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Reiners, Heribert
Die Kunstdenkmäler Südbadens (Band 1): Das Münster Unserer Lieben Frau zu Konstanz — Konstanz: Thorbecke, 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.51169#0062

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Münster zu Konstanz

Wann der Nordturm aufgeführt wurde, kann nicht mehr nachgewiesen werden. Daß
es durch B. Gebhard 1084—89 geschah (Lehmann), ist nicht im geringsten zu belegen.
Wir haben nur als untere Zeitgrenze das Jahr 1128, als der Nordturm einstürzte. „Des
Jahres 1128 . . . der schoen und costlich gloggenthurm zue Costentz sanck danyder
zerschluog die gloggen all“, meldet als älteste Quelle die St. Galier Bistumschronik
und nach ihr mehrere andere. Diesen Einsturz hat nun Reisser durch den Baubefund
bestätigen können, wonach der romanische Teil des Turmes aus 2 Bauperioden stammt
und die beiden Untergeschosse älter sind als die oberen, die erst vom Wiederaufbau
stammen. Als Lehre aus dem Einsturz wurden diese in „ängstlicher Konstruktion“
aufgeführt mit sehr schmalen Fenstern, und die Öffnungen der Untergeschosse teilweise
vermauert (s. u. bei der Beschreibung).
Man nahm nun bisher an, auch Reisser, daß um 1100 gleichzeitig mit dem Nordturm
auch ein Südturm errichtet und der Westbau damit dem am Oberrhein seit dem 11. Jh.
üblichen Typus gefolgt sei. Aber weder aus den Quellen noch aus dem Baubefund ist
bisher dafür ein Beweis erbracht worden. Vielmehr spricht die Baugeschichte des Süd-
turmes dagegen, der wiederholt als „novum angulare“ bezeichnet wird, also als der
jüngere dem Nordturm gegenüber.
Der alleinige Bestand des Nordturms 1128 wird auch durch eine Bemerkung des Kon-
stanzer Stadtschreibers Vögellin um 1550 bezeugt in einem Zusatz zu seiner Nachricht
vom Einsturz des Turmes 1128: „Darauß wol zu achten, daz vor diser Zyt der Münster-
thurm noch nicht bauwet gewesen sey“. Der „Münsterthurm“ war für die Chronisten
des 16. Jh. schlechthin der Südturm, der die Sturmglocke barg und die Hochwacht und
gelegentlich auch als Stadtturm bezeichnet wurde, so von Mangolt. Vögellin will dem-
nach sagen, daß 1128 der Südturm noch nicht gebaut war. Das war offensichtlich die
Auffassung des 16. Jh., dem das Ergebnis der dargelegten Bauuntersuchung entspricht.
Michaelskapelle Damit fällt nun auch die Annahme des Baues eines „Westwerks“ durch Gebhard III.
mit dem Zwischenbau der Türme, der angeblich von vornherein mit einer Empore und
vielleicht mit einer Michaelskapelle bestanden hätte. Schon die festgestellte Dekoration
der Westfassade spräche gegen einen Zwischenbau. Auch ist von einer Michaelskapelle
hier in den Quellen nie die Rede. Wenn sie bestanden hätte, wäre sie sicher einmal er-
wähnt worden, zumal bei den mehrfachen und eingehenden Nachrichten beim Bau des
Mittelturmes, der den Abbruch der Kapelle und die Verlegung ihres Altares gefordert
hätte, oder bei der Erstellung der Orgel und den Bauarbeiten nach dem Brande. Wohl
wird schon 1269 in der ältesten Urkunde mit der Aufzählung von Altären ein Michaels-
Altar genannt, aber nicht in Verbindung mit einer Kapelle (s. u.) und ohne Angabe
seines Standortes. Das wäre andernfalls wegen seiner besonderen Lage wie bei den
Altären der Krypta, der Konradikapelle oder auf dem Lettner vermutlich geschehen.
Den Beweis für eine Michaelskapelle sieht man in einer rundbogigen Öffnung im Ober-
geschoß des Nordturmes aus romanischer Zeit (Abb. 107), die später als Zugang für
eine gotische Spindeltreppe innerhalb der Mauer diente und noch vorhanden ist. Da die
Öffnung aber dem Westfenster dieses Geschosses in Größe und Gewände entspricht,
legt sich die Frage nahe, ob es sich bei ihr nicht ursprünglich um ein Fenster handelte.

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