WESTFALENBALLADE
Die Weite eines Sommermittags engt der Hahnenschrei.
Wallhecken grenzen mir die grossen Horizonte.
Das Blut darf nicht ausbn chen in dem Mai.
dies Blut, das sich zur Grösse noch nicht lösen konnte.
Die Hintergründe meines Lebens sind nicht Ich.
Dies sind die Väter, die mich schwer umkreisen.
Ihr unerlöstes Blut ertrage ich
und fühle meine grosse Sehnsucht langsam sich vereisen.
Doch wenn das Pferd im Stall sich wiehernd wundert,
daß ich so lange nicht zu Pferde stieg,
dann reite ich und reite ich und lieg
am Hals des Pferdes, fasse ich die hundert
Nächte der Sehnsucht, die mein Blut durchstieg,
und rase wie der Sturm der grossen Heide,
rolle wie Donner, jage, breche aus
und reite nach dem Glück, nach Tod und Leide,
und komme viele Nächte nicht nach Haus.
Ich bin Kentauer; loderndes Haar im Wind.
Des Hengstes Mähne ist mit mir verwachsen.
So reite ich. und Schweiss und Atem rinnt,
und reite Gott und Welt aus ihren Achsen.
Dann stürzen alle Bilder und Gestalten
und sind nur Kot. der unterm Hufe springt,
und meiner großen Seele dunkle Falten
falten sich aus, dass Ross und Reiter klingt.
Und meine Seele hängt wie Nacht im Land.
Und meine Hand, die lange harte Hand,
ist tief ins Fleisch des Pferdes eingespannt.
Dann sind mir alle Grenzen Spott und Hohn.
Es gäbe, wenn ich wollte, eine Himmelfahrt.
Ich stürzte, wenn ich wollte, Gott vom Thron
und schleifte ihn am Pferd, am weissen Bart.
Es raucht die Luft von mir und meinem Pferde.
Ich bin nur Tier, halt keinem Weib die Treue,
und um mich jauchzt die ganze Heideerde
und giesst sich aus in Nacht und blühnde Bläue:
„Du Heideland, du Heimatland, du Blume,
wie bist du wild in mir und singst ein klingend Lied
vom Tier in mir und meinem Jünglingstume.
von süsser Wollust, die mein Knie durchzieht.“
Doch plötzlich wird die Seligkeit des Reiters leerer.
Die Hand löst sich vom Blut des Pferdes los,
und alle Dinge werden wieder schwerer,
und meine Wollust zittert nackt und bloss.
Ich stehe plötzlich träumend im Morast,
träumend im Moor, bedroht vom ganzen Land,
und steh an meines Wesens dunklem Rand:
Wer ist hier Herr? Wer Knecht? Und wer der Gast?
Adolf von Hatzfeld
Die Weite eines Sommermittags engt der Hahnenschrei.
Wallhecken grenzen mir die grossen Horizonte.
Das Blut darf nicht ausbn chen in dem Mai.
dies Blut, das sich zur Grösse noch nicht lösen konnte.
Die Hintergründe meines Lebens sind nicht Ich.
Dies sind die Väter, die mich schwer umkreisen.
Ihr unerlöstes Blut ertrage ich
und fühle meine grosse Sehnsucht langsam sich vereisen.
Doch wenn das Pferd im Stall sich wiehernd wundert,
daß ich so lange nicht zu Pferde stieg,
dann reite ich und reite ich und lieg
am Hals des Pferdes, fasse ich die hundert
Nächte der Sehnsucht, die mein Blut durchstieg,
und rase wie der Sturm der grossen Heide,
rolle wie Donner, jage, breche aus
und reite nach dem Glück, nach Tod und Leide,
und komme viele Nächte nicht nach Haus.
Ich bin Kentauer; loderndes Haar im Wind.
Des Hengstes Mähne ist mit mir verwachsen.
So reite ich. und Schweiss und Atem rinnt,
und reite Gott und Welt aus ihren Achsen.
Dann stürzen alle Bilder und Gestalten
und sind nur Kot. der unterm Hufe springt,
und meiner großen Seele dunkle Falten
falten sich aus, dass Ross und Reiter klingt.
Und meine Seele hängt wie Nacht im Land.
Und meine Hand, die lange harte Hand,
ist tief ins Fleisch des Pferdes eingespannt.
Dann sind mir alle Grenzen Spott und Hohn.
Es gäbe, wenn ich wollte, eine Himmelfahrt.
Ich stürzte, wenn ich wollte, Gott vom Thron
und schleifte ihn am Pferd, am weissen Bart.
Es raucht die Luft von mir und meinem Pferde.
Ich bin nur Tier, halt keinem Weib die Treue,
und um mich jauchzt die ganze Heideerde
und giesst sich aus in Nacht und blühnde Bläue:
„Du Heideland, du Heimatland, du Blume,
wie bist du wild in mir und singst ein klingend Lied
vom Tier in mir und meinem Jünglingstume.
von süsser Wollust, die mein Knie durchzieht.“
Doch plötzlich wird die Seligkeit des Reiters leerer.
Die Hand löst sich vom Blut des Pferdes los,
und alle Dinge werden wieder schwerer,
und meine Wollust zittert nackt und bloss.
Ich stehe plötzlich träumend im Morast,
träumend im Moor, bedroht vom ganzen Land,
und steh an meines Wesens dunklem Rand:
Wer ist hier Herr? Wer Knecht? Und wer der Gast?
Adolf von Hatzfeld