Münster zu Konstanz
deutschen Schweiz, Augsburg 1930, S. 134, Anm. 48. — Br. Leiner, Konstanzer Holzplastik aus dem
14. Jahrh.: Das schöne Konstanz 1940, S. 149, Abb. 1. — Ausstellung Mittelalterliche Kunst in
Baden, Karlsruhe 1949, Katal., Nr. 91, m. Abb.
Die Figur, als Leihgabe im Rosgartenmuseum, aus Lindenholz, 1,63 m h., mit alter.
1949 teilweise wiederhergestellter Fassung, das Gewand vergoldet über Leinenüberzug.
Es fehlen der obere Teil der Krone der Madonna, der rechte Unterarm des Kindes, die
Zehen des linken und die große Zehe des rechten Fußes. Die Haare des Kindes sind
in der Barockzeit entfernt. Ungewöhnlich für diese Frühzeit das Motiv: Die Madonna,
ohne Attribut, faßt mit der Linken das ausgestreckte Händchen des nackten Kindes
auf ihrem rechten Knie und legt ihre Rechte auf dessen Schulter, also eine rein
menschliche, mütterliche Auffassung. Andererseits die strenge Gestaltung: Die Ma-
donna, hoheitsvoll in ihrer Haltung, das Antlitz ohne Lächeln, auch das Kind ganz
aufrecht, den Kopf fast im Profil, ungewöhnlich in der Anordnung der Beine, vielleicht
um der geschlossenen Form willen. Der strengen Auffassung entspricht die großzügige
Gliederung und Faltengebung, in einem Zuge fällt der rechte Mantelsaum herab. Im
Einklang damit eine ausgesprochen plastische, körperliche Note in den vollen Formen
von Mutter und Kind, den stark betonten Knien, auch in den leicht geblähten Falten,
im vollen Antlitz der Mutter und vor allem in den rundlichen Formen des Kindes mit
kurzem gedrungenem Hals.
Die Gruppe ist wohl die bedeutendste Plastik, die Konstanz aus der vorreformatori-
schen Zeit gerettet hat, ist ebenso stark wie persönlich in Auffassung und Gestaltung,
„nicht direkt von Frankreich beeinflußt“, wohl sicher das Werk eines Konstanzer
Meisters. Man hat sie, aber nicht im geringsten überzeugend, einem Meister aus der
Werkstatt des durchaus problematischen Konstanzer Meisters Heinrich aus der
1. Hälfte des 14. Jh. zugeschrieben und Ähnlichkeiten mit den bekannten besten
Christus- und Johannes-Gruppen in ihr sehen wollen, die aber nicht in den Formen,
nur in der meisterhaften Verschmelzung von Gefühl und Strenge liegen könnten. Da
in Form und Auffassung noch deutlich das 13. Jh. nachklingt, ist das Werk spätestens
um 1300 zu datieren, die neuere Datierung ins 2. Drittel 14. Jh. ist wohl zu spät.
Ungewöhnlich ist für diese frühe Zeit das völlig unbekleidete Kind. Kraus setzt die
Figur mit der in den Quellen öfters erwähnten und bei Richental abgebildeten „Maria
an der seul“ gleich, worin ihm Baum folgt, was aber schon Gröber mit Recht als irrig
ablehnte.
Tod Mariens, in der Sakristei, Eichenholz, hinten abgeflacht, 1,28 : 0,96 m, 1887
restauriert, Fleischteile, Bärte und Haare überstrichen, ebenso die Mantelumschläge,
sonst anscheinend die alte Fassung noch großenteils unter dünner späterer Vergoldung
erhalten, 1923 wieder hergestellt. Es fehlen das obere Eckstück an Marias Lager, der
Wedel in der Linken des Petrus, das Attribut des Johannes und die Kerze beim Apostel
am Fußende. Stand 1790, laut Inventar, auf dem Altar der oberen Sakristei, später auf
dem Altar der Magdalenenkapelle. Die Gruppe, aus der Mitte 15. Jh., war früher
sehr verehrt, denn die Stelle bei Bucelinus (Lacus Potam. Constantia Rhenana, p. 5) :
„Magno in cultu est Deiparae morientis in praesentia Christi Apostolorum statua“,
bezieht sich wohl auf diese Gruppe.
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deutschen Schweiz, Augsburg 1930, S. 134, Anm. 48. — Br. Leiner, Konstanzer Holzplastik aus dem
14. Jahrh.: Das schöne Konstanz 1940, S. 149, Abb. 1. — Ausstellung Mittelalterliche Kunst in
Baden, Karlsruhe 1949, Katal., Nr. 91, m. Abb.
Die Figur, als Leihgabe im Rosgartenmuseum, aus Lindenholz, 1,63 m h., mit alter.
1949 teilweise wiederhergestellter Fassung, das Gewand vergoldet über Leinenüberzug.
Es fehlen der obere Teil der Krone der Madonna, der rechte Unterarm des Kindes, die
Zehen des linken und die große Zehe des rechten Fußes. Die Haare des Kindes sind
in der Barockzeit entfernt. Ungewöhnlich für diese Frühzeit das Motiv: Die Madonna,
ohne Attribut, faßt mit der Linken das ausgestreckte Händchen des nackten Kindes
auf ihrem rechten Knie und legt ihre Rechte auf dessen Schulter, also eine rein
menschliche, mütterliche Auffassung. Andererseits die strenge Gestaltung: Die Ma-
donna, hoheitsvoll in ihrer Haltung, das Antlitz ohne Lächeln, auch das Kind ganz
aufrecht, den Kopf fast im Profil, ungewöhnlich in der Anordnung der Beine, vielleicht
um der geschlossenen Form willen. Der strengen Auffassung entspricht die großzügige
Gliederung und Faltengebung, in einem Zuge fällt der rechte Mantelsaum herab. Im
Einklang damit eine ausgesprochen plastische, körperliche Note in den vollen Formen
von Mutter und Kind, den stark betonten Knien, auch in den leicht geblähten Falten,
im vollen Antlitz der Mutter und vor allem in den rundlichen Formen des Kindes mit
kurzem gedrungenem Hals.
Die Gruppe ist wohl die bedeutendste Plastik, die Konstanz aus der vorreformatori-
schen Zeit gerettet hat, ist ebenso stark wie persönlich in Auffassung und Gestaltung,
„nicht direkt von Frankreich beeinflußt“, wohl sicher das Werk eines Konstanzer
Meisters. Man hat sie, aber nicht im geringsten überzeugend, einem Meister aus der
Werkstatt des durchaus problematischen Konstanzer Meisters Heinrich aus der
1. Hälfte des 14. Jh. zugeschrieben und Ähnlichkeiten mit den bekannten besten
Christus- und Johannes-Gruppen in ihr sehen wollen, die aber nicht in den Formen,
nur in der meisterhaften Verschmelzung von Gefühl und Strenge liegen könnten. Da
in Form und Auffassung noch deutlich das 13. Jh. nachklingt, ist das Werk spätestens
um 1300 zu datieren, die neuere Datierung ins 2. Drittel 14. Jh. ist wohl zu spät.
Ungewöhnlich ist für diese frühe Zeit das völlig unbekleidete Kind. Kraus setzt die
Figur mit der in den Quellen öfters erwähnten und bei Richental abgebildeten „Maria
an der seul“ gleich, worin ihm Baum folgt, was aber schon Gröber mit Recht als irrig
ablehnte.
Tod Mariens, in der Sakristei, Eichenholz, hinten abgeflacht, 1,28 : 0,96 m, 1887
restauriert, Fleischteile, Bärte und Haare überstrichen, ebenso die Mantelumschläge,
sonst anscheinend die alte Fassung noch großenteils unter dünner späterer Vergoldung
erhalten, 1923 wieder hergestellt. Es fehlen das obere Eckstück an Marias Lager, der
Wedel in der Linken des Petrus, das Attribut des Johannes und die Kerze beim Apostel
am Fußende. Stand 1790, laut Inventar, auf dem Altar der oberen Sakristei, später auf
dem Altar der Magdalenenkapelle. Die Gruppe, aus der Mitte 15. Jh., war früher
sehr verehrt, denn die Stelle bei Bucelinus (Lacus Potam. Constantia Rhenana, p. 5) :
„Magno in cultu est Deiparae morientis in praesentia Christi Apostolorum statua“,
bezieht sich wohl auf diese Gruppe.
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