B u c h b e s p rech u ti g e n
das selbst gesehen; er hofft, der »universale Charakter der
mönchischen Ziele« der beiden Orden werde »der kunst-
geschichtlichen Betrachtung den weiten Horizont« geben
(S. 9). Es fragt sich aber doch, ob dieser Oberbegriff einer
gemeinsamen Geisteshaltung — selbst wenn die Gemein-
samkeit einer liturgisch bedingten Anlage hinzukommt —
genügt, ob die Verspannung der Denkmäler in den größeren
Zusammenhang der abendländischen Architektur nicht doch
straffer erfolgen müßte — eben damit die einzelnen Denk-
mäler besser verstanden werden könnten. Gerade bei der
Betrachtung der Hirsauer Kirchen wird das deutlich: der
stärkeren Hervorhebung der Zusammenhänge mit Burgund
auf der einen, mit den späteren Kirchen der Hirsauer in
Deutschland auf der anderen Seite, hätte doch vielleicht
manches deutlicher heraustreten lassen, — wennschon Cluny II
noch immer als Unbekannter in der Rechnung steht, soweit
es sich nicht um die liturgisch geforderte Anordnung der
Bauteile handelt, die gerade Weltler schon vor Jahren klar-
gelegt hat, — und ebenso die schärfere Absetzung gegen die
gleichzeitige Architektur außerhalb des Ordensverbandes.
Gerade im Zusammenhang des Ganzen, über die Grenzen
des württembergischen Kreises hinaus, wäre vielleicht klarer
geworden, was an diesen württembergischen Kirchen
der Hirsauer wesentlich ist: daß es sich nicht um eine
Verbindung der liturgischen Forderungen von Cluny mit
oberrheinischen Baugedanken aus dem Kreise von Limburg
handelt (S. 26 und 138), sondern daß gerade die württem-
bergischen Kirchen der Hirsauer (weil sie die frühesten
sind) offenbar mit archaistischen und retrospektiven Absichten
dem hochromanischen Bautyp, der eben damals am Ober-
undMittelrhein sich herausbildet, entgegentreten. Nicht
der Zusammenhang einzelner Formen mit der oberrheinischen
Architektur entscheidet, sondern das Neue, das in reak-
tionärem Gegensatz zu den oberrheinischen Bauten
derZeit geschaffen wird. Schließlich steht zeitlich neben
St. Peter in Hirsau nicht das Limburger Münster, sondern
der zweite Dom von Speyer. Stellt man die Reihe der
württembergischen Hirsauer Kirchen zusammen, so zeigt
sich die reaktive Absicht an jedem einzelnen Problem: die
Folge der Westlösungen etwa ist ganz bezeichnend.
St. Aurelius hatte die normale zweitürmige Fassade des
hochromanischen Stiles (1059) voll ausgebildet. St. Peter
(1082) gibt sie auf, es isoliert die Westtürme, stellt sie vor
die Front des Atriums wie St. Gallen; ursprünglich aber
sollte doch das Paar der Westtürme wohl überhaupt fehlen,
das Atrium allein sollte dem Bau vorliegen: ein altchrist-
licher Baugedanke schlägt durch, der freilich noch während
des Baues aufgegeben wird. Lorch (1102) nimmt den Ge-
danken eines Westbaues mit seitlichen Treppentürmen auf,
ähnlich dem Willigis-Bardo-Dom in Mainz um 1000 oder,
um in Schwaben zu bleiben, Brenz. (Mettlers Hinweis auf
Maria Laach leuchtet nicht recht ein — Laach ist doch
wohl später als Lorch.) Alpirsbach (1095) greift auf den
Westbau mit Emporen zurück, der doch wohl auch eine
damals schon rückständige Lösung oberitalienisch-bayrischer
Provenienz sein dürfte: Mettler weist richtig auf Reichen-
bach (1118) hin, man könnte daneben auf Prüll bei Regens-
burg verweisen (1110), und von dieser Hallenkirche aus führt
der Weg nach der Lombardei. In Deutschland ließen sich
als frühere Beispiele Gandersheim oder St. Ursula in Köln
heranziehen. In Kl ein k omburg fällt der Fassadengedanke
ganz weg. Überall also handelt es sich um eine Reduktion,
um eine Ablehnung der hochromanischen Lösung, bei
den sämtlichen Kirchen der Hirsauer im Württembergischen.
Das ist nicht nur bei dem Problem der Westfassade der
Fall: der gleiche Gedanke der Reduktion, des Widerstandes
gegen die hochromanischen Baugedanken ließe sich an dem
Verzicht auf die Wölbung der Seitenschiffe — wieder steht
das frühe, noch nicht reformierte St. Aurelius gegen St. Peter,
Alpirsbach, Kleinkomburg, Lorch — aufweisen oder an der
Beibehaltung der Säule oder am Verzicht auf das in Speyer
gleichzeitig mit St. Peter in Hirsau durchgeführte gebundene
System. (Ich muß Mettler hier leider widersprechen: der
Ausdruck »gebundenes System« ist doch wohl nur dann zu-
lässig, wenn das System augenfällig gemacht ist, nicht dann,
wenn es nur rechnerisch sich belegen läßt.) Die Absicht auf
Archaismen ist typisch für den Anfang der Bewegung, —
und dieser Anfang eben wird klar, wenn man den Kreis der
württembergischen Denkmäler gegen die gleichzeitige Bau-
kunst des Ober- und Mittelrheines und gegen die spätere
nicht-württembergische Ordensarchitektur, in Thüringen etwa,
a b s e t z t.
Aber diese Hinweise und Ergänzungen werden freilich
erst möglich durch das, was Mettler selbst durch neue Er-
forschung der einzelnen Bauten dem bisherigen Bestand
hinzugefügt hat. Die neue Rekonstruktion von Alpirsbach
etwa oder die Forschungen über die so gut wie unbekannte
Kirche von Lorch bilden allerwichtigste Beiträge zur Ge-
schichte der süddeutschen Architektur um 1100.
Deutlicher noch als bei der Besprechung der Hirsauer
Bauten wird diese ungewöhnliche Befähigung zu mono-
graphischer Darstellung eines Bauwerkes in der Analyse des
Maulbronner Klosters: hier ist zum ersten Male nach-
gewiesen, wo der Maulbronner Kirchentypus herzuleiten ist;
auf Kautzschs Forschungen aufbauend — sie sind inzwischen
in seinen »Romanischen Kirchen im Elsaß« veröffentlicht —
wird der bündige Beweis der Herkunft des Baues geführt:
das verstümmelte Querhaus mit den einbezogenen Ostkapellen,
die Einzelformen, die Gurtrippen sind aus dem Elsaß, aus
Murbach, nach Maulbronn gekommen. Über das Elsaß dringt
der oberitalisch-provenzalische Einfluß — auch die Gurtrippen
kommen von dort und nicht aus Burgund, wie Mettler und
Kautzsch annehmen — in Süddeutschland ein. Vielleicht
kann man, über Mettler hinausgehend, auch den Formen-
apparat der Ostteile von Bebenhausen mit dem Elsaß in
Beziehung bringen: der Schachbrettfries an den Kämpfern
der den Kapellenwänden vorgelegten Halbsäulen könnte, so
gut wie die Kapitellornamentik, von dort herkommen. Die
Reihe der frühgotischen Bauten in Maulbronn wird ein-
leuchtend dargestellt, ihre Kapitelle werden ausgezeichnet
analysiert und aus dem frühgotischen Formenapparat Burgunds
hergeleitet. Ob man dabei soweit geben darf, mit Mettler
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das selbst gesehen; er hofft, der »universale Charakter der
mönchischen Ziele« der beiden Orden werde »der kunst-
geschichtlichen Betrachtung den weiten Horizont« geben
(S. 9). Es fragt sich aber doch, ob dieser Oberbegriff einer
gemeinsamen Geisteshaltung — selbst wenn die Gemein-
samkeit einer liturgisch bedingten Anlage hinzukommt —
genügt, ob die Verspannung der Denkmäler in den größeren
Zusammenhang der abendländischen Architektur nicht doch
straffer erfolgen müßte — eben damit die einzelnen Denk-
mäler besser verstanden werden könnten. Gerade bei der
Betrachtung der Hirsauer Kirchen wird das deutlich: der
stärkeren Hervorhebung der Zusammenhänge mit Burgund
auf der einen, mit den späteren Kirchen der Hirsauer in
Deutschland auf der anderen Seite, hätte doch vielleicht
manches deutlicher heraustreten lassen, — wennschon Cluny II
noch immer als Unbekannter in der Rechnung steht, soweit
es sich nicht um die liturgisch geforderte Anordnung der
Bauteile handelt, die gerade Weltler schon vor Jahren klar-
gelegt hat, — und ebenso die schärfere Absetzung gegen die
gleichzeitige Architektur außerhalb des Ordensverbandes.
Gerade im Zusammenhang des Ganzen, über die Grenzen
des württembergischen Kreises hinaus, wäre vielleicht klarer
geworden, was an diesen württembergischen Kirchen
der Hirsauer wesentlich ist: daß es sich nicht um eine
Verbindung der liturgischen Forderungen von Cluny mit
oberrheinischen Baugedanken aus dem Kreise von Limburg
handelt (S. 26 und 138), sondern daß gerade die württem-
bergischen Kirchen der Hirsauer (weil sie die frühesten
sind) offenbar mit archaistischen und retrospektiven Absichten
dem hochromanischen Bautyp, der eben damals am Ober-
undMittelrhein sich herausbildet, entgegentreten. Nicht
der Zusammenhang einzelner Formen mit der oberrheinischen
Architektur entscheidet, sondern das Neue, das in reak-
tionärem Gegensatz zu den oberrheinischen Bauten
derZeit geschaffen wird. Schließlich steht zeitlich neben
St. Peter in Hirsau nicht das Limburger Münster, sondern
der zweite Dom von Speyer. Stellt man die Reihe der
württembergischen Hirsauer Kirchen zusammen, so zeigt
sich die reaktive Absicht an jedem einzelnen Problem: die
Folge der Westlösungen etwa ist ganz bezeichnend.
St. Aurelius hatte die normale zweitürmige Fassade des
hochromanischen Stiles (1059) voll ausgebildet. St. Peter
(1082) gibt sie auf, es isoliert die Westtürme, stellt sie vor
die Front des Atriums wie St. Gallen; ursprünglich aber
sollte doch das Paar der Westtürme wohl überhaupt fehlen,
das Atrium allein sollte dem Bau vorliegen: ein altchrist-
licher Baugedanke schlägt durch, der freilich noch während
des Baues aufgegeben wird. Lorch (1102) nimmt den Ge-
danken eines Westbaues mit seitlichen Treppentürmen auf,
ähnlich dem Willigis-Bardo-Dom in Mainz um 1000 oder,
um in Schwaben zu bleiben, Brenz. (Mettlers Hinweis auf
Maria Laach leuchtet nicht recht ein — Laach ist doch
wohl später als Lorch.) Alpirsbach (1095) greift auf den
Westbau mit Emporen zurück, der doch wohl auch eine
damals schon rückständige Lösung oberitalienisch-bayrischer
Provenienz sein dürfte: Mettler weist richtig auf Reichen-
bach (1118) hin, man könnte daneben auf Prüll bei Regens-
burg verweisen (1110), und von dieser Hallenkirche aus führt
der Weg nach der Lombardei. In Deutschland ließen sich
als frühere Beispiele Gandersheim oder St. Ursula in Köln
heranziehen. In Kl ein k omburg fällt der Fassadengedanke
ganz weg. Überall also handelt es sich um eine Reduktion,
um eine Ablehnung der hochromanischen Lösung, bei
den sämtlichen Kirchen der Hirsauer im Württembergischen.
Das ist nicht nur bei dem Problem der Westfassade der
Fall: der gleiche Gedanke der Reduktion, des Widerstandes
gegen die hochromanischen Baugedanken ließe sich an dem
Verzicht auf die Wölbung der Seitenschiffe — wieder steht
das frühe, noch nicht reformierte St. Aurelius gegen St. Peter,
Alpirsbach, Kleinkomburg, Lorch — aufweisen oder an der
Beibehaltung der Säule oder am Verzicht auf das in Speyer
gleichzeitig mit St. Peter in Hirsau durchgeführte gebundene
System. (Ich muß Mettler hier leider widersprechen: der
Ausdruck »gebundenes System« ist doch wohl nur dann zu-
lässig, wenn das System augenfällig gemacht ist, nicht dann,
wenn es nur rechnerisch sich belegen läßt.) Die Absicht auf
Archaismen ist typisch für den Anfang der Bewegung, —
und dieser Anfang eben wird klar, wenn man den Kreis der
württembergischen Denkmäler gegen die gleichzeitige Bau-
kunst des Ober- und Mittelrheines und gegen die spätere
nicht-württembergische Ordensarchitektur, in Thüringen etwa,
a b s e t z t.
Aber diese Hinweise und Ergänzungen werden freilich
erst möglich durch das, was Mettler selbst durch neue Er-
forschung der einzelnen Bauten dem bisherigen Bestand
hinzugefügt hat. Die neue Rekonstruktion von Alpirsbach
etwa oder die Forschungen über die so gut wie unbekannte
Kirche von Lorch bilden allerwichtigste Beiträge zur Ge-
schichte der süddeutschen Architektur um 1100.
Deutlicher noch als bei der Besprechung der Hirsauer
Bauten wird diese ungewöhnliche Befähigung zu mono-
graphischer Darstellung eines Bauwerkes in der Analyse des
Maulbronner Klosters: hier ist zum ersten Male nach-
gewiesen, wo der Maulbronner Kirchentypus herzuleiten ist;
auf Kautzschs Forschungen aufbauend — sie sind inzwischen
in seinen »Romanischen Kirchen im Elsaß« veröffentlicht —
wird der bündige Beweis der Herkunft des Baues geführt:
das verstümmelte Querhaus mit den einbezogenen Ostkapellen,
die Einzelformen, die Gurtrippen sind aus dem Elsaß, aus
Murbach, nach Maulbronn gekommen. Über das Elsaß dringt
der oberitalisch-provenzalische Einfluß — auch die Gurtrippen
kommen von dort und nicht aus Burgund, wie Mettler und
Kautzsch annehmen — in Süddeutschland ein. Vielleicht
kann man, über Mettler hinausgehend, auch den Formen-
apparat der Ostteile von Bebenhausen mit dem Elsaß in
Beziehung bringen: der Schachbrettfries an den Kämpfern
der den Kapellenwänden vorgelegten Halbsäulen könnte, so
gut wie die Kapitellornamentik, von dort herkommen. Die
Reihe der frühgotischen Bauten in Maulbronn wird ein-
leuchtend dargestellt, ihre Kapitelle werden ausgezeichnet
analysiert und aus dem frühgotischen Formenapparat Burgunds
hergeleitet. Ob man dabei soweit geben darf, mit Mettler
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