DOI issue:
Heft 1
DOI article:Bethge, Hans: Die Künstler
DOI article:Collofino: Der langschwänzige Grasaffe (cynocephalus troglodytes quadrumana cauda longa mendax Cuv.) oder Der künstliche Schellfisch
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.62259#0081
der Kinder. Der Kosmos brandet in ihrer Brust, mit Sonnen und
Sternen, feierlich, voll grosser Gesetze, wie das Meer, — zuweilen
aber auch grausig, gleich dem Chaos der Urwelt. Sie sind fromm
und zuchtlos, Priester und Spötter, Heilige und Enterbte, und ihre
hohen, durchfurchten Stirnen sind umwittert von den furchtbar
drohenden Wolken dunkelster Tragik.
Sie sind tiefste Sehnsucht, schwermütigste Bangnis und
jauchzende Glückseligkeit. Sie sind der ahnende Geist selbst,
zitternd um die Dinge und um die Rätsel des Seins. Sie sind
Musik, traumhaft herüberwehend aus einer beschwingteren Welt.
Sie sind beseelt von Edelmut und Niedertracht, unendlich kühn
und unendlich scheu, zaghaft, rücksichtslos und immer zwiespältig,
gepeinigt von der schmerzhaft gesteigerten Empfindlichkeit ihrer
Nerven, dem Tod durch eigene Hand gefahrvoll näher als irgend
ein anderer Mensch.
Sie stehen wahrhaft jenseits von Gut und Böse. Dankt ihnen,
habt Liebe zu ihnen und auch ein wenig Erbarmen. Ihre Gaben
sind edler als Gold, das Glänzen der Gestirne und die Tränen
zerquälter Nächte hängen an ihnen.
Seht ihr den Heiligenschein um ihre Häupter, das Kainszeichen
auf ihren Stirnen? In ihren Augen ist das Glühen begeisterten
Sehertums, um ihre Lippen das Zucken der Verzweiflung.
So sind die Künstler. Hans Bethge
DER LANGSCHWÄNZIGE GRASAFFE
(cynocephalus troglodytes quadrumana cauda longa mendax Cuv.)
ODER
DER KÜNSTLICHE SCHELLFISCH*
Die Kaffeeernte war uingebracht, eine ungeheure Arbeit ge-
leistet. 650 000 Sack Kaffee wurden soeben nach Santos verfrachtet,
Mich hielt es nicht länger am Ort. Hoch oben mitten in den
Urwäldern des Amazonenstromes hatte ich vor Jahresfrist eine
Versuchsplantage für künstlichen Schellfisch angelegt, und es liess
mir keine Ruhe, endlich dort nach dem Stand der Dinge zu sehen.
Der Weg war weit und beschwerlich. Es bedurfte grösserer Vor-
* Aus den „Geschichten des Collofinop Privatdruck, Köln 1918.
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Sternen, feierlich, voll grosser Gesetze, wie das Meer, — zuweilen
aber auch grausig, gleich dem Chaos der Urwelt. Sie sind fromm
und zuchtlos, Priester und Spötter, Heilige und Enterbte, und ihre
hohen, durchfurchten Stirnen sind umwittert von den furchtbar
drohenden Wolken dunkelster Tragik.
Sie sind tiefste Sehnsucht, schwermütigste Bangnis und
jauchzende Glückseligkeit. Sie sind der ahnende Geist selbst,
zitternd um die Dinge und um die Rätsel des Seins. Sie sind
Musik, traumhaft herüberwehend aus einer beschwingteren Welt.
Sie sind beseelt von Edelmut und Niedertracht, unendlich kühn
und unendlich scheu, zaghaft, rücksichtslos und immer zwiespältig,
gepeinigt von der schmerzhaft gesteigerten Empfindlichkeit ihrer
Nerven, dem Tod durch eigene Hand gefahrvoll näher als irgend
ein anderer Mensch.
Sie stehen wahrhaft jenseits von Gut und Böse. Dankt ihnen,
habt Liebe zu ihnen und auch ein wenig Erbarmen. Ihre Gaben
sind edler als Gold, das Glänzen der Gestirne und die Tränen
zerquälter Nächte hängen an ihnen.
Seht ihr den Heiligenschein um ihre Häupter, das Kainszeichen
auf ihren Stirnen? In ihren Augen ist das Glühen begeisterten
Sehertums, um ihre Lippen das Zucken der Verzweiflung.
So sind die Künstler. Hans Bethge
DER LANGSCHWÄNZIGE GRASAFFE
(cynocephalus troglodytes quadrumana cauda longa mendax Cuv.)
ODER
DER KÜNSTLICHE SCHELLFISCH*
Die Kaffeeernte war uingebracht, eine ungeheure Arbeit ge-
leistet. 650 000 Sack Kaffee wurden soeben nach Santos verfrachtet,
Mich hielt es nicht länger am Ort. Hoch oben mitten in den
Urwäldern des Amazonenstromes hatte ich vor Jahresfrist eine
Versuchsplantage für künstlichen Schellfisch angelegt, und es liess
mir keine Ruhe, endlich dort nach dem Stand der Dinge zu sehen.
Der Weg war weit und beschwerlich. Es bedurfte grösserer Vor-
* Aus den „Geschichten des Collofinop Privatdruck, Köln 1918.
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