Schaffhausener Scheibenrisse im Kupferstichkabinett der Eremitage
Wer der Besteller der Scheibe war, wissen wir nicht. Möglicherweise war es Johann Theobald Werlin
von Greiffenberg; er war 1564—1598 Abt von Rheinau, und von ihm heißt es, er habe das Kloster mit
ansehnlichen Gebäuden versehen.
Die Zeichnung ist 50,7 X 37 cm groß auf Papier in Feder und Tuschlavierung ausgeführt und
ausgezeichnet erhalten. Sie stammt aus der Sammlung Kobenzl (Inv. Nr. 4361).
Hier sehen wir schon Daniel Lindtmayer, den kräftigen, selbständigen Zeichner, frei vom Ein-
flüsse Stimmers. Ein bewußtes und bestimmtes künstlerisches Können, Sicherheit und Klarheit der
Zeichnung; die Federführung ist reicher in den Strichlagen und kräftig abgetönt ist die Lavierung, mit
starker Differenzierung von Licht und Schatten. Wenn in der Behandlung des Rollwerks noch ein Zu-
sammenhang mit früheren Arbeiten zu finden ist, so sind die Figuren von ganz neuer, urwüchsiger Frische.
Die Komposition ist einfach — noch nicht überladen, die Behandlung der Landschaft realistisch —
noch nicht manieriert. Diese beiden Eigenschaften finden wir in späteren Arbeiten Lindtmayers, so z. B.
in unserer dritten Zeichnung.
Im Jahre 1599 hatte Lindtmayer Schaffhausen verlassen und lebte in Luzern, dort hat er wohl
auch die Standesscheibe dieser Stadt entworfen (Taf. 67, Abb. 3). Die drei übereinandergetürmten Schilde mit
Reichsadler und Krone, die wappenhaltenden Löwen mit Reichsapfel, Speer und Fahne sind im unteren
Teil der Zeichnung in gewohnter Anordnung gegeben. Der Künstler geht hier aus dem Rahmen der
gewöhnlichen Standesscheibe heraus und gibt als Zentrum eine biblische Darstellung: Jesus im Garten
Gethsemane. Umgeben von drei schlafenden Jüngern, kniet der Herr nach links gekehrt, das Haupt in
einer strahlenförmigen Glorie. In den Wolken erscheint ein Engel mit Kreuz und Kelch. Rechts, hinter
den Jüngern, sehen wir die Kriegsknechte in den Garten eindringen. Im Hintergründe ist eine manierierte
Ideallandschaft, eine Stadt, die den Gebäuden nach nicht Luzern ist; dahinter Berge und die aufgehende
Sonne. Die ganze biblische Darstellung ist von einem architektonischen Aufbau mit Säulen und Ge-
simsen umgeben. Auf beiden Seiten stehen die Patrone des Stifts Luzern: links der heilige Leodegar,
Bischof von Autun; in der rechten Hand hält er das Pedum, in der linken den Bohrer, mit dem ihm
die Augen ausgestochen wurden. Rechts ist der heilige Moritz als Ritter, mit dem Kreuz auf der Brust
und auf dem Schilde. In den vier Ecken sind Engel angebracht, die oben einen Vorhang öffnen, unten
ins Horn blasen. — Unten auf dem Sockel sehen wir die Jahreszahl »1599«; die erste »9« ist später
vernichtet und von unbekannter Hand in eine »o« umgewandelt worden. Späteren Datums scheinen eben-
falls die unten befindlichen Initialen »fl.« und »Jß.«; zugleich mit der Veränderung der Jahreszahl
weisen sie auf eine mißglückte Fälschung der Signatur. Die Aufschrift »J. Lus«, links unten, ist wohl
auf einen Glaser und Glasmaler zurückzuführen. Ausgeführt wurde die Glasscheibe sicherlich; davon
zeugen viele rote und grüne Farbenflecken auf der Zeichnung.
Der Riß ist 41,7 X 53,7 cm groß, auf Papier mit Feder und grauer Tuschlavierung ausgeführt.
Er weist eine große Anzahl von Feuchtigkeitsflecken auf und ist früher in der Mitte quer zusammen-
gefaltet gewesen.
Einer alten Aufschrift auf der Rückseite der Zeichnung zufolge, stammt sie aus der Sammlung
des P. Vischer in Basel; hier schon wurde sie Daniel Lindtmayer zugeschrieben. Noch vor der Versteigerung,
also vor 1823, schied sie aus der Sammlung aus; sie ist im Auktionskatalog nicht genannt. Darauf war
die Zeichnung in der Sammlung Defer—Dumesnil (Nr. 46), wo sie aber als Arbeit eines unbekannten
* 165
Wer der Besteller der Scheibe war, wissen wir nicht. Möglicherweise war es Johann Theobald Werlin
von Greiffenberg; er war 1564—1598 Abt von Rheinau, und von ihm heißt es, er habe das Kloster mit
ansehnlichen Gebäuden versehen.
Die Zeichnung ist 50,7 X 37 cm groß auf Papier in Feder und Tuschlavierung ausgeführt und
ausgezeichnet erhalten. Sie stammt aus der Sammlung Kobenzl (Inv. Nr. 4361).
Hier sehen wir schon Daniel Lindtmayer, den kräftigen, selbständigen Zeichner, frei vom Ein-
flüsse Stimmers. Ein bewußtes und bestimmtes künstlerisches Können, Sicherheit und Klarheit der
Zeichnung; die Federführung ist reicher in den Strichlagen und kräftig abgetönt ist die Lavierung, mit
starker Differenzierung von Licht und Schatten. Wenn in der Behandlung des Rollwerks noch ein Zu-
sammenhang mit früheren Arbeiten zu finden ist, so sind die Figuren von ganz neuer, urwüchsiger Frische.
Die Komposition ist einfach — noch nicht überladen, die Behandlung der Landschaft realistisch —
noch nicht manieriert. Diese beiden Eigenschaften finden wir in späteren Arbeiten Lindtmayers, so z. B.
in unserer dritten Zeichnung.
Im Jahre 1599 hatte Lindtmayer Schaffhausen verlassen und lebte in Luzern, dort hat er wohl
auch die Standesscheibe dieser Stadt entworfen (Taf. 67, Abb. 3). Die drei übereinandergetürmten Schilde mit
Reichsadler und Krone, die wappenhaltenden Löwen mit Reichsapfel, Speer und Fahne sind im unteren
Teil der Zeichnung in gewohnter Anordnung gegeben. Der Künstler geht hier aus dem Rahmen der
gewöhnlichen Standesscheibe heraus und gibt als Zentrum eine biblische Darstellung: Jesus im Garten
Gethsemane. Umgeben von drei schlafenden Jüngern, kniet der Herr nach links gekehrt, das Haupt in
einer strahlenförmigen Glorie. In den Wolken erscheint ein Engel mit Kreuz und Kelch. Rechts, hinter
den Jüngern, sehen wir die Kriegsknechte in den Garten eindringen. Im Hintergründe ist eine manierierte
Ideallandschaft, eine Stadt, die den Gebäuden nach nicht Luzern ist; dahinter Berge und die aufgehende
Sonne. Die ganze biblische Darstellung ist von einem architektonischen Aufbau mit Säulen und Ge-
simsen umgeben. Auf beiden Seiten stehen die Patrone des Stifts Luzern: links der heilige Leodegar,
Bischof von Autun; in der rechten Hand hält er das Pedum, in der linken den Bohrer, mit dem ihm
die Augen ausgestochen wurden. Rechts ist der heilige Moritz als Ritter, mit dem Kreuz auf der Brust
und auf dem Schilde. In den vier Ecken sind Engel angebracht, die oben einen Vorhang öffnen, unten
ins Horn blasen. — Unten auf dem Sockel sehen wir die Jahreszahl »1599«; die erste »9« ist später
vernichtet und von unbekannter Hand in eine »o« umgewandelt worden. Späteren Datums scheinen eben-
falls die unten befindlichen Initialen »fl.« und »Jß.«; zugleich mit der Veränderung der Jahreszahl
weisen sie auf eine mißglückte Fälschung der Signatur. Die Aufschrift »J. Lus«, links unten, ist wohl
auf einen Glaser und Glasmaler zurückzuführen. Ausgeführt wurde die Glasscheibe sicherlich; davon
zeugen viele rote und grüne Farbenflecken auf der Zeichnung.
Der Riß ist 41,7 X 53,7 cm groß, auf Papier mit Feder und grauer Tuschlavierung ausgeführt.
Er weist eine große Anzahl von Feuchtigkeitsflecken auf und ist früher in der Mitte quer zusammen-
gefaltet gewesen.
Einer alten Aufschrift auf der Rückseite der Zeichnung zufolge, stammt sie aus der Sammlung
des P. Vischer in Basel; hier schon wurde sie Daniel Lindtmayer zugeschrieben. Noch vor der Versteigerung,
also vor 1823, schied sie aus der Sammlung aus; sie ist im Auktionskatalog nicht genannt. Darauf war
die Zeichnung in der Sammlung Defer—Dumesnil (Nr. 46), wo sie aber als Arbeit eines unbekannten
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