Nach der Theorie kam alsbald die praktische Schulung an der Mannheimer
Kunsthalle, an der Storck 9 Jahre hindurch (1910—1919) als Assistent Wicherts und während des Krieges auch zeitweilig
als sein Stellvertreter Aufbau, Bedeutung und Aufgaben einer neuzeitig geleiteten Museumssammlung kennenlernte. Mit der
gründlich vorbereiteten und überaus erfolgreich ausgefallenen Ausstellung »Das badische Volk im Bilde« beschloß Storck 1919
seine Mannheimer Wirksamkeit, um sie in Karlsruhe an der Spitze der »Kunsthalle« in leitender Stellung fortzusetzen.
Er brachte in die Residenz alles mit, was zur Lösung einer in die trübste Zeit des deutschen Volkes fallenden riesen-
haften Aufgabe nötig war, gründliche Durchbildung und hingehendes Verständnis der alten wie neuen Kunst, Feuereifer
und Zähigkeit auch noch so großen Schwierigkeiten gegenüber, neue und gesunde Gedanken zur Erfassung und Befriedigung
der Gegenwartsverhältnisse, Findigkeit durch alle materiellen Nöten hindurch sicher und fest das Ziel im Auge zu behalten
und vor allem auch unbeugsame Tatkraft und großes organisatorisches Talent. Was er in Karlsruhe anstrebte und als
Wunsch für jede Kunstsammlung empfand, hat er in der temperamentvollen Programmschrift »Die Museen und das
Ausstellungswesen« (1920) den weitesten Kreisen bekanntgegeben. Aus toten Magazinen mit versteinertem Inhalt sollen die
Kunstsammlungen wirksame Bildungsstätten des Volkes, »lebendigeWesen werden, die Lebenskraft enthalten und ausströmen«.
Zunächst galt es, die von ihm zur »Kunsthalle« umgetaufte Gemäldegalerie gründlich neu zu ordnen und in
einen Zustand zu bringen, der ein ungehindertes Studium wie einen ungetrübten ästhetischen Genuß ermöglichte. Erst
heute kommen die unvergleichlichen Schätze altdeutscher Kunst des Oberrheines, durch Storck aus ihrem unwürdigen
Versteck im Obergeschoß heruntergeholt, in logisch organischem Zusammenhang und in einer ihrer Bedeutung würdigen
Weise zur Schau gebracht, in ihrer ganzen, den Besucher packenden Größe und Tiefe zur Geltung. Was Storck in kurzer
Zeit hier leistete, war eine Tat, die ebenso sein Organisationstalent wie sein wahrhaft künstlerisches Empfinden offenbarte.
Dabei hatte er mitten in den Nöten der Inflation die Sammlung um eine Anzahl glücklichster Erwerbungen zu bereichern
gewußt, von denen nur die der herrlichen Triptychontafel einer Kreuzigung fränkischer Art, der einen schon vorhandenen
Besitz ergänzenden Passionstafel des Hausbuchmeisters, des Bildnisses einer Alten von Hans Baldung, die der zwei aus
Hirscherschem Besitz stammenden Altarflügel aus Kehl vom Jahre 1505 als wahre Perlen genannt seien. Mit dem Aufspeichern
und dem noch so wirkungsvollen Aufstellen der Bilderschätze sah der Verstorbene seine Aufgabe aber nicht erledigt an;
für ihn sollten sie kein totes Kapital bleiben, vielmehr ihr Leben auch weiterhin ins Volk ausstrahlen. Durch Ausstellungen
verschiedenster Art sollte dieses Ziel angestrebt werden. Darum hat er mit einer fieberhaften Unermüdlichkeit und
erstaunlichen Findigkeit das Ausstellungswesen hier im Süden organisiert, Ausstellungen von Kunstwerken eigenen wie
fremden Besitzes unter irgendeinem einheitlichen Gesichtspunkt oder aus lokalen Bedürfnissen heraus, zu didaktischen
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