Alois Siegel / Das Markusblatt zu St. Peter auf dem Schwarzwald
lierung erinnert wie die ganze Sitzhaltung an antike Vorbilder, so unantik das Bild in seiner gebundenen
Form an sich auch ist.
Es gibt nur eine Gruppe von Buchmalerei, bei der ähnlich schöne Züge festzustellen sind. Ihre Werke
sind nicht zahlreich. Aus einem Registrum Gregorii sind noch zwei Blätter übriggeblieben. Das eine noch
am Orte seiner vermutlichen Entstehung, in Trier, zeigt den hl. Gregor beim Schreiben von einem Mönch be-
lauscht; das andere ist in Chantilly. Es ist darauf Otto II. oder III. mit den huldigenden Nationen dargestellt1.
Ein Vergleich der Fältelung, der Möbel, der Mundlinien bei Otto und Markus bestätigen den ersten
Eindruck eines Zusammenhangs. Diese Reste des Registrums werden so einstimmig als das Beste ihrer
Zeit gepriesen, was künstlerische Sorgfalt, feines Empfinden für Farbe und Linie und malerisches Können
angeht, daß einzelne Namen und Aussprüche nicht angeführt zu werden brauchen. Die Zugehörigkeit
der Miniatur aus St. Peter wird bestens erwiesen durch einen Schatz der Nationalbibliothek in Paris
(Ms. lat. 8851). Durch Karl V. hat 1379 die Sainte-Chapelle dort ein goldgeschriebenes Prachtevangeliar
erhalten, das auch aus Trier kommt. Seine vier Evangelisten sind nicht gleicher Art mit unserem; der
Markus ist, wohl unter östlichem Einfluß, bärtig und mit bischöflichem Pallium dargestellt, hat aber
an Zeichnung viel mit der sorgfältigeren des Trierer Gregors gemein. Das Hauptblatt jedoch mit Christus
zwischen den Evangelisten und ihren Symbolen, zeigt in zweien der Schreiber, besonders in Johannes,
allernächste Verwandte zu unserem Markus2. Die Rückenlinie, diesmal mit drei Faltenwellen, der Sitz,
der jugendliche Kopf sind ein und dasselbe, die gerühmte Sorgfalt und Feinheit bleibt aber hinter denen
am Markus von St. Peter zurück. Trier ist als Heimat dieser Schule auch von unserem Blatt wahrschein-
lich gemacht. Dort lag um die Jahrtausendwende im Egbertevangelistar ein Werk vor, dessen unerreichte
künstlerische Höhe wirken mußte auf alle, die es sahen. Es ist unnötig Parallelen, Einflüsse zu suchen
am Markusblatt. Der größte äußert sich ohne Zweifel in der Vornehmheit des Ganzen. An der Behand-
lung des Hintergrundes, an Auge und Mund der jungen Männerköpfe, an den Spiegelungen auf glatten
Möbelflächen finden sich greifbare Anhalte für diese Behauptung.
Es gilt noch etwas den Weg abzusehen, den diese Evangelistendarstellung hinter sich haben
muß. Ihr Quell ist antik, wenn ihr nächstes Vorbild auch eine Kopie jüngerer Zeit sein kann. Ohne
die Unterschiede zu übersehen, sei hingewiesen auf den Matthäus im sogenannten Evangelienbuch Karl
d. Gr., das aus der umstrittenen Palastschule nach Aachen und von dort in den Kaiserschatz nach
Wien kam. Dort bei dem „Impressionisten“ antiker Schulung haben wir etwas, was der ursprünglichen
Vorlage unseres Künstlers ähnlich sein wird3. Dort, nicht bei den Bildern der Adahandschrift in Trier
oder allen denen, die ihr verwandt sind. Der germanische Trieb nach Linie hat sich auch dieser male-
rischen Darstellung bemächtigt, hat sie aber nicht überwältigt. Der Zeichnung hat sich die Malerei
untergeordnet, in weitem Maße sogar dienstbar gemacht. Das beanspruchte ein technisches Können und
ein künstlerisches Verstehen von größter Höhe. Es war da. Man hat den Unterschied gemacht von Schau-
und Denkbild, um antike von mittelalterlicher Kunst zu scheiden und beide zu verstehen. Man ist ver-
1 Abb. bei Sauerland-Haseloff a. a. O. Taf. 49, der Pariser Markus auf Taf. 50.
8 Abb. bei Ph. Lauer. Les enluminures romanes des manuscrits de la bibliotheque nationale. Paris 1927.
Planche LXXII.
3 Abb. bei H. Swarzenski. Vorgotische Miniaturen. Königstein-Leipzig (1927). S. 8. Variationen dieses Bildes
bei G. Swarzenski. Die karolingische Malerei und Plastik in Reims. Jahrbuch der Preuß. Kunstsammlungen XXIII (1902)
S. 81 —100 (S. 85).
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lierung erinnert wie die ganze Sitzhaltung an antike Vorbilder, so unantik das Bild in seiner gebundenen
Form an sich auch ist.
Es gibt nur eine Gruppe von Buchmalerei, bei der ähnlich schöne Züge festzustellen sind. Ihre Werke
sind nicht zahlreich. Aus einem Registrum Gregorii sind noch zwei Blätter übriggeblieben. Das eine noch
am Orte seiner vermutlichen Entstehung, in Trier, zeigt den hl. Gregor beim Schreiben von einem Mönch be-
lauscht; das andere ist in Chantilly. Es ist darauf Otto II. oder III. mit den huldigenden Nationen dargestellt1.
Ein Vergleich der Fältelung, der Möbel, der Mundlinien bei Otto und Markus bestätigen den ersten
Eindruck eines Zusammenhangs. Diese Reste des Registrums werden so einstimmig als das Beste ihrer
Zeit gepriesen, was künstlerische Sorgfalt, feines Empfinden für Farbe und Linie und malerisches Können
angeht, daß einzelne Namen und Aussprüche nicht angeführt zu werden brauchen. Die Zugehörigkeit
der Miniatur aus St. Peter wird bestens erwiesen durch einen Schatz der Nationalbibliothek in Paris
(Ms. lat. 8851). Durch Karl V. hat 1379 die Sainte-Chapelle dort ein goldgeschriebenes Prachtevangeliar
erhalten, das auch aus Trier kommt. Seine vier Evangelisten sind nicht gleicher Art mit unserem; der
Markus ist, wohl unter östlichem Einfluß, bärtig und mit bischöflichem Pallium dargestellt, hat aber
an Zeichnung viel mit der sorgfältigeren des Trierer Gregors gemein. Das Hauptblatt jedoch mit Christus
zwischen den Evangelisten und ihren Symbolen, zeigt in zweien der Schreiber, besonders in Johannes,
allernächste Verwandte zu unserem Markus2. Die Rückenlinie, diesmal mit drei Faltenwellen, der Sitz,
der jugendliche Kopf sind ein und dasselbe, die gerühmte Sorgfalt und Feinheit bleibt aber hinter denen
am Markus von St. Peter zurück. Trier ist als Heimat dieser Schule auch von unserem Blatt wahrschein-
lich gemacht. Dort lag um die Jahrtausendwende im Egbertevangelistar ein Werk vor, dessen unerreichte
künstlerische Höhe wirken mußte auf alle, die es sahen. Es ist unnötig Parallelen, Einflüsse zu suchen
am Markusblatt. Der größte äußert sich ohne Zweifel in der Vornehmheit des Ganzen. An der Behand-
lung des Hintergrundes, an Auge und Mund der jungen Männerköpfe, an den Spiegelungen auf glatten
Möbelflächen finden sich greifbare Anhalte für diese Behauptung.
Es gilt noch etwas den Weg abzusehen, den diese Evangelistendarstellung hinter sich haben
muß. Ihr Quell ist antik, wenn ihr nächstes Vorbild auch eine Kopie jüngerer Zeit sein kann. Ohne
die Unterschiede zu übersehen, sei hingewiesen auf den Matthäus im sogenannten Evangelienbuch Karl
d. Gr., das aus der umstrittenen Palastschule nach Aachen und von dort in den Kaiserschatz nach
Wien kam. Dort bei dem „Impressionisten“ antiker Schulung haben wir etwas, was der ursprünglichen
Vorlage unseres Künstlers ähnlich sein wird3. Dort, nicht bei den Bildern der Adahandschrift in Trier
oder allen denen, die ihr verwandt sind. Der germanische Trieb nach Linie hat sich auch dieser male-
rischen Darstellung bemächtigt, hat sie aber nicht überwältigt. Der Zeichnung hat sich die Malerei
untergeordnet, in weitem Maße sogar dienstbar gemacht. Das beanspruchte ein technisches Können und
ein künstlerisches Verstehen von größter Höhe. Es war da. Man hat den Unterschied gemacht von Schau-
und Denkbild, um antike von mittelalterlicher Kunst zu scheiden und beide zu verstehen. Man ist ver-
1 Abb. bei Sauerland-Haseloff a. a. O. Taf. 49, der Pariser Markus auf Taf. 50.
8 Abb. bei Ph. Lauer. Les enluminures romanes des manuscrits de la bibliotheque nationale. Paris 1927.
Planche LXXII.
3 Abb. bei H. Swarzenski. Vorgotische Miniaturen. Königstein-Leipzig (1927). S. 8. Variationen dieses Bildes
bei G. Swarzenski. Die karolingische Malerei und Plastik in Reims. Jahrbuch der Preuß. Kunstsammlungen XXIII (1902)
S. 81 —100 (S. 85).
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