Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Oberrheinische Kunst — 3.1928

DOI Artikel:
Hahn, Charlotte: Die Dollinger-Plastik in Regensburg
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.53860#0053

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Dol 1 inger-Piastik in Regensburg

Gewandanordnung läßt uns vermuten, daß jene zwei Reiter miteinander in enger Beziehung standen. Sollte
etwa der Dollingermeister den Straßburger Fürsten gearbeitet haben? Nach dem Stich läßt sich das heute nicht
mehr entscheiden, doch gewönne die These Wahrscheinlichkeit für sich, wenn eine erhaltene Statue des
Münsters sich auf den Schöpfer der Reiterfiguren des Patriziersaales zurückführen ließe, und wirklich
findet sich in Straßburg ein eigenhändiges Werk des Meisters: das Grabmal des Lichtenberg (Taf. 21). Wir
betrachten den Kopf des verstorbenen Bischofs neben dem des reitenden Königs Heinrich (Taf. 20, Abb. 1 u. 2)
und erkennen zuerst nur Unterschiede. Die Gesichtsform schon ist anders bei beiden Fürsten, das eine
am breitesten in den Wangen, das andere am breitesten in der Stirn; auch die Frisur ist sich nicht ähnlich:
der Geistliche trägt, bis zum Ohr etwa reichend, ein kurzes Gelock, das zur Raupe sich eindreht, und
über der Stirne geschnittene Fransen, während beim König das Stirnhaar sich aufrollt, und das übrige
tief bis zum Halse herabhängt; auch der Augenschnitt ist noch einigermaßen verschieden. In Regensburg
spannt sich das Unterlid gerade, in Straßburg dagegen buchtet es aus. Trotz der angedeuteten Unterschiede
ist aber die Ähnlichkeit doch unverkennbar. Beidemal ist der Reliefgrad der gleiche. Ganz flach nur liegen
beide Augen im Kopfe, kaum abtastbar schwellen die breiten Wangen, zwei Grübchen betten den Mund
in die Fläche und gewinkelt biegt an der Schläfe die Stirn um. Aber namentlich ist der Ausdruck
identisch; dasselbe ein klein wenig gönnerhafte, doch wirklich huldvolle Neigen des Kopfes, derselbe
verschwimmende Blick in den Augen, dasselbe sehr zarte, feingeistige Lächeln und dasselbe irgendwie
Übersatte, Blasierte in diesen ganz jungen Gesichtern, deren Oberfläche so atmend erscheint. Das ist nicht
zweimal ein höfisches Antlitz, das als Zeitideal dann noch öfters begegnet, sondern so groß ist die Ausdrucks-
verwandtschaft, daß wir deutlich denselben Meister erkennen. Gerade wenn man einmal die übrigen Köpfe von
jungen Fürsten der Spätepoche neben den beiden besprochenen betrachtet, sieht man wie eng sie zusammen-
gehören. Der Würzburger König (Pinder, Mittelalterl. Plastik Würzburgs, Abb. XIII a) wirkt wesentlich
offener, lebendiger, frischer und primitiver, als jene zwar durchaus sehr kultivierten, doch ein wenig blasierten
Herren von Hofe; auch ist das Relief seines Hauptes noch stärker. Der Fürst der Welt von dem Straßburger
Münster (O. Schmitt, a. a. O., Bd. 2, Taf. 146) und der Kaiser Heinrich der Baseler Kirche zeigen
dagegen neben den Zweien so weltliche Gesichter, daß einem die zarte Durchgeistigung und jener Hauch
von Schalkhaftigkeit im behutsamen Lächeln der beiden anderen besonders reizvoll entgegentritt, ebenso wie
auch die Durchmodellierung in ihrem Antlitz ja wesentlich weicher als bei jenen spöttischen Fürsten erscheint.
Der Freiburger König der Anbetungsgruppe (O. Schmitt, Got. Skulpturen des Freiburger Münsters, Bd. 2,
Taf. 14g links) ist pedantischer, trockner und herber im Ausdruck, und die Oberfläche seines Gesichtes zeigt
nicht die lebendig geschwellte Fülle der beiden in Frage stehenden Köpfe, während das Haupt von Heinrich
dem Zänker so ganz überfeinert und sentimental, so hingegeben und ohne Willen, so in sich gekehrt und
so erdentrückt daliegt, daß der Lichtenberg und der reitende Heinrich ihm gegenüber geradezu strotzen von
Weltlichkeit und von Diesseitsfreude. Dazu ist das Antlitz des Bayerischen Herzogs im Relief noch flacher als
das der anderen. Auch der Landgraf in Marburg scheint sentimental, doch spielt um den Mund und die
Augen des Fürsten noch ein Schimmer von jenem höfischen Wesen, das bei unseren zwei Köpfen so
spürbar hervortritt, trotz der Grazie und Zartheit, mit der es geformt ward. Am ähnlichsten sieht ihnen
Gerhard von Eppstein (Abb. Hamann, Deutsche Köpfe des Mittelalters, Marburg 1922, Taf. 34), doch
fehlt in dem Antlitz des Mainzischen Bischofs der aristokratische Zug der zwei anderen. Die Verfettung
ist allzu weit fortgeschritten, die Beherrschung entfloh aus den weichlichen Zügen, und die zarte Durch-

45
 
Annotationen