Bolz war agressiv in jeder Analyse.
Er liebte die Pointe, war gallischer als der Franzose, und früh
entschied sich der Kampf: Paris oder Berlin! in der Brust dieses
Rheinländers zu Ungunsten Berlins.
Kurze Zeit lebte Bolz auch in München, und hier wurde er, seiner
Neigung zu kritischer, boshafter Prägnanz getreu als Zeichner „der
Bürger Haare sträubender" Karikaturen bald gefeiert. Er war der
erste expressionistische Karikaturist, der auch Bestandteile ku-
bistischer Lehre in seine Persiflage des bürgerlich - politischen
Heldenlebens einfing und mit drastischer Schamlosigkeit Wunden
und Blössen ätzte. Eine ganze Generation lebt noch von seinen
heftigen Wutausbrüchen.
So schnell, impulsiv und dennoch eigentlich unbemerkt dieses
Leben ihn dahintrug durch die Höhen der aufgeklärtesten und freiesten
Boheme Europas, so lautlos und tragisch entfloh es auch.
Einäugig kehrte er aus den feldgrauen Klauen nach München
zurück an sein Werk. In wenig Wochen schuf er eine Folge ele-
mentarster plastischer Energieen. Als der giftige Atem ihn schlug
und in drei Tagen dieses kühne Herz zerbrach. Man sagt, er sei
an der Grippe gestorben. Vorher liess er alle seine Figuren und
Bilder, die er noch besass, zerstören.
Karl Otten
ALLES UM GELD“
— oder besser: Traumulus. Nämlich darum besser, weil das
Schicksal dieses Vincenz durch sein unheilbares Träumertum be-
stimmt wird, nicht durch seinen heilbaren Geldmangel. Er kriegt
ja immer wieder Geld — aber er verschleudert oder verbrennt es.
Er könnte sich durch Zugeständnisse rangieren — aber er ver-
schmäht sie Er nennt sich zuversichtlich einen Raubvogel — aber
ist er nicht ein Lamm? Herbert Eulenberg hat gewiss gemeint,
hier einen allerdeutschen Typus den grossen Typen der Gallier ent-
gegenzustellen: Lesages Turcaret, dem nichts als niedrigen Geld-
menschen; Balzac Mercadet, der in den'Taschen der Andern das Geld
findet, das noch garnicht darin ist; Zolas Saccard, der jahraus, jahrein
Millionen verzehrt, ohne je selbst einen Pfennig zu besitzen — diesen
Dreien eine halb namenlose Kreatur Gottes, die nicht sät und nicht
erntet und doch erhalten wird; den Verbrechern einen Windbeutel;
203
Er liebte die Pointe, war gallischer als der Franzose, und früh
entschied sich der Kampf: Paris oder Berlin! in der Brust dieses
Rheinländers zu Ungunsten Berlins.
Kurze Zeit lebte Bolz auch in München, und hier wurde er, seiner
Neigung zu kritischer, boshafter Prägnanz getreu als Zeichner „der
Bürger Haare sträubender" Karikaturen bald gefeiert. Er war der
erste expressionistische Karikaturist, der auch Bestandteile ku-
bistischer Lehre in seine Persiflage des bürgerlich - politischen
Heldenlebens einfing und mit drastischer Schamlosigkeit Wunden
und Blössen ätzte. Eine ganze Generation lebt noch von seinen
heftigen Wutausbrüchen.
So schnell, impulsiv und dennoch eigentlich unbemerkt dieses
Leben ihn dahintrug durch die Höhen der aufgeklärtesten und freiesten
Boheme Europas, so lautlos und tragisch entfloh es auch.
Einäugig kehrte er aus den feldgrauen Klauen nach München
zurück an sein Werk. In wenig Wochen schuf er eine Folge ele-
mentarster plastischer Energieen. Als der giftige Atem ihn schlug
und in drei Tagen dieses kühne Herz zerbrach. Man sagt, er sei
an der Grippe gestorben. Vorher liess er alle seine Figuren und
Bilder, die er noch besass, zerstören.
Karl Otten
ALLES UM GELD“
— oder besser: Traumulus. Nämlich darum besser, weil das
Schicksal dieses Vincenz durch sein unheilbares Träumertum be-
stimmt wird, nicht durch seinen heilbaren Geldmangel. Er kriegt
ja immer wieder Geld — aber er verschleudert oder verbrennt es.
Er könnte sich durch Zugeständnisse rangieren — aber er ver-
schmäht sie Er nennt sich zuversichtlich einen Raubvogel — aber
ist er nicht ein Lamm? Herbert Eulenberg hat gewiss gemeint,
hier einen allerdeutschen Typus den grossen Typen der Gallier ent-
gegenzustellen: Lesages Turcaret, dem nichts als niedrigen Geld-
menschen; Balzac Mercadet, der in den'Taschen der Andern das Geld
findet, das noch garnicht darin ist; Zolas Saccard, der jahraus, jahrein
Millionen verzehrt, ohne je selbst einen Pfennig zu besitzen — diesen
Dreien eine halb namenlose Kreatur Gottes, die nicht sät und nicht
erntet und doch erhalten wird; den Verbrechern einen Windbeutel;
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