Zwei Denkmäler des eretrischen Dialects
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deren Zuverlässigkeit gleich die Verlesung in der zweiten Zeile APOOEI statt
ΑΓΑΘΕ I keine gute Meinung erweckt, selbstverständlich unmöglich. Kommt der
Stein wieder zum Vorschein, so läßt sich mehr hoffen. Denn von der Inschrift
aus Hag'ios Lukas bei Aliveri, die Baumeister als ,leider auch großenteils verlöscht
bezeichnet, hat er nur den mittleren Teil, nämlich zehn Zeilen abgeschrieben,
während ich, allerdings in vielstündiger, angestrengter Arbeit, Reste von sieben-
unddreißig zu entziffern fand (Έφημ. άρχ. 1892 S. 163). Über Schrift und Dialect
läßt sich, wo so wenig und dies wenige nur im Druck nach unzureichender Ab-
schrift vorliegt, kaum urteilen. Immerhin sind rhotacistische Formen zweimal
kenntlich und scheint die dem Dialect eigentümliche Kürzung der auslautenden
langen Diphtonge ηι und ωι in τύχει άγαΤει und αύτο[ϊ] Z. 9, wie bemerkt, wahr-
scheinlicher als αύτο[ϊς], anzuerkennen zu sein. Είναι steht wie Z. 4 in den beiden
von mir Έφημ. άρχ. 1890 S. 195 veröffentlichten Beschlüssen, dem Vertrage mit
Histiaia und neben έξείν in der Tempelordnung· von Oropos, είν dagegen in den
Beschlüssen Έφημ. άρχ. 1872 S. 384 und 1887 S. 77 wie in zwei Beschlüssen aus
Oropos IG VII 4250. 4251 (Syllog’e 124. 123) und in dem Vertrage des Amyntas
und der Chalkidier Sylloge 177, δίδουν έπιτιδεΓν έξείν έκτιθ-εΐν in der Tempelordnung·
aus Oropos, τιΌ-εΐν und καΕισταν in dem Beschlüsse über die Αρτεμίρία. Gehört
somit die Inschrift wahrscheinlich in die vormakedonische Zeit, so ist auch ohne
weiteres Eingehen auf die Geschichte Eretrias die Vermutung gerechtfertigt,
daß der Beschluß, unmittelbar nach dem Sturze einer Gewaltherrschaft am besten
begreiflich, im Jahre 340 v. Chr. gerade nach jener Befreiung von den Tyrannen
zustande gekommen sei, die den Eretriern zu glänzenderer Feier des Artemisfestes
und zur Stiftung eines musischen Agones Anlaß gab. Ähnlich wird von dem Gesetz
aus Ilion angenommen, es sei nach der Befreiung der Stadt von einem durch
Lysimachos eingesetzten Tyrannen beschlossen worden.
Wien. ADOLF WILHELM
Nachtrag.
Den S. 7 und 13 erwähnten Beschluß der Eretrier über die Αρτεμίρια habe
ich nunmehr Έφημ. άρχ. 1904 S. 89, die S. 10 erwähnte Inschrift aus Chalkis in
derselben Zeitschrift S. 103 besprochen. Für μεταραι in der delphischen Inschrift
S. 12 gibt der Beschluß der Sabbatisten aus Kilikien Journ. of hell. stud. XII 233
Z. 11 ff. ein Beispiel: των δε άναΤεμάτων των δντων εν τε τοΓς ναοΐς καί των έπιγεγραμ-
μένων εν τε ταΐς στήλαις καί τοΐς άναθ'έμασιν μηδενί έξέστωι μήτε άπαλεΐψαι μήτε άχρεώσαι
μήτε μεταραι. Α. W.
Jahreshefte des österr. arch'aol. Institutes Bd. VIII.
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deren Zuverlässigkeit gleich die Verlesung in der zweiten Zeile APOOEI statt
ΑΓΑΘΕ I keine gute Meinung erweckt, selbstverständlich unmöglich. Kommt der
Stein wieder zum Vorschein, so läßt sich mehr hoffen. Denn von der Inschrift
aus Hag'ios Lukas bei Aliveri, die Baumeister als ,leider auch großenteils verlöscht
bezeichnet, hat er nur den mittleren Teil, nämlich zehn Zeilen abgeschrieben,
während ich, allerdings in vielstündiger, angestrengter Arbeit, Reste von sieben-
unddreißig zu entziffern fand (Έφημ. άρχ. 1892 S. 163). Über Schrift und Dialect
läßt sich, wo so wenig und dies wenige nur im Druck nach unzureichender Ab-
schrift vorliegt, kaum urteilen. Immerhin sind rhotacistische Formen zweimal
kenntlich und scheint die dem Dialect eigentümliche Kürzung der auslautenden
langen Diphtonge ηι und ωι in τύχει άγαΤει und αύτο[ϊ] Z. 9, wie bemerkt, wahr-
scheinlicher als αύτο[ϊς], anzuerkennen zu sein. Είναι steht wie Z. 4 in den beiden
von mir Έφημ. άρχ. 1890 S. 195 veröffentlichten Beschlüssen, dem Vertrage mit
Histiaia und neben έξείν in der Tempelordnung· von Oropos, είν dagegen in den
Beschlüssen Έφημ. άρχ. 1872 S. 384 und 1887 S. 77 wie in zwei Beschlüssen aus
Oropos IG VII 4250. 4251 (Syllog’e 124. 123) und in dem Vertrage des Amyntas
und der Chalkidier Sylloge 177, δίδουν έπιτιδεΓν έξείν έκτιθ-εΐν in der Tempelordnung·
aus Oropos, τιΌ-εΐν und καΕισταν in dem Beschlüsse über die Αρτεμίρία. Gehört
somit die Inschrift wahrscheinlich in die vormakedonische Zeit, so ist auch ohne
weiteres Eingehen auf die Geschichte Eretrias die Vermutung gerechtfertigt,
daß der Beschluß, unmittelbar nach dem Sturze einer Gewaltherrschaft am besten
begreiflich, im Jahre 340 v. Chr. gerade nach jener Befreiung von den Tyrannen
zustande gekommen sei, die den Eretriern zu glänzenderer Feier des Artemisfestes
und zur Stiftung eines musischen Agones Anlaß gab. Ähnlich wird von dem Gesetz
aus Ilion angenommen, es sei nach der Befreiung der Stadt von einem durch
Lysimachos eingesetzten Tyrannen beschlossen worden.
Wien. ADOLF WILHELM
Nachtrag.
Den S. 7 und 13 erwähnten Beschluß der Eretrier über die Αρτεμίρια habe
ich nunmehr Έφημ. άρχ. 1904 S. 89, die S. 10 erwähnte Inschrift aus Chalkis in
derselben Zeitschrift S. 103 besprochen. Für μεταραι in der delphischen Inschrift
S. 12 gibt der Beschluß der Sabbatisten aus Kilikien Journ. of hell. stud. XII 233
Z. 11 ff. ein Beispiel: των δε άναΤεμάτων των δντων εν τε τοΓς ναοΐς καί των έπιγεγραμ-
μένων εν τε ταΐς στήλαις καί τοΐς άναθ'έμασιν μηδενί έξέστωι μήτε άπαλεΐψαι μήτε άχρεώσαι
μήτε μεταραι. Α. W.
Jahreshefte des österr. arch'aol. Institutes Bd. VIII.
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