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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 8.1905

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Heft 1
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Hauser, Friedrich: Polyklets Diadumenos
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https://doi.org/10.11588/diglit.34901#0053

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Polyklets Diadumenos

43

Begreiflicherweise wird sich jedermann der Notwendigkeit dieser Folgerung
zu entziehen suchen. Denn das „mittlere canonische Ideal“, dieser herrliche, von
Overbeck in die Kunstmythologie eingeführte Begriff, erlaubt keinem kurzhaarigen
Athleten als Apollon in den Olymp einzutreten. Wenn nun aber gerade für die
Zeit, in welcher Polyklet seinen Diadumenos schuf, und wenn gerade für die
künstlerische Richtung Polyklets ein Apollon mit kurzen Haaren durchaus an-
gemessen wäre; wenn endlich gar ein Apollon im selben Motiv wie der poly-
kletische Diadumenos bekannt wäre, dann wüßte ich wirklich nicht, wie man der
angedeuteten Folgerung ausweichen könnte.
Um klar zu bleiben, wollte ich die Linie
der Beweisführung voranstellen; was sich sonst
noch beibringen läßt, sind nur Nebendinge, die
sicher nicht verneinend entscheiden können,
wenn einmal der Grundgedanke als richtig an-
erkannt werden muß.


Daß Apollon auf Monumenten der Pheidiasischen Epoche, und zwar nicht etwa
bloß als Ausnahme, kurzhaarig erscheint, ist eine Beobachtung, die wir Furtwängler
(bei Roscher I 458) verdanken. Für unsern Fall sprechen besonders klar Münzen des
chalkidischen Bundes aus der Zeit von 392—379 (Head, Historia 185; Gardner, Types
XII i2, 13), namentlich das Stück links in Fig. 12, weil der polykletische Charakter
seines Apollonkopfes ohne weiteres in die Augen springt; über der Stirne am An-
satz des .Scheitels finden wir sogar die wohlbekannte wagrecht gebürstete Locke
genau wie am Doryphoros und anderen Köpfen aus der Schule Polyklets. Wer die
von Furtwängler citierten Beispiele und die hier in der Note2) genannten sich
wirklich angesehen hat, den kann ein Haar wie am Diadumenos weder für

in den Monuments 138. Die mitgefundene Artemis
mißt allerdings nur etwa dreiviertel Lebensgröße.
2) Weitere Beispiele des Apollon mit kurzen
Haaren zählt Wernicke bei Pauly-Wissowa II 96 f.
auf. Besonders instructiv scheint mir das Über-
blicken von Münzserien einer Stadt, welche für
lange Zeit den Apollonkopf als Münzzeichen bei-
behält; hier läßt sich nämlich klar verfolgen, wie
der archaische langhaarige Typus in der zweiten
Hälfte des fünften Jahrhunderts in den kurzhaarigen
übergeht und wie dann im folgenden Jahrhundert
Apollon die Locken wieder zu wachsen beginnen.
Leider ist das Material ungenügend abgebildet in
dem älteren Brit. Mus. Cat. Sicily: Leontinoi 89 ff.;
Katana 43 ff.; bessere Abbildungen einzelner Stücke

bei Hill, Coins of Sicily. Selbst innerhalb der
relativ kurzen Entwicklung, welche die Münzen des
chalkidischen Bundes repräsentieren, läßt sich dieses
Phänomen, das Verkürzen und Wachsenlassen der
Haare verfolgen: Brit. Mus. Cat. Macedon 66 f. Das
Längerwerden auf den Münzen von Zakynthos: Brit.
Mus. Cat. Peloponnesus XIX; im Jahre 394 tritt
ein Apollon mit langen Haaren auf. Das Kürzer-
werden zu beobachten an Münzen von Kolophon,
Gardner Types IV 35. 37, wonach schon vor 431
ein ganz kurzhaariger Typus auftreten würde. Apollon
kurzhaarig und mit Taenie auf macedouischen Münzen
aus der Zeit von 392—389, Brit. Mus. Cat. Macedon
168. Sehr wertvoll für unsern Zweck scheint mir we-
gen seiner großen Ähnlichkeit mit dem Diadumenos
 
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