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J. Six
wenn diese Behandlung auch noch zwischen den ersten eingeführten Gängen des Ein-
schlages fortgesetzt wird. So bildet sich eine Anfangsborte, die sich leicht durch
Farbenwechsel zu einem Mäander umgestalten läßt. Am Ende des Stückes wieder-
holt, gibt sie auch dort eine gute Befestigung. Es ist gewiß kein Zufall, daß noch
heute bei Ghiordes-Knüpfteppichen, die kleinasiatisch sind und noch von Gordium
ihren Namen haben, solche Borten am Anfang und Ende vorkommen49).
Es versteht sich leicht, daß dieselbe Vorrichtung auch zur Verstärkung der
Sahlkante geeignet ist, nur wird dort dann mehr Kette verbraucht als im Felde
des Gewebes, was aber, anders als bei unseren Maschinen, bei dem griechischen
Webstuhl mit der freihängenden Kette, keine besondere Vorrichtung verlangt.
Freilich wird dieser Seitenrand auch etwas voller werden, wodurch er wellig wird,
und das stimmt wieder zu der plastischen Wiedergabe des Stoffes, wie wir sie
z. B. am Parthenonfries finden, da, wie wir sahen, die Mäntel nicht mehr wie in
älterer Zeit mit der Kette horizontal getragen wurden.
Vielleicht erklärt sich sogar der breite Mittelstreifen als ursprünglich ent-
standen durch Zusammensetzung zweier Anfangsstreifen des Stoffes, zu einer Zeit,
als das Fehlen der Rolle die Länge noch zu sehr beschränkte. So werden noch
heute die breiten anatolischen Kilims häufig aus zwei Hälften zusammengesetzt,
allerdings infolge unzureichender Breite des Gewebes. Das Band kann fortbestanden
haben, auch nachdem der Entstehungsgrund weggefallen war. Auch für die kleinen
Muster im Felde ist diese Technik sehr geeignet, wie die begrenzenden Linien
der Figuren in den Sumachkilims lehren. Es versteht sich, daß dort, wo die Figur
in der Richtung der Kette eine sehr geringe Breite erheischt, der eingelegte
Draht auch an der Vorderseite nur einen Kettenfaden umschlingt. Meistens werden
wohl zwei Fäden genommen sein können.
Eine merkwürdige Bestätigung meiner Ansicht ist noch darin zu finden,
daß diese einzeln eingelegten Fäden auch die Lösung geben für die viel-
umstrittenen Umrißlinien der koptischen Gewebe (Fig. 67), die man also mit Un-
recht für nachträgliche Nadelarbeit gehalten hat, was sie gewiß ebensowenig
sind wie die ganz ähnlich angebrachten der altnordischen figurierten Gobelins.
Seit dem Ende des V. Jahrhunderts kommt auf Vasen ein neues Motiv vor,
das wieder ganz auf Gobelinarbeit weist: spitze Dreiecke vom Rande einwärts
gekehrt. Wo es mit dem viereckigen Zackenrand zusammen sich findet, wie an
einem unteritalischen Krater des Louvre50), muß es, da der erstere Sahlkante ist,
Anfangsmuster sein. Es kommt aber auch rund um den Stoff herum vor51), wo-
49) Neugebauer und Orendi a. a. O. S. 52. 51) Furtwängler u. Reichhold Taf. 96. Amphora
50) Furtwängler u. Reichhold Taf. 120, 4. mit Gigantenkampf aus Melos.
J. Six
wenn diese Behandlung auch noch zwischen den ersten eingeführten Gängen des Ein-
schlages fortgesetzt wird. So bildet sich eine Anfangsborte, die sich leicht durch
Farbenwechsel zu einem Mäander umgestalten läßt. Am Ende des Stückes wieder-
holt, gibt sie auch dort eine gute Befestigung. Es ist gewiß kein Zufall, daß noch
heute bei Ghiordes-Knüpfteppichen, die kleinasiatisch sind und noch von Gordium
ihren Namen haben, solche Borten am Anfang und Ende vorkommen49).
Es versteht sich leicht, daß dieselbe Vorrichtung auch zur Verstärkung der
Sahlkante geeignet ist, nur wird dort dann mehr Kette verbraucht als im Felde
des Gewebes, was aber, anders als bei unseren Maschinen, bei dem griechischen
Webstuhl mit der freihängenden Kette, keine besondere Vorrichtung verlangt.
Freilich wird dieser Seitenrand auch etwas voller werden, wodurch er wellig wird,
und das stimmt wieder zu der plastischen Wiedergabe des Stoffes, wie wir sie
z. B. am Parthenonfries finden, da, wie wir sahen, die Mäntel nicht mehr wie in
älterer Zeit mit der Kette horizontal getragen wurden.
Vielleicht erklärt sich sogar der breite Mittelstreifen als ursprünglich ent-
standen durch Zusammensetzung zweier Anfangsstreifen des Stoffes, zu einer Zeit,
als das Fehlen der Rolle die Länge noch zu sehr beschränkte. So werden noch
heute die breiten anatolischen Kilims häufig aus zwei Hälften zusammengesetzt,
allerdings infolge unzureichender Breite des Gewebes. Das Band kann fortbestanden
haben, auch nachdem der Entstehungsgrund weggefallen war. Auch für die kleinen
Muster im Felde ist diese Technik sehr geeignet, wie die begrenzenden Linien
der Figuren in den Sumachkilims lehren. Es versteht sich, daß dort, wo die Figur
in der Richtung der Kette eine sehr geringe Breite erheischt, der eingelegte
Draht auch an der Vorderseite nur einen Kettenfaden umschlingt. Meistens werden
wohl zwei Fäden genommen sein können.
Eine merkwürdige Bestätigung meiner Ansicht ist noch darin zu finden,
daß diese einzeln eingelegten Fäden auch die Lösung geben für die viel-
umstrittenen Umrißlinien der koptischen Gewebe (Fig. 67), die man also mit Un-
recht für nachträgliche Nadelarbeit gehalten hat, was sie gewiß ebensowenig
sind wie die ganz ähnlich angebrachten der altnordischen figurierten Gobelins.
Seit dem Ende des V. Jahrhunderts kommt auf Vasen ein neues Motiv vor,
das wieder ganz auf Gobelinarbeit weist: spitze Dreiecke vom Rande einwärts
gekehrt. Wo es mit dem viereckigen Zackenrand zusammen sich findet, wie an
einem unteritalischen Krater des Louvre50), muß es, da der erstere Sahlkante ist,
Anfangsmuster sein. Es kommt aber auch rund um den Stoff herum vor51), wo-
49) Neugebauer und Orendi a. a. O. S. 52. 51) Furtwängler u. Reichhold Taf. 96. Amphora
50) Furtwängler u. Reichhold Taf. 120, 4. mit Gigantenkampf aus Melos.