drin in Göttingen, da haben Sie so einen Professor, der ’s Wetter
prophezeiht. Darauf sage ich immer das Gegenteil, und dann stimmt’s.“
So ist es auch mit dem Grautoffschen Buch, fast immer braucht
man nur das Gegenteil anzunehmen, und dann stimmt’s. Von Derain
steht da geschrieben, dass er „für die Landschaft gegenwärtig
jedes Interesse verloren“ habe. Kahnweiler, durch dessen Hände
fast alle Arbeiten von Derain gehen, der selbst ein kleines Buch
über Derain veröffentlicht hat, versicherte mir, dass Derain seit 1914
fast nur Landschaften und Stilleben gemalt habe. Und er zeigte
mir über ein Dutzend dieser Derain-Landschaften, vor allem diese
schönen römischen Landschaften, die zu dem Besten gehören, was
Derain überhaupt ge-
schaffen hat, die so ver-
halten gross wie die rö-
mischen Landschaften
Corots sind. Eine der
neuen Derain-Landschaf-
ten, das kleine Waldstück,
haben Sie ja auch in Ihrer
Berliner Eröffnungs-Aus-
stellung gezeigt. Und so
ist das meiste, was in
diesem Märchenbuch uns
ahnungslosen Berlinern JUAN GRIS Stiilcben (Ölg.)
aufgebunden worden ist.
Der Kubismus sei am Ende! Das kam mir schon immer sehr eigen-
tümlich vor, nachdem in den jungen französischen Kunstzeitschriften
kaum anderes und fast in jeder Nummer Kubismus zu finden war.
In Paris schien man also nichts von dem Ende des Kubismus zu
wissen, und man weiss auch noch nichts davon. Eine Ingres-Mode
grassiere! Sie grassiert, nur nicht in Paris, sondern in der Phan-
tasie des Verfassers und am Kurfürstendamm, wo man diese Weis-
heit für bare Münze genommen hat.
Wie so etwas möglich ist? Ich habe mir darüber auch den
Kopf zerbrochen, bis mir ein auch Ihnen befreundeter Schriftsteller,
der ob seiner treffenden Anekdoten bekannt ist, eine Art Aufklärung
gegeben hat. Er meinte, man kenne in Paris Grautoff doch noch
von früher her, so habe man seine Blague mit ihm getrieben. Und
da er scheinbar mehr Interesse gehabt habe fürs Bankettieren als fürs
Kunststudieren, habe er das alles wohl in Deutschland wiedererzählt.
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prophezeiht. Darauf sage ich immer das Gegenteil, und dann stimmt’s.“
So ist es auch mit dem Grautoffschen Buch, fast immer braucht
man nur das Gegenteil anzunehmen, und dann stimmt’s. Von Derain
steht da geschrieben, dass er „für die Landschaft gegenwärtig
jedes Interesse verloren“ habe. Kahnweiler, durch dessen Hände
fast alle Arbeiten von Derain gehen, der selbst ein kleines Buch
über Derain veröffentlicht hat, versicherte mir, dass Derain seit 1914
fast nur Landschaften und Stilleben gemalt habe. Und er zeigte
mir über ein Dutzend dieser Derain-Landschaften, vor allem diese
schönen römischen Landschaften, die zu dem Besten gehören, was
Derain überhaupt ge-
schaffen hat, die so ver-
halten gross wie die rö-
mischen Landschaften
Corots sind. Eine der
neuen Derain-Landschaf-
ten, das kleine Waldstück,
haben Sie ja auch in Ihrer
Berliner Eröffnungs-Aus-
stellung gezeigt. Und so
ist das meiste, was in
diesem Märchenbuch uns
ahnungslosen Berlinern JUAN GRIS Stiilcben (Ölg.)
aufgebunden worden ist.
Der Kubismus sei am Ende! Das kam mir schon immer sehr eigen-
tümlich vor, nachdem in den jungen französischen Kunstzeitschriften
kaum anderes und fast in jeder Nummer Kubismus zu finden war.
In Paris schien man also nichts von dem Ende des Kubismus zu
wissen, und man weiss auch noch nichts davon. Eine Ingres-Mode
grassiere! Sie grassiert, nur nicht in Paris, sondern in der Phan-
tasie des Verfassers und am Kurfürstendamm, wo man diese Weis-
heit für bare Münze genommen hat.
Wie so etwas möglich ist? Ich habe mir darüber auch den
Kopf zerbrochen, bis mir ein auch Ihnen befreundeter Schriftsteller,
der ob seiner treffenden Anekdoten bekannt ist, eine Art Aufklärung
gegeben hat. Er meinte, man kenne in Paris Grautoff doch noch
von früher her, so habe man seine Blague mit ihm getrieben. Und
da er scheinbar mehr Interesse gehabt habe fürs Bankettieren als fürs
Kunststudieren, habe er das alles wohl in Deutschland wiedererzählt.
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