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Oberrheinische Kunst — 3.1928

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Neugass, Fritz: Franz Xaver Winterhalter-Ausstellung in Paris (Frauenporträts des zweiten Kaiserreichs)
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https://doi.org/10.11588/diglit.53860#0188

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Notizen: Franz Xaver Winterhalter-Ausstellung in Paris (Frauenporträts des zweiten Kaiserreichs)

feierten Porträtisten vom künstlerischen und nicht vom gesellschaftlichen Standpunkte aus zu beurteilen1:
»Winterhalter hat immer die Grazie gesucht und sie oft gefunden. Seine kokette und brillierende Technik
erinnert an die englische Malerei. Sein »Dekamerone« (1837) hat, obgleich ihm ernste künstlerische
Qualitäten mangeln, einen Charm, den man nicht leugnen kann. Dieser Charm ist auch in dem Bilde2 3
des diesjährigen Salon, das zu den bedeutendsten gerechnet werden muß. Winterhalter hat aber mit den
frischen und klaren Farben der Stoffe, mit der sammetweichen Haut, den braunen und blonden Haaren
nicht alle Fragen in dem Bilde gelöst. Die Gewänder sind nicht geschmeidig genug und die Farbtöne
sitzen nicht richtig. Er hat das Licht und die Leuchtkraft mißbraucht. Das Bild wird ein ausgezeichneter
Stich werden, der Grabstichel wird es harmonisieren, eine Eigentümlichkeit, die der Künstler mit Eng-
ländern wie Finden, Cousins und Robinson gemeinsam hat.« Diese Kritik bezeichnet zu dieser Zeit der
mannigfaltigsten Kunstströmungen ein liebevolles Eingehen auf einen Menschen, der dem Glück und der
Eitelkeit sein ernstes Streben und seine wahren künstlerischen Ideen geopfert hat. Es ist für Winterhalter
ein charakteristisches Zeichen, daß er sich niemals während seines Pariser Aufenthaltes mit den wandelnden
Strömungen in der Malerei auseinandergesetzt und keinerlei freundschaftliche Beziehungen mit den zeit-
genössischen Künstlern gepflogen hat. Schon während seiner Studienjahre in München zählte Winterhalter
zu dem Kreise der Piloty, Riedel und Jacobs, die man damals als Modemaler verhöhnte, weil sie gefällige
Dinge schufen, um die Käufer anzulocken. »Die Schüler Langers malten stillos, nur nach dem Geschmack
des ungebildeten gemeinen oder vornehmen Pöbels.« Und in Paris gewann diese Neigung, dank seiner
Erfolge und Anerkennung, ihren Höhepunkt. Von künstlerischen Werten ganz zu schweigen, so war doch
um die Jahrhundertmitte Winterhalter der einzige Künstler, durch den die deutsche Bildniskunst euro-
päischen Ruf und Gültigkeit erlangte. Und andererseits ist es wiederum verständlich, daß die deutsche
Kritik geschlossen gegen ihn als einen Verräter an der vaterländischen Kunst auftrat. Der Pariser Bericht-
erstatter des Tübinger »Kunstblatt« widmet schon bei der Kritik des »Salon« von 1837 seinem Lands-
mann eine eingehende Besprechung des »Dekamerone8«: ». . . Seine Gestalten hat er mit einer weichen
wollüstigen Schönheit ausgestattet, wie sie Heinse in seinen Romanen träumt und Friedrich Schlegel in
seiner Lucinde preist . . . Hie und da tritt vielleicht ein wenig Affektation hervor; manche weibliche
Köpfe erinnern an englische Kupferstiche. . .« Aber schon im nächsten Jahre beginnt er an Winterhalters
günstiger Entwicklung zu zweifeln4: »Den Porträts von Winterhalter hat die französische Kritik reichliches
Lob gespendet; sie verdienen dasselbe in bezug auf geschmackvolles Arrangement und seltene Vollendung
einzelner Toiletten stücke; allein der Maler des »Dekamerone«, der in affektierte Grazie und Farbenspielerei
zu verfallen droht, hätte eher die Strenge der Kritik, als das Übermaß von Aufmunterung verdient,
welches ihm zuteil geworden . . . Winterhalter gehört zu jenen manirierten Künstlern, gegen deren perfides,
verführerisches Talent die Kritik selbst möglichst auf ihrer Hut sein muß . . . Überhaupt ist das Streben
nach größtmöglicher Wirkung und Erfassung des Materiellen das Erste bei Winterhalter . . . Man gereicht
auf diesem Wege am Ende immer zu dem Resultat, daß das Nebenwerk die Hauptsache beherrscht.«
Und nach weiteren 4 Jahren, nachdem der Künstler seine größten Erfolge in der Pariser Gesellschaft
1 Th. Gautier, Les beaux arts en Europe. Paris 1855.
2 Kaiserin Eugenie, umgeben von ihren Hofdamen, heute im Louvre.
3 Kunstblatt, Nr. 44, 1. Juni 1837, 178.
4 Nr. 60, 26. Juli 1838, S. 239.
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