Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Reiners, Heribert
Die Kunstdenkmäler Südbadens (Band 1): Das Münster Unserer Lieben Frau zu Konstanz — Konstanz: Thorbecke, 1955

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51169#0071

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Baugeschichte

nähme der Bibliothek, später als Kapitelsaal. Nach den Jahreszahlen 1480 in einem
ehemaligen farbigen Fenster und 1481 am Ausgang der alten Treppe (Abb. S. 228),
muß dieses Obergeschoß um 1480 erstellt worden sein. Auf Grund der gleichen Formen,
wenn auch nicht durch Steinmetzzeichen zu belegen, sind wohl auch die Wölbung der
Mauritius-Rotunde sowie die Umgestaltung des Vorraums der Konradikapelle in jene
Zeit zu datieren und vielleicht auf Ensinger zurückzuführen.

Nahm man bisher an, daß wie am Münster in Bern und Basel Ensinger trotz seiner
mehr als 30 jährigen Tätigkeit als Werkmeister auch am Konstanzer Münster kein
einziges Mal sein Steinmetzzeichen eingemeißelt habe, weshalb dieses noch als
unbekannt galt, so ließ sich sein Zeichen zweimal am Münster feststellen an den Bau-
teilen, die unter ihm als Werkmeister entstanden sind: An der von ihm beim Bau

der Südkapellen erstellten Gebhardskapelle je einmal innen und außen. Das Zeichen
zeigt das für die Ensinger charakteristische h und erweist sich eindeutig als typi-
sches Ensinger-Zeichen durch Vergleich mit dem Zeichen seines Bruders Moritz
Ensinger im Ulmer Münster, das als Gesellenzeichen auch im Kapitelsaal des Kon-
stanzer Münsters erscheint,

doch mit dem Unterschied,
daß dieser das h auf 2
verbundene und schräg ge-
stellte Kreuze setzt, wäh-
rend bei Vincenz der senk-
rechte längere Stab in ein
einfaches Kreuz übergeht
(s. Abb.).


40. Steinmetzzeichen der Ensinger: 1. Moritz Ensinger im Ulmer
Münster. 2. Vincenz Ensinger im Konstanzer Münster, an Geb-
hardskapelle, außen. 3. an Gebhardskapelle innen. 4. Moritz En-
singer, Konstanz, im Kapitelsaal. 5. Siegel des Moritz Ensinger

Erst nach diesen umfangreichen Bauarbeiten wandte man sich anscheinend dem West- Steflan Bassnow
bau zu. Ende Dezember 1487 wurde Steffan von Bassnow, der schon im April als Das Hauptportal
Parlierer, (= parlator, Fürredner der Hütte) erscheint und den üblichen Eid geschworen
hatte, beauftragt „das Portal zu machen“, wobei Meister Vincenz ihm mit Rat zur Seite
stehen sollte. Aber zwischen den beiden waren Unstimmigkeiten und Bassnow hatte
eine „Verschribung“ gegen Ensinger eingereicht. Die Meister der Ulmer Hütte hatten
die Streitigkeiten durch einen Schiedsspruch geschlichtet, den Ensinger beim Dom-
kapitel hinterlegen mußte. Gleichwohl lebte der Streit der beiden weiter, und das
Kapitel, dem anscheinend an der Arbeit von Bassnow sehr gelegen war, drohte sogar
dem Meister Vincenz mit der Entlassung, falls er dem andern etwas nachtragen oder
ihn gar an seiner Arbeit hindern würde. Bei dem Auftrag Bassnows kann es sich wohl
nur um die Vorhalle handeln, die unter verschiedener Bezeichnung in den Protokollen
begegnet: 1497 als Portal: „die sepulturen unter dem Portal“, an anderer Stelle im
gleichen Jahr als „porticus“, 1501 als „Vorzeichen“. Dabei kann es nur eine gedeckte
Vorhalle gewesen sein. Denn laut Protokoll wurde im Juni 1490 beschlossen, daß
der Knopf aus vergoldetem Kupfer auf dem Portal gemacht werden soll. Solche Ab-
schlüsse werden aber nur bei Dächern angebracht. Die Vorhalle muß demnach kurz

51
 
Annotationen