Der Lettner im Breisacher Münster
schon überschneiden sich die Maßwerkstäbe, um unvermittelt abzubrechen. Dies Motiv des plötzlichen
Abbrechens läßt sich erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nachweisen. Im norddeutschen Back-
steingebiet und in Westfalen kommt es nie vor. So kompliziert z. B. das Zwickelwerk des Halberstädter
Lettners durchgeführt ist (Taf. 41, Abb. 6), stets münden die Linien ineinander. In Oberdeutschland scheint das
Abbrechen allgemein verbreitet gewesen zu sein. In Augsburg zeigen das Fenstermaßwerk, das Portal der
Ulrichskirche und das Simpertuschörlein ebenfalls die abgebrochenen Stäbe. Daß man aus den Endigungen
eine Bandschleife machte wie am Augsburger Portal (Taf. 41, Abb. 5), das ist allerdings am Oberrhein
ausgeschlossen. Eine gemalte Analogie des Breisacher Maßwerkes bietet wieder der Isenheimer Altar,
wogegen die Augsburger Formen in den Bildern des älteren Holbein wiederkehren. (Vgl. die Abbildungen
bei Glaser: Altdeutsche Malerei, 1924, S. 294/95, 297.)
Das Verhältnis des Breisacher Arkadenmaßwerkes zu dem Fenstermaßwerk der Laurentiuskapelle
entspricht der Stellung ihrer Maßwerkbrüstungen zueinander. Während an der Laurentiuskapelle klein-
teilige Formen sich unentwirrbar ineinander schlingen, beschränkt sich das Breisacher Maßwerk auf einige
große Linien. Es scheint also wiederum älter als das der Laurentiuskapelle zu sein.
Das Maßwerk der Langhausfenster in der Peterskirche zu Heidelberg (Taf. 41, Abb. 5), die 1485—1496
erbaut wurde, ist dem Breisacher sehr ähnlich. Die geometrischen Formen sind dieselben, nur findet
sich in Heidelberg das Abbrechen der Stäbe nicht.
Alles zusammengenommen, wird die Annahme, den Breisacher Lettner in die Zeit des Straßburger
Laurentiusportales zu datieren, auch durch sein Arkadenmaßwerk nicht umgestoßen.
Die Baldachine, welche die Figuren der Front- und Schmalseiten schirmen, sind nicht so gut
gestaltet wie die anderen Schmuckformen des Lettners. Ein Vergleich mit den Baldachinen der Straßburger
Kanzel oder des Laurentiusportales zeigt ihre Dürftigkeit. Sie sind trocken durchgeführt, obgleich man
sich die Mühe nahm, Abwechselung in die Formen zu bringen. Wieviel interessanter sind dagegen die
Bekrönungen der Verkündigung an der Rückseite des Lettners (Taf. 40, Abb. 1)! Es tritt deutlich zutage
zu welch verschiedenen Resultaten man bei Benutzung der gleichen Grundformen kommen konnte. Das
belebende Element sind die knorrigen, feinen Ästchen, die sich harmonisch in die feste Steinrahmung fügen.
Man denkt an Schongauers zierliches Astwerk, nur daß es in Breisach nicht so goldschmiedehaft zart ist,
sondern kräftig naturhaft. So etwas würde nicht in Schwaben überraschen, das seine Schmuckformen in
engster Anlehnung an die Natur prägte, wohl aber am Oberrhein.
An Breisach erinnert der Baldachin der Portalmadonna in Lautenbach. In beiden Orten haben
Beziehungen zum Elsaß bestanden, so daß anzunehmen ist, daß auch die Baldachinform in linksrheinischer
Kunst ihre Vorbilder hatte.
Es erübrigt sich, auf die Lettnerfiguren näher einzugehen. Ihre Stilstufe entspricht dem ausgehenden
15. Jahrhundert, in das auch die Architekturformen gewiesen haben.
Zum Schluß sei noch eine andere Arbeit im Breisacher Münster erwähnt. Es handelt sich um
die 1497 datierte Reliquiennische an der nördlichen Seite des Hochchores.
Das Angleichen des Nischenstiles an den Lettnerstil sowie auch dasselbe Material, das bei beiden
verwandt wurde, legen den Schluß nahe, daß die Nische in Verbindung mit der Lettnerwerkstatt entstanden
ist, der Lettner also auch im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts entstanden ist.
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schon überschneiden sich die Maßwerkstäbe, um unvermittelt abzubrechen. Dies Motiv des plötzlichen
Abbrechens läßt sich erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nachweisen. Im norddeutschen Back-
steingebiet und in Westfalen kommt es nie vor. So kompliziert z. B. das Zwickelwerk des Halberstädter
Lettners durchgeführt ist (Taf. 41, Abb. 6), stets münden die Linien ineinander. In Oberdeutschland scheint das
Abbrechen allgemein verbreitet gewesen zu sein. In Augsburg zeigen das Fenstermaßwerk, das Portal der
Ulrichskirche und das Simpertuschörlein ebenfalls die abgebrochenen Stäbe. Daß man aus den Endigungen
eine Bandschleife machte wie am Augsburger Portal (Taf. 41, Abb. 5), das ist allerdings am Oberrhein
ausgeschlossen. Eine gemalte Analogie des Breisacher Maßwerkes bietet wieder der Isenheimer Altar,
wogegen die Augsburger Formen in den Bildern des älteren Holbein wiederkehren. (Vgl. die Abbildungen
bei Glaser: Altdeutsche Malerei, 1924, S. 294/95, 297.)
Das Verhältnis des Breisacher Arkadenmaßwerkes zu dem Fenstermaßwerk der Laurentiuskapelle
entspricht der Stellung ihrer Maßwerkbrüstungen zueinander. Während an der Laurentiuskapelle klein-
teilige Formen sich unentwirrbar ineinander schlingen, beschränkt sich das Breisacher Maßwerk auf einige
große Linien. Es scheint also wiederum älter als das der Laurentiuskapelle zu sein.
Das Maßwerk der Langhausfenster in der Peterskirche zu Heidelberg (Taf. 41, Abb. 5), die 1485—1496
erbaut wurde, ist dem Breisacher sehr ähnlich. Die geometrischen Formen sind dieselben, nur findet
sich in Heidelberg das Abbrechen der Stäbe nicht.
Alles zusammengenommen, wird die Annahme, den Breisacher Lettner in die Zeit des Straßburger
Laurentiusportales zu datieren, auch durch sein Arkadenmaßwerk nicht umgestoßen.
Die Baldachine, welche die Figuren der Front- und Schmalseiten schirmen, sind nicht so gut
gestaltet wie die anderen Schmuckformen des Lettners. Ein Vergleich mit den Baldachinen der Straßburger
Kanzel oder des Laurentiusportales zeigt ihre Dürftigkeit. Sie sind trocken durchgeführt, obgleich man
sich die Mühe nahm, Abwechselung in die Formen zu bringen. Wieviel interessanter sind dagegen die
Bekrönungen der Verkündigung an der Rückseite des Lettners (Taf. 40, Abb. 1)! Es tritt deutlich zutage
zu welch verschiedenen Resultaten man bei Benutzung der gleichen Grundformen kommen konnte. Das
belebende Element sind die knorrigen, feinen Ästchen, die sich harmonisch in die feste Steinrahmung fügen.
Man denkt an Schongauers zierliches Astwerk, nur daß es in Breisach nicht so goldschmiedehaft zart ist,
sondern kräftig naturhaft. So etwas würde nicht in Schwaben überraschen, das seine Schmuckformen in
engster Anlehnung an die Natur prägte, wohl aber am Oberrhein.
An Breisach erinnert der Baldachin der Portalmadonna in Lautenbach. In beiden Orten haben
Beziehungen zum Elsaß bestanden, so daß anzunehmen ist, daß auch die Baldachinform in linksrheinischer
Kunst ihre Vorbilder hatte.
Es erübrigt sich, auf die Lettnerfiguren näher einzugehen. Ihre Stilstufe entspricht dem ausgehenden
15. Jahrhundert, in das auch die Architekturformen gewiesen haben.
Zum Schluß sei noch eine andere Arbeit im Breisacher Münster erwähnt. Es handelt sich um
die 1497 datierte Reliquiennische an der nördlichen Seite des Hochchores.
Das Angleichen des Nischenstiles an den Lettnerstil sowie auch dasselbe Material, das bei beiden
verwandt wurde, legen den Schluß nahe, daß die Nische in Verbindung mit der Lettnerwerkstatt entstanden
ist, der Lettner also auch im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts entstanden ist.
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